Große Frauen der Leopoldstadt
Die Namen entlang der Donaukanalpromenade
Abschnitte der Donaukanalpromenade im Zweiten wurden nach großen Frauen des Bezirks benannt. Ehemalige Bezirksvorsteherin Uschi Lichtenegger (Grüne), die Anstoß dazu gegeben hat, fordert Informationstafeln, um über das Leben und Wirken der Frauen aufzuklären.
WIEN/LEOPOLDSTADT. Die Leistungen und Beiträge von Frauen geraten in der Geschichte zu oft in Vergessenheit – aus dieser wolle man sie holen und in den Gedächtnissen der Nachwelt verankern, so die Bezirksvorstehung Leopoldstadt zur Benennung von Abschnitten der Donaukanalpromenade nach Frauen aus der Geschichte des Bezirks.
Anstoß dazu gab die ehemalige Bezirksvorsteherin Uschi Lichtenegger (Grüne). Über die Umsetzung zeigt sie sich allerdings zwiegespalten: "Ohne Feier, still und fast heimlich wurden die Schilder der Frauen montiert", schreibt sie auf Facebook. Es gebe außerdem keine Zusatztafeln mit Infos zum Leben und Wirken der Frauen. Dabei wurden die Informationen schon im Antrag der Bezirksvorstehung gut aufbereitet.
Auf den Spuren einer großen Schriftstellerin
Bei der Verlängerung Perinetgasse liegt der erste Abschnitt der neun nach großen Frauen benannten Donaukanalpromenaden-Abschnitte. Von hier bis zum Siemens-Nixdorf-Steg führt die Adele-Jellinek-Promenade.
Adele Jellinek lebte von 1890 bis 1943 und war Journalistin, Schriftstellerin und Übersetzerin. Bekannt ist sie für ihren Roman "Das Tor" sowie zahlreiche Erzählungen, Feuilletons und Skizzen in den Zeitungen Neue Erde, Arbeiter-Zeitung, Das Kleine Blatt, Die Unzufriedene, Deutsche Freiheit, Neues Wiener Abendblatt und Neues Wiener Tagblatt.
Durch ihre Werke zogen sich als Thematik stets soziale Probleme. Ab 1933 war Jellinek Mitglied der "Vereinigung sozialistischer Schriftsteller", die im selben Jahr gegründet wurde. Nach dem Anschluss Österreichs an Nazideutschland 1938 musste Jellinek ihre Wohnung verlassen und kam eine Zeit lang in der Großen Mohrengasse 20 unter. 1943 wurde Jellinek ins Ghetto Theresienstadt deportiert und dort bald darauf ermordet.
Widerstand ist weiblich
Mit dem nächsten Abschnitt geht es ab dem Siemens-Nixdorf-Steg bis zur Roßauer Brücke weiter. Diesem verleiht Margit Czernetz ihren Namen. Die Widerstandskämpferin, Politikerin und Krankenpflegerin lebte von 1910 bis 1996. Sie wurde in Leopoldstadt geboren, wo sie wohnte und wirkte – Unter anderem als Heimleiterin für "Jugend in Not" in der Zirkusgasse. Dieses war ein Tageszentrum für notleidende Frauen und Mädchen.
Nach 1934 schloss sie sich den Revolutionären Sozialisten im Untergrund an. 1938 musste Czernetz vor den Nationalsozialisten fliehen, so verschlug es sie nach Großbritannien. Dort verdiente sie als Maschinistin im Austrian Labour Club (Klub der Österreichischen Sozialisten) ihren Lebensunterhalt. Nach Ende des Kriegs kehrte sie nach Wien zurück und war dort weiterhin politisch tätig.
Kunst in jedem Augenblick
Von der Roßauer Brücke bis zur Verlängerung Herminengasse zieht sich die Friedl-Dicker-Brandeis-Promenade. Friedl Dicker-Brandeis war Bildende Künstlerin, Innenarchitektin und Kunstpädagogin. Sie lebte von 1898 bis 1944.
Sie mitbegründete die Bildenden Werkstätten in Wien und Berlin, sowie 1926 das Architekturbüro Singer-Dicker. Dieses stattete unter anderem das Büro des Kindergartens im Goethehof in Kaisermühlen aus, das damals ein Teil des zweiten Bezirks war.
Da Dicker-Brandeis als Kommunistin verfolgt wurde, musste sie 1934 nach Prag übersiedeln. 1942 wurde sie allerdings ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Dort gab sie Zeichenkurse für Kinder, bis sie 1944 nach Auschwitz deportiert und ermordet wurde.
Engagement ohne Pause
Vilma Steindling ist die Namenspatin des Promenadenabschnitts von der Verlängerung Herminengasse bis zur Marienbrücke. Die Widerstandskämpferin und Fürsorgerin lebte von 1919 bis 1989 und engagierte sich schon früh im kommunistischen Jugendverband. Kurz vor dem Anschluss Österreichs an Nazideutschland zog sie nach Paris.
Auch im besetzten Frankreich engagierte sie sich weiter im Widerstand, wurde allerdings verraten und nach Auschwitz deportiert. Sie überlebte und kehrte nach dem Krieg nach Wien zurück. Dort lebte sie mit ihrer Familie in der Leopoldstadt und arbeitete als Fürsorgerin beim Jugendamt, der Bewährungshilfe und in Pensionistenheimen. Obwohl sie das KZ-Trauma ihr Leben lang belastete, engagierte sie sich im KZ-Verband.
Ein Leopoldstädter Bühnenliebling
Der Abschnitt von der Marienbrücke bis zur Aspernbrücke trägt den Namen von Gisela Werbezirk. Die Schauspielerin und Kabarettistin lebte von 1875 bis 1956 und trat in diversen Bühnen im In- und Ausland auf. So auch von 1919 bis 1926 an der Rolandbühne im Prater. Komödien wurden häufig auf den Publikumsliebling zugeschnitten, so etwa "Frau Breier aus Gaya". Diese Geschichte spielt in der Leopoldstadt. Auch im Film "Die Stadt ohne Juden" war sie zu sehen.
1938 musste auch Werbezirk im Zuge des österreichischen Anschlusses an Nazideutschland auswandern. Es verschlug sie in die USA, wo sie ihre Schauspielkarriere sehr erfolgreich fortsetzte.
Die Musiklegende aus dem Zweiten
Die Henriette-Fahrbach-Promenade zieht sich von der Aspernbrücke bis zur Franzensbrücke. Die Musikerin und Kaffeehausbesitzerin Henriette Fahrbach erlangte als Kapellmeisterin eines Damenorchesters besonderes Ansehen.
Sie komponierte für das Orchester originale Stücke, die sehr populär wurden. Auch betrieb sie mit ihrem Mann das Kaffeehaus "Grand Paris" in der Großen Stadtgutgasse 28 und später in der Zirkusgasse 50.
Eine Wohltäterin in Hosen
Emilie Turecek, auch als "Fiakermilli" bekannt, leiht dem Abschnitt von der Franzensbrücke bis zur Rotundenbrücke ihren Namen. Die Volkssängerin lebte von 1846 bis 1889. Sie trat unter anderem in den Dianasälen und im Tabzlokal "Zum Sperl" auf, beide befanden sich im zweiten Bezirk.
Besondere Bekanntheit erlangten ihre Auftritte in Hosen – dafür musste sie eigens eine polizeiliche Genehmigung einholen. Turecek spendete große Teile ihrer Gagen für wohltätige Zwecke.
Dompteurin in einer Männerdomäne
Von der Rotundendbrücke bis zur Stadionbrücke erstreckt sich die Henriette-Willardt-Promenade. Henriette Willardt, die von 1866 bis 1923 lebte, war eine Praterunternehmerin und Raubtierbändigerin.
Sie wuchs in einer Praterfamilie auf und übernahm den Schaubudenbetrieb des Vaters. Auf ihren Wunsch wurden Raubtiere angeschafft, die sie zu bändigen lernte. Unter dem Künstlernamen "Miss Senide" tourte sie erfolgreich mit ihren diesen durch ganz Europa.
Ein mutiger Boykott
Der letzte Abschnitt der Leopoldstädter Donaukanalpromenade erstreckt sich von der Stadionbrücke bis zum Praterspitz. Hier ist Schwimmerin und Schwimmtrainerin Lucie Goldner vertreten. Sie lebte von 1918 bis 2000 und war eine der Hakoah-Schwimmerinnen.
Eigentlich war Goldner von Österreichischen Olympischen Komitee für die Teilnahme an den Olympischen Spielen 1936 nominiert worden. Da diese aber im nationalsozialistischen Deutschland stattfinden sollten, boykottierte Goldner sie gemeinsam mit anderen Schwimmerinnen.
Das führte zu einer damals geltenden lebenslangen Sperrung vom Österreichischen Schwimmverband und einer Streichung ihres Namens aus den Bestenlisten, die erst zehn Jahre später wieder wettgemacht wurden. Den Zweiten Weltkrieg verbrachte Goldner im Londoner Exil, nach dem Krieg zog sie zuerst nach Prag und später nach Australien, wo sie erfolgreiche Schwimmtrainerin wurde.
Gegen das Vergessen
Es gibt noch weit mehr über die neun neuen Protagonistinnen der Donaukanalpromenade zu erzählen, so bewegt waren ihre Leben. Uschi Lichtenegger fordert auf Facebook "die rasche Anbringung von Zusatztafeln und eine feierliche Eröffnung."
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