Eine feige Männerbande leistet Beihilfe zum Mord
Großkampftag im Volkstheater. Vormittag die Ehrung von Hilde Sochor zu Ihrem 90. Geburtstag , zu der ich nicht erscheinen konnte, da mir der Schlaf die Sinne raubte, und dann war es schon zu spät. Es muss ein großartiges Fest gewesen sein, so der Kommentar einer Anwesenden. Und am Abend „Maria Stuart“, bei der die Ensemblemitglieder keine Ermüdungserscheinungen zeigten.
Ich sah in „ Maria Stuart“ eine Familienaufstellung, in der zwei Königinnen und deren intriganter Hofstatt ihre gegenseitige Abneigung zelebrierten. Im dürftigen aber eindrucksvollen Szenenbild von Michael Simon unter der Regie von Stephan Müller zeigen die Protagonisten Menschen, die aus niedrigen Beweggründen zu Mördern werden. Die forensische Psychiaterin Nahlah Saimeh hat in ihren Untersuchungen Straftäter mit dem Ziel beobachtet, wie deren Schuldfähigkeit zum Zeitpunkt der Tat festgestellt werden kann. Lag bzw. liegt eine Persönlichkeits- oder psychische Störung, oder eine Intelligenzminderung vor. Wir kennen die Psyche der Rivalinnen in dem Stück nicht. In der Tat sind es aber irrationale Handlungen, die den Ausbruch mörderischer Gedanken zur Folge haben. In Friedlich Schillers Trauerspiel endet der Kampf der Worte mit dem Tod von Maria Stuart.
Kurz zum Inhalt: England 1587. Maria, Königin von Schottland, als Gattenmörderin aus ihrem Land vertrieben, sucht Schutz bei Elisabeth I, Königin von England. Doch die lässt Maria, in der sie als Königin und als Frau eine Konkurrentin sieht, einkerkern. Der Vorwurf lautet: Aufruhr gegen den englischen Thron. Da kommen zwei Männer ins Spiel: Mortimer, der junge Neffe des Kerkermeisters, plant Marias Befreiung. Sie aber bittet ihn, mit Leicester, einem Günstling Elisabeths, von dem sie sich geliebt glaubt, Kontakt aufzunehmen. Ein fataler Fehler. Verhängnisvolle Verwicklungen nehmen ihren Lauf, die in Marias Hinrichtung gipfeln.
1800 fand die Uraufführung statt. Im Buch - nicht ganz den historischen Tatsachen folgend - zeigt Schiller seine Sicht der Dinge: Maria Stuart als sündige Verführerin und zugleich als bemitleidenswertes Opfer der berechnenden Strategin Elisabeth und des Barons von Burleigh, der nur die Staatsräson im Auge hat. Marias Verbrechen liegt in der Vergangenheit und ist der Leidenschaft entsprungen, Elisabeths Verbrechen hingegen vollzieht sich vor den Augen des Publikums: Die unberechtigte Anklage wurzelt in gekränkter Eitelkeit, Eifersucht und Neid. Doch selbst beim Streit der Gegnerinnen findet Schiller keine Sympathie für Maria. Die wankelmütige Elisabeth, immer wieder von Zweifel und Hass geprägt, entwickelt sich zu einer alles Schamgefühl brechenden Xanthippe, die den Tod Marias beschließt. Ihr Triumph ist ein fataler Pyhrrussieg, denn Maria gewinnt das moralische Recht, indem sie das Todesurteil in freier Entscheidung annimmt, während die politische Siegerin Elisabeth vereinsamt zurückbleibt. Im atemraubenden Tempo der Auseinandersetzung bleiben sich die Königinnen nichts schuldig. Der Stolz der einen, der Verdruss der anderen und eine Männer-Mörderbande, in der zwar gemäßigte Kräfte den Super-Gau verhindern wollen, führen zum sinnlosen Tod von Maria Stuart. Zivilcourage ist in Elisabeths England nicht gefragt, und wer es dennoch wagt, landet auf dem Schafott.
In einer sehr gerafften Inszenierung – bei Andrea Breth im Burgtheater hätte es wohl vier Stunden gedauert – spielen Martina Stilp in der Titelrolle und Andrea Eckert als Elisabeth eine impulsive Gegnerschaft. Günter Franzmeier als der zaudernder Graf von Leicester, der nicht weiß, auf welche Seite er sich schlagen soll, Patrick O. Beck als Graf von Burleigh, der im Interesse des Staates und wohl auch in seinem eigenen klar für den Mord ist, Erwin Ebenauer als Graf von Shrewsbury, der das Unheil verhindern will, und Jan Sabo als etwas wortundeutlicher Mortimer, der Gefolgschaft sucht, um Maria zu befreien. Diese Protagonisten diktieren das Geschehen. Es ist eine Aufführung über den Kampf um Leben und Tod, die die aufwühlende Spannung bis zur letzten Sekunde hält.
Next: Maria Stuart am 15.2.2014, 19,30
Ticket: über Internet oder unter www.volkstheater.at
Reinhard Hübl
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