Musikverein: Durchwachsenes Konzert der Tonkünstler
Wohl gestimmt komme ich in den Musikverein. Auf Grund meines Birnenkörperbaus muss ich täglich aufs Laufband. Das ertrage ich nur mit klassischen Musik. Tosca aus Rom ist für heute das richtige: Die Produktion an Originalschauplätze aus dem Jahr 1992 mit Placido Domingo als Cavaradossi und Zubin Mehta an Dirigentenpult. Die Videoaufnahme ist zwar schon ein wenig altersschwach, setzt aber immer noch Maßstäbe.
Ja, Sie haben richtig gelesen, ich habe noch ein TV-Gerät mit dem ich Video abspielen kann. Gott sei gedankt, dass es nicht der Räumwut zum Opfer gefallen ist.
Der Programmzettel des Konzert der Niederösterreichischen Tonkünstler enthält Stücke von zwei Komponisten, die die Nazis für ihre Propaganda missbraucht haben. Richard Wagner, sowieso, deutsches Heldenpathos und Franz Liszts mit Préludes, die im Zweiten Weltkrieg als Erkennungsmelodie („Russland-Fanfare“) für den Wehrmachtbericht in Rundfunk und den Wochenschauen verwendet wurde.
Wagners Ouvertüre zur Oper Tannhäuser ist der Auftakt zu einem insgesamt wackeligen Konzert. Vor allem in Anton Bruckners Symphonie Nr. 3 d-moll. Die Hörner büxen hörbar aus. Um kein ungerechtes Urteil abzugeben, höre ich mir am nächsten Tag eine CD aus dem Jahr 2008 an. Die schon bejahrte Aufnahme mit den New Yorker Philharmonikern unter Leitung von Pult Walter bietet ein anderes, ausgewogenes Klangbild als die Aufführung im Musikverein. Das Tempo der Ouverture ist sehr getragen, mehr Büßer als Pilgerchor, wiewohl das Klangbild insgesamt überzeugen konnte.
In Liszt‘ Konzert für Klavier und Orchester, Nr. 2 A-Dur spielt der Pianist Krill Gerstein groß auf. Keine Note falsch gespielt, erklärt mit mein Musikbegleiter, keine Unsicherheit. Gerstein ist ein hart arbeitender Musiker, der herrliche Töne dem Klavier entlockt. Nicht so mit der Leichtigkeit eines Lang-Lang, nicht so wie Verinnerlichung eines Ingo Wunder und schon gar nicht mit ausladenden Gesten eines Barenboim. Die Tonkünstler begleiten ihn mit Aufmerksamkeit und Genauigkeit, die Bläsersolisten und der Pianist musizieren sichtlich wohlwollend miteinander. Dass der Applaus stark aber nicht enthusiastisch ausfällt, liegt weniger am Solisten als an der unausgewogenen Komposition. Ihre Ausstrahlung ist intimer, inniger. lässt viel Platz für Träumerei und Romantik.
Summasomarum: Die Tonkünstler hatten nicht ihren besten Tag, und Maestro Claus Peter Flor war wohl nicht der ideale Dirigent.
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Freuen Sie sich auf eines der nächsten Konzerte:
Am 4.5.2013 steht wieder der Chef Andrés Orozco-Estrada an Pult
Zweimal Brahms:
Tragische Ouvertüre d-moll op 8
Symphonie Nr. 3 F-Dur op. 90
und einigen Mahler-Liedern
Reinhard Hübl
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