Fast eine Woche Alkoholverbot am Praterstern
Die Zahl der Obdachlosen am Bahnhof habe sich seit der Einführung des Alkoholverbots etwa halbiert, sagt die Suchthilfe. Für eine Bilanz sei es aber noch zu früh.
LEOPOLDSTADT. Praterstern, ein sonniger Nachmittag: Von der U-Bahn kommend leuchtet einem schon die Anzeige "Alkoholverbot am Praterstern" in den Gängen entgegen. Fast eine Woche ist das Alkoholverbot am Bahnhof, der von den Boulevardmedien gern "Brennpunkt" oder "Hotspot" genannt wird, jetzt alt - zu früh, um über Auswirkungen wirklich schon etwas sagen zu können, da sind sich Beobachter einig. Die Polizei möchte erst nach einem Monat eine erste Bilanz ziehen.
"So kurzfristig kann man nicht wahrnehmen, ob und in welche Richtung eine Verdrängung stattdindet", sagt etwa Roland Reitfhofer, Geschäftsführer der Suchthilfe Wien. Die Suchthilfe ist mit ihren Teams aus mobilen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern (sam) täglich vor Ort und hat so einen guten Überblick über die Situation. "Es haben sich vor dem Verbot manchmal 30, manchmal bis zu 120 von Armut oder Krankheit betroffene Personen am Praterstern aufgehalten", sagt Reithofer - von denen fehle jetzt etwa die Hälfte. Wo die anderen sind bzw. wo sich vielleicht ein neuer Treffpunkt entwickeln wird, könne man aber jetzt einfach noch nicht sagen. "Wir wissen aus anderen Städten, in denen solche Maßnahmen gesetzt wurden, dass es einige Monate dauern wird, bis sich die Auswirkungen zeigen", sagt Reithofer. Was allerdings im Moment ein wenig zu beobachten sei: Manche würden sich am Rande der Verbotszone niederlassen, um dort Alkohol zu konsumieren.
Neue Problemzonen?
An diesem sonnigen Nachmittag ist davon so gut wie nichts zu sehen: Am Praterstern selbst ist alles ruhig, und auf der Kaiserwiese, wo Alkoholkonsum erlaubt ist, sitzt ein kleiner Kreis von vielleicht fünf Menschen und trinkt - unauffällig, ruhig und für Wiener Verhältnisse beileibe nichts besonderes.
Die Leopoldstädter Bezirkvorsteherin Uschi Lichtenegger (Grüne) hat eine Verdrängung bereits bemerkt: "Das, was wir befürchtet haben, ist passiert", sagt sie in einer Facebook-Videobotschaft: "die Leute sind vertrieben worden vom Praterstern und suchen sich jetzt vielfältige Möglichkeiten wie hier auf der Kaiserwiese oder nebenan auf der Hauptallee." Aus der Bevölkerung habe sie auch schon gehört, dass Gruppen auf der Heine- und Praterstraße und im Augarten gesichtet wurden.
Lichtenegger ist nach wie vor gegen das Verbot: "Es ist eine populistische Maßnahme, es gab keine Vorarbeit - über die Menschen wurde einfach drübergefahren. Man kann mit Verboten keine Krankheiten heilen." Wenn Menschen an verschiedene Orte vertrieben werden, sei es für die Sozialarbeit sehr schwierig, sie zu erreichen, meint Lichtenegger außerdem. Dass das Alkoholverbot die Arbeit nicht erleichtere, bestätigt auch Reithofer: "Aber es ist die Aufgabe der sozialen Arbeit, Suchtkranke und marginalisierte Menschen aufzuspüren." Nicht zu seiner Aufgabe gehöre es, politische Maßnahmen zu bewerten - und so eine sei das Alkoholverbot.
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