Bauprojekt am Heumarkt: Grüne Gegner eröffnen Charmeoffensive für eigene Gemeinderäte
Die Initiatoren der Urabstimmung bei den Wiener Grünen zum Bauprojekt am Heumarkt wollen nicht aufgeben: Sprecher Alexander Hirschenhauser hofft nach wie vor darauf, dass die Grünen ihre Unterstützung im Gemeinderat verweigern. Den Wiener Grünen drohen weitere Konflikte.
WIEN. Es hat sie am falschen Fuß erwischt: Dass die Gemeinderäte der Wiener Grünen nicht von der Partei dazu verpflichtet werden, sich an das Ergebnis der innerparteilichen Urabstimmung (zur Erinnerung: 348 von 678 gültig abgegebenen Stimmen haben sich gegen das Hochhaus am Heumarkt ausgesprochen, das sind 51,3 Prozent) zu halten, das haben deren Initiatoren nicht vorhergesehen. So haben sie einige Tage gebraucht, um sich eine Antwort zu überlegen, doch jetzt ist sie da: Eine Charmeoffensive soll es sein, sagt Sprecher Alexander Hirschenhauser, Klubchef im 1. Bezirk, im Rahmen einer Pressekonferenz am Donnerstag. "Wir haben als einzige Partei die Möglichkeit einer Urabstimmung in den Statuten verankert und wir bitten unsere Gemeinderätinnen und Gemeinderäte, das Ergebnis zu respektieren."
Vassilakou ist nicht Kreisky
Es geht um die Sache, betont die Initative Urabstimmung, die sich zum namensgebenden Zweck aus Vertreterinnen und Vertreter aller Bezirke gegründet hat, immer wieder. Die Sache im engeren Sinn: Neben dem Hotel Intercontinental ist im Zuge einer Neugestaltung ein Hochhaus geplant - ein Hochaus in der Innenstadt, die den Status des UNESCO-Welterbe in Gefahr bringt. Mit dem Welterbe spielen und womöglich einen Präzedenzfall für die Aberkennung schaffen, das könne kein grünes Ziel sein. Im weiteren Sinn geht es bei der Sache aber auch um den Einfluss privater Investoren auf die Stadtplanung, denn Betreiber Michael Tojner habe sich, so die Wahrnehmung der Projektgegner, in den Verhandlungen gegen die Stadt durchgesetzt. Er baut das Hotel Intercontinental neu und daneben einen Turm, in dem er Luxuswohnungen errichtet, versetzt die Lothringerstraße, damit alles Platz hat und schenkt im Gegenzug dem Eislaufverein ein neues Gelände und verschönert die Durchgänge am Areal. Ein Gewinn für beide Seiten, so die zuständige Stadträtin, Projektbefürworterin und Landesparteichefin der Grünen, Maria Vassilakou. Zu viel Profit für zu wenig Leistung im öffentlichen Raum, sagen die Gegner.
Kritik an der Parteichefin klingt durch, wenn der Vergleich zur Volksabstimmung zum Atomkraftwerk Zwentendorf gezogen wird: "Bundeskanzler Kreisky hat sich damals für das Kraftwerk eingesetzt, das gegenteilige Ergebnis der Abstimmung aber widerspruchslos umgesetzt", sagt Nicole delle Karth, grünes Parteimitglied aus Döbling. Bei den Grünen ist das Ergebnis noch offen: Am 1. Juni wird im Gemeinderat über die für den Neubau notwendige Änderung der Flächenwidmung abgestimmt. Damit diese durchgeht, müssen sieben von zehn Grünmandataren dafür stimmen - voraugesetzt, dass alle SPÖ-Abgeordnete auch dafür sind. Sowohl Vassilakou als auch Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) scheinen davon auszugehen, dass die Mehrheit zustande kommt. Hirschenhauser hingegen ist optimistisch, dass sich die Meinung der Basis durchsetzen wird. Wer Recht behalten wird, ist schwer vorherzusagen: Martin Margulies hat bereits öffentlich gemacht, dass er gegen das Heumarkt-Projekt stimmen wird, über einige weitere Gemeinderäte gibt es gleichlautende Gerüchte.
Der Widerstand gegen das Heumarkt-Projekt beschränkt sich natürlich nicht auf die Grünen: Neben Kritik von ÖVP und FPÖ, mehrerer privater Denkmalschutzvereine, einer Initiative aus Architekten und Kulturschaffenden und vielen mehr hat sich vor einer Woche auch der Beirat für Baukultur im Bundeskanzleramt ablehnend geäußert. "Die für eine Umwidmung mit derart einschneidenden und irreversiblen Folgen für das Wiener Stadtbild vorgebrachten Argumente der Stadtregierung erscheinen dem Beirat nicht nachvollziehbar", heißt es in einer Stellungnahme, und es "sei in Erinnerung gerufen, dass die Tragweite dieses Konfliktfalls über die Stadt Wien hinausgeht, zumal sich die Österreichische Bundesregierung per Staatsvertrag mit der UNESCO verpflichtet hat, die Weltkulturerbestätten zu schützen." Die für den Bau nötige Umwidmung bleibt aber Sache der Stadt und kann auch nur vom Gemeinderat verhindert werden.
Liste der strittigen Punkte ist lang
Zurück zu den Grünen: Hier geht es, auch wenn Gegenteiliges behauptet wird, längst nicht mehr nur um die Sache. Zu wichtig ist die Frage der innerparteilichen Demokratie für die DNA der Grünen und zu öffentlich und ohne Rücksicht auf das Ansehen der Parteivorsitzenden wurde die Diskussion ausgetragen. Vonseiten der Initiative Urabstimmung wird bestätigt, dass das nur der Anfang war: Man habe sich um den Kristallisationspunkt Heumarkt gesammelt, könne sich aber durchaus vorstellen, weitere Urabstimmungen voranzutreiben. Themen gibt es einige: Trotz nominellen grünen Widerstands wird die Planung des Lobautunnels von der SPÖ unbekümmert vorangetrieben, ebenfalls in der Donaustadt plant die SPÖ seit Jahren eine Stadtautobahn, die das Verkehrsaufkommen sicher ebenfalls nicht verringern würde. Mit einigen großen Wohnbauprojekten während der rot-grünen Koalition hat man sich an der grünen Basis in den letzten Jahren bereits keine Freunde gemacht, und ebenfalls wichtig, sagt Wolfgang Orgler von den Grünen Donaustadt, ist die Frage der Mindestsicherung: Eine Senkung wie in anderen Bundesländern würde ebenfalls Widerstand auslösen. Der Protestflügel der Wiener Grünen wird sich wohl in Zukunft öfter lautstark zu Wort melden - dass das den Stand der Partei in der Stadtregierung nicht gerade leichter macht, ist offensichtlich.
Hintergrund:
Bericht:Heumarkt - Vassilakou lässt Gemeinderäte entscheiden
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