"Fairtrade ist keine elitäre Veranstaltung"
Fairtrade Österreich-Geschäftsführer Hartwig Kirner über Rosen, Kinderarbeit und Frauenkaffee.
Fair Trade Österreich feiert sein 25-jähriges Bestehen. War dieser Erfolg damals absehbar?
HARTWIG KIRNER: Nein, das war damals unvorstellbar! Als Student habe ich in Stockerau einen Weltladen mitgegründet und wir hätten uns diesen Erfolg nicht träumen lassen.
Wieviele Produkte mit dem Fairtrade-Zertifikat sind in Österreich derzeit im Handel?
Mehr als 1.900. Es gibt auch Fairtrade-Gemeinden und Bezirke, wie Wieden, Neubau, Jodefstadt und Alsergrund. Liesing ist derzeit auf dem besten Weg, ein Fairtrade-Bezirk zu werden.
Fairtrade Österreich hat seinen Sitz in der Ungargasse. Der 3. Bezirk ist kein Fairtrade-Bezirk?
Nein, aber er ist ideal für unseren Standort, da er sehr zentral ist.
Ist alles, was es in einem Fairtrade-Beirk zu kaufen gibt, fair gehandelt ist?
Nein. Um ein Fairtrade-Bezirk zu werden, muss im Bezirksparlament eine Resolution verabschiedet werden. Ist dieser Wille da, wird eine Arbeitsgruppe gegründet, die feststellt, wie Fairtrade-Produkte im Bezirk platziert werden können. Da sind zum einen die Gastronomen wie der Wirt um´s Eck, der ein Produkt wie Tee oder Orangensaft in sein Sortiment aufnimmt. Zum anderen geht es um Lobbying im Bezirk. Also etwa bei Jugend- oder Seniorenveranstaltungen Fairtrade-Kaffee auszuschenken. Wir wollen das Thema fairer Handel ins Bewußtsein bringen.
Sind diese Waren nicht Besserverdienern vorenthalten?
Genau das sollen sie nicht sein. Wir haben eine Bekanntheit von 93 Prozent im Markt und die Hälfte aller Konsumenten gibt an, gelegentlich Fairtrade-Produkte zu kaufen. Wir sind keine elitäre Veranstaltung, die Produkte sind preislich im Mittelfeld angesiedelt. Aber gerade Menschen, die weniger verdienen, denken an Leute, die in Armut leben.
Wofür steht das Fairtrade-Zeichen auf einer Verpackung genau?
Unsere Organisation steht primär für Bauern. Fairtrade heißt nicht bio, das wird gerne verwechselt. Die Bauernfamilien im Ursprung profitieren dank Fairtrade von einem Mindestpreis für ihre Rohstoffe, der als Sicherheitsnetz gegen schwankende Marktpreise nach unten dient und erhalten zusätzlich eine Fairtrade-Prämie für wichtige Gemeinschaftsprojekte. Es werden keine Almosen verteilt, sondern die Bauern unterstützt, damit sie von ihrer harten Arbeit auch leben können.
Wer kontrolliert das?
Die Bauern schließen sich zu einer Genossenschaft zusammen – das alleine ist schon ein Vorteil. Etwa bei Finanzdarlehen, wenn ein Bauer ein Haus bauen will. Kontrolliert werden die Genossenschaften und Bauern von eigenen Kontrollorganisationen vor Ort.
Wäre es nicht die Pflicht vom Staat oder der EU, nur faire Produkte zuzulassen?
Es ist meine Wunschvorstellung, dass Fairtrade nicht Ausnahme, sondern Normalfall ist! Ja, es bräuchte eine globale Regulierung, das ist ein politisches Versäumnis. Es gibt auch Ansätze in diese Richtung, etwa in den USA wurde einmal festgeschrieben, dass kein Kakao aus Kinderarbeit in den Handel gelangen darf. Für einzelne Rohstoffe wäre so eine gesetzliche Regelung hochnotwendig. Zum Glück denken viele große Unternehmen um.
Zum Beispiel?
Durch die mediale Berichterstattung über Kinderarbeit auf den Kakaoplantagen in Westafrika hat sich bei Schokolade in den vergangenen drei Jahren viel getan. Die Firma Heindl etwa hat ihr gesamtes Sortiment auf Fairtrade umgestellt. Das Volumen an fairem Kakao hat sich in den vergangenen drei Jahren in Österreich verdreifacht, in Deutschland sogar verzehnfacht. Auch Unternehmen wie Manner, Meindl oder Vossen bieten Fairtradeprodukte an. Und alle Rosen bei Billa, Spar und Hofer kommen aus afrikanischen Fairtrade-Blumenfarmen. Auch Ketten wie Nordsee bietet fairen Kaffee an und Mc Donald´s verkauft fairen Tee.
Was ist Ihr Lieblings-Fairtrade-Produkt?
Der Frauenkaffee aus Honduras. Kaffeeanbau ist eine sehr männliche Domäne. Den weiblichen Kaffeebauern haben die Männer in der Genossenschaft scheinbar nicht zugehört und daher haben sie einfach ihre eigene Frauengenossenschaft gegründet. Ein großartiges Projekt! Dieser Kaffee von Eza heißt "Abessa" und ist beim Spar erhältlich.
Zur Sache
Der studierte Betriebswirt Hartwig Kirner ist seit elf Jahren Geschäftsführer von Fairtrade Österreich, das heuer sein 25-jähriges Bestehen feiert. Weitere Infos und Produkte finden Sie unter www.fairtrade.at
Du möchtest selbst beitragen?
Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.