Welterbe: Bundesregierung klopft der Stadt auf die Finger
Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP) will mit unabhängigen Experten aus der "Pattsituation" zwischen UNESCO und Stadt Wien herauskommen. Wiener Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne) ortet "Ablenkung vom Nazi-Liederbuch-Skandal".
WIEN. Im Tauziehen um das Heumarkt-Projekt und die damit einhergehende drohende Aberkennung des Unesco-Welterbes für die Wiener Innenstadt ist nun die Bundesregierung auf den Plan getreten. Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) ergriffen die Gelegenheit, in ihrer Erklärung zum Thema auch einige Breitseiten gegen die Wiener Stadtregierung unterzubringen.
Hintergrund: Die Unesco, die bedeutsamen Natur- und Kulturstätten auf der ganzen Welt den Titel Welterbe verleiht, hat die Wiener Innenstadt im Juli 2017 auf die sogenannte Rote Liste gefährdeter Stätten gesetzt. Das Heumarkt-Projekt, das einen Neubau des Hotel Intercontinental und einen mittlerweile 66 Meter hohen, neuen Wohnturm gleich daneben vorsehe, übe einen negativen optischen Einblick auf die Umgebung und somit das Ringstraßen-Ensemble aus, heißt es. Bei der Unesco kann man sich eine maximale Höhe von 43 Metern vorstellen. Der Investor Michael Tojner hat sein Projekt schon von 73 auf 66 Meter gestutzt.
Österreich - genauer das für die Beziehungen mit der Unesco und Welterbe-Belange zuständige Kanzleramt - muss der Unesco bis zum 1. Februar Bericht erstatten, ob und wie auf die Forderungen bezüglich Änderungen im Heumarkt-Projekt eingegangen wird. Bei der nächsten Tagung im Juli könnte das Welterbe-Komitee dann auf der Grundlage dieses Berichts Wien wieder von der Liste nehmen, dort belassen oder den Welterbe-Status ganz aberkennen.
Unabhängige Experten, ein Bericht, vielleicht ein Kompromiss
Kanzleramtsminister Gernot Blümel fasst den Bericht so zusammen: Erstmals habe man konkrete Schritte gesetzt, um aus der festgefahrenen Situation zwischen Unesco und Stadt Wien wieder herauszukommen. In Aussicht gestellt würden eine Untersuchung durch unabhängige Experten, und die Beauftragung eines "Heritage Impact Assessment Report" (ein Bericht, mit der die Auswirkungen von geplanten Veränderungen auf Welterbestätten beurteilt werden) seitens der Bundesregierung. Beides wolle man dann im Frühherbst 2018 mit der Unesco diskutieren und einem Kompromiss näher kommen. Dass der Welterbe-Status dann schon weg ist, fürchtet Blümel nicht: "Keiner Stätte auf der Roten Liste wurde das bereits im ersten Jahr entzogen."
Gabriele Eschig, Generalsekretärin der österreichischen Unesco-Kommission, bewertet dieses Schritte positiv: "Das ist das erste klare Bekenntnis der Bundesregierung zum Welterbe seit langem und die Maßnahmen gehen in die richtige Richtung." Daraus lasse sich in politischer Willen zur Lösung des Konflikts zwischen Unesco und Österreich ableiten. Wie genau diese Lösung aussehen wird - Eschig kann sich nicht vorstellen, dass die Unesco etwa bei der Höhenbegrenzung Abstriche machen wird - ist zwar noch unklar, aber: "Es geht bei diesen internationalen Abkommen auch immer darum, im Gespräch zu bleiben. Die Unesco wird sicher nicht zuerst die Tür zuschlagen."
Dass ins durchaus in die Jahre gekommene Areal rund um den Heumarkt investiert werden solle, finden sowohl Blümel als auch Strache. "Mit dem Investor wurde aber ein doppeltes Spiel getrieben: Die Stadt hat falsche Bedingungen für die Planung angegeben", findet Blümel und Strache sagt: "Auch mit einer Turmhöhe von 53 bis 55 Metern hätte man ein profitables Projekt haben können. Doch man wollte hoch bauen, um oben Luxuswohnungen zu haben." Dass die Stadt Wien dieser Profitlogik nachgegeben habe, kritisiert Strache. Außerdem attestiert er der rot-grünen Stadtregierung "ominöse Hochhauspolitik." Er sei davon überzeugt, dass das Heumarkt-Projekt zum Verlust des Welterbes führen werde, wenn man jetzt nicht gegensteuere.
Vassilakou verweist auf laufenden Prozess
Dass ebendas, das Gegensteuern, schon längst im Gange sei, betont Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne) in einer Aussendung. Schon im März stünde ein Besuch von Unesco-Experten auf der Tagesordnung, bei dem eine Besichtigung des strittigen Areals klären soll, wie sehr das Stadtbild durch den Neubau verletzt wird. Man sei in enger Abstimmung mit dem Bundeskanzleramt in einem Dialogprozess. Dass Vizekanzler Strache sich nun ebenfalls in die Diskussion eingemischt hat, sieht Vassilakou als Ablenkung: „Strache missbraucht den alljährlichen Statusbericht an die UNESCO, um von den Skandalen seiner Partei abzulenken. Die permanenten Naziskandale rund um FPÖ-Mitglieder richten international riesigen Schaden an."
Hintergrund:
Fragen und Antworten rund um das Welterbe und die Rote Liste
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