"Auch ich war ein Flüchtling"

- <b>Hermine wurde aus ihrer Heimat</b>, dem Sudetenland, vertrieben und fand in Ramsau die Liebe ihres Lebens, Josef Hackl.
- hochgeladen von Markus Gretzl
Die Ramsauerin Hermine Hackl wurde als jugendliche Sudetendeutsche aus ihrer Heimat vertrieben.
HAINFELD/RAMSAU. "Wir saßen mit den Eltern am Mittagstisch und draußen gingen die Tschechen auf der Straße mit Block und Bleistift spazieren. Sie begutachteten die Häuser und machten Notizen. Einige Tage später krachte eine fremde Familie bei der Tür herein, setzte sich und aß unser bescheidenes Mahl. Dann erklärten sie, wir sollen verschwinden."
Flucht oder Tod
Was nach einem schlechten Krimi klingt, war im Sudetenland 1946 Realität. Hermine Hackl erlebte die Hölle auf Erden am eigenen Leib. Die Ramsauerin war damals ein 17-jähriges Mädchen. Mit wenigen tragbaren Habseligkeiten trat sie mit ihren Eltern die Flucht nach Österreich an. "Die Tschechen beschimpften uns als Nazis, nahmen uns alles. Wer sich wehrte, wurde erschossen", erinnert sie sich heute im Hainfelder Landespflegeheim.
Hungrige Grenzposten
"Meine Mutter konnte nur einen Laib Brot und ein Häferl Schmalz mitnehmen. Das sollte für die ganze Familie am langen Weg nach Wien reichen. Doch schon an der Grenze waren wir diese wenigen Lebensmittel los, die Grenzposten hatten Hunger, aber kein Mitleid", berichtet Hermine.
Ausgehungert in Gmünd angekommen bettelte der Vater einen russischen Lkw-Fahrer an, sie nach Wien mitzunehmen. Der Russe fand Gefallen am letzten Besitz der Familie, einer Firmungsuhr. Doch so kamen Hermine und ihre Eltern zumindest nach Wien.
Prügelnder Arzt
In der heutigen Bundeshauptstadt ergatterte Hermine eine Stelle als Hausmädchen in einem Arzthaushalt. Sie fürchtete den Hausherrn. "Er prügelte seine Frau Tag für Tag, wenn ihm danach war."
Vier Liter Wermut täglich
"Die Medizinersgattin war im Grunde eine gute Frau, doch sie ertrug ihr Leben nur mit vier Litern Wermut. Pro Tag!" Oft weckte die verprügelte Frau das Dienstmädchen Hermine vor Mitternacht, um Nachschub zu holen: "Der Wirt am Eck hat noch offen, hol mir noch einen Liter für die Nacht." Ein Patient schwärmte Hermine immer wieder vor, wie schön seine Urlaube in Ramsau wären.
Große Liebe in Ramsau
Eines Tages fuhr sie mit in die ihr unbekannte Voralpengemeinde. Und fand die Liebe ihres Lebens: Josef Hackl, der zuvor mit viel Glück lebend aus russischer Gefangenschaft heimgekehrt war. Heute genießt das Ramsauer Ehepaar im Hainfelder Landespflegeheim seinen Lebensabend und erinnert sich an die schlimmen Nachkriegsjahre. Erlebnisse, die sich jüngere Generationen nicht vorstellen können.
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