Wenn Tunten das Kommando im Ersten übernehmen, hat die Stenzel nix zum Lachen
Es geht um bürgerliches Spießbürgertum, um politische Ungusteln, um vermeintlich moralische Instanzen, die sich als Hüter für Recht und Ordnung aufdrängen. „La Cage aux Folles“ in den Kammerspielen zeigt humorvoll die Scheinheiligkeit und Niedertracht der Politik auf, die uns bis heute erhalten geblieben ist.
Ursprünglich dachte ich, diese Schwulenrevue in einem so kleinen Theater aufzuführen geht gar nicht. Doch es geht, wenn auch mit ein paar Abstrichen. Anfangs ist mir furchtbar fad - Schultheater konstatiere ich. „Du musst den Film ausblenden“, flüstert mir meine Begleiterin zu, die mich im Sessel gelangweilt lümmeln sieht. Und tatsächlich kann ich mich ab diesem Zeitpunkt in die Show einbringen.
Georges und Albin führen ein verruchtes Etablissement, in dem sie ihr Geld mit Travestie-Shows verdienen. Star ist die exaltierte Zaza (Albin). Die Tunte beherrscht mit ihren Allüren der Betrieb, kommt zu spät zu ihren Auftritten, flüchtet bei jeder noch so kleiner Kritik in Depressionen. Das geht so lange gut, bis Georges‘ Sohn Jean-Michel, den Georges bei einem alkoholischen One-Night-Stand gezeugt hatte, heiraten will. Die Dame gebar und scherte sich nicht weiter um die Brut. So wuchs Jean-Michel bei Georges und Albin, die die Elternrolle übernahmen, auf. Die Wohnung der beiden Schwulen ist mit Erotik-Devotionalien zugemüllt. Und da die Brauteltern erst dann den Segen zur Heirat geben wollen, wenn sie die Umgebung und die Eltern des jungen Mannes kennengelernt haben, kommt es zum Disaster, und im Haus von Georges und Albin bricht Panik aus. Noch am selben Tag reist der erzkonserative Abgeordnete Dindon, der nach seiner Wiederwahl die Stadt von den Erotik-Spelunken reinigen will, mit Frau und Tochter an. Dem bescheuerten Butler - vulgo Zofe von Albin, der grundsächlich halbnackt durch die Bleibe der Beiden torkelt - wird die Entsorgung der vulgären Elemente aufgetragen. Er soll auch für eine Raum-Dekoration mit einer Überdosis an konservativem Material sorgen. Jean-Michel ist dem Kollaps nahe, versucht sich als Verhaltensberater, womit er kläglich scheitert. So schmieden Vater und Sohn einen Plan B. Albin muss weg. Doch wer bringt ihm das bei? Die Diva ist ohnehin ein Sensibelchen. Die richtige Mutter von Jean-MIchel soll für ein paar Stunden die Rolle übernehmen. Sie sagt zu, kommt aber dann doch nicht. Albin hat sich damit abgefunden, dass er nicht erwünscht ist. Durch das Nichterscheinen der leiblichen Mutter sieht er jedoch seine große Stunde gekommen. Zum Entsetzen von Georges und Jean-Michel tritt er in Operetten-verkleidung zur Heirats-Prüfrunde an. Die Katastrophe nähert sich dem Höhepunkt: Der tuntige Butler serviert die Speisen auf griechischen Penis-Tellern. So beschließt man, das Dinner in einem angesagten Promilokal fortzusetzen. Deren Besitzerin Jaqueline ist ein ausgefuchstes Weib - sie animiert Albin zu singen. Zaza ziert sich, tut es dann aber doch. „Ich bin, wer ich bin“ trällert sie vor sich hin. Jean-Michel ist dem Herzinfarkt nahe, als sie die anderen zum Mitsingen einlädt. Der bürgerlich Retropolitiker ist ohnehin schon misstrauisch geworden und sieht sich bestätigt, als die Dragqueen ihre Perücke abstreift. Zur Flucht ist es zu spät, Jaqueline hat Reporter stellig gemacht, die nur darauf erpicht sind, den Reaktionär im verruchten Nachtclub-Milieu zu fotografieren. Inzwischen haben sich alle gegen ihn verschworen, Jean- Michel bekommt Anne zur Frau, die Zofe lässt die Frackhüllen fallen. Und um nicht aufzufallen, müssen sich alle der seriösen Bekleidung entledigen und in den Travestie-Look wechseln. Der Wertekanon ist gefallen, es geht nur mehr um das eigene (Politiker-) Überleben.
Mit einigen Kunstgriffen gegenüber dem Original hat Regisseur Werner Sobotka das Musical von Jerry Herman und Harvey Fierstein auf die kleine Bühne der Kammerspiele gebracht. Herbert Föttinger als Georges und Michael Dangl als Albin sind die tragenden Säulen der Aufführung. Der Verwandlungskünstler Dangl ist einer des besten Schauspieler Österreichs. Er spielt die Dragqueen hinreißend. Selbst seine gesanglichen Schwächen tun nichts zur Sache, er ist die Nachtclub-Nudel par excellence. Die anderen Darsteller sind hauptsächlich Stichwortbringer, Peter Scholz als Edouard Dindon, Alexandra Krismer als seine Frau, Martin Niedermair als Butler. Die Jungen - Niklas Abel als Jean-Michel und Sarah Baum als Anne - sind entwicklungsfähig. Und Susa Meyer als Jaqueline mimt das hinterhältige Gfrast vorzüglich. Die Tanztruppe ist das Salz in der Suppe, und die Fünf-Personen-Combo begleitet das Geschehen auf der Bühne sängerfreundlich. Das köstliche Finale aller Akteure endet in Standing Ovations.
Next: 16.9.2015, das Stück ist gut gebucht, rasche Reservierung empfohlen.
Infos und Tickets: https: //www.josefstadt.org
Reinhard Hübl
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