Landesgericht St. Pölten
Lilienfelder Messerattacke als Paradefall für Einweisung
Etwa zwei Monate nach ihrer bedingten Haftentlassung geriet eine 19-Jährige aus dem Bezirk Melk beim Oktoberfest in Traisen völlig außer Kontrolle und versetzte einem 18-Jährigen, den sie nicht kannte, einen Messerstich in den Bauch.
TRAISEN. Sie habe keine eigenen Erinnerungen mehr, beteuerte die junge Frau gegenüber Jugendrichter Markus Grünberger am Landesgericht St. Pölten. Umso intensiver sind die Erinnerungen des Opfers an den traumatischen Vorfall. Er befand sich damals mit einem Freund vor dem Festlokal, als die 19-Jährige, die er zuvor nur einmal gesehen hatte, auf ihn zukam und erklärte, er dürfe sie nicht mehr als Hure bezeichnen, „sonst sticht sie mich ab!“ „Ja, mach nur“, habe er gesagt und die Drohung keinesfalls ernst genommen. Danach habe sie ihm „einen Schlag“ gegen den Bauch versetzt und sei davongelaufen. Unmittelbar danach habe er die starke Blutung bemerkt, die eine Notoperation, mehrere Monate Schmerzen, sowie Albträume zur Folge hatte.
Messerstich mit neun Zentimeter-Klinge
Wie Gerichtsgutachter Wolfgang Denk bestätigte, handelte es sich bei der Verletzung um einen Messerstich, wobei die neun Zentimeter lange Klinge so wuchtig in den Bauch drang, dass sie an der Hinterwand anstieß. Dabei wurde auch die Schlagader verletzt, sodass etwa ein Liter Blut in die Bauchhöhle floss und einen lebensbedrohlichen Zustand hervorrief.
Zeugen lieferten Hinweise auf die amtsbekannte Beschuldigte, die etwa 300 Meter vom Tatort entfernt festgenommen werden konnte. Ein Beamter zog schließlich die Tatwaffe, ein Klappmesser, aus ihrem BH und verbrachte die Frau in eine Zelle.
Zunächst wurde bei der 19-Jährigen ein Alkoholwert von 1,06 Promille festgestellt, was einem eher leichten Rauschzustand entspricht. Darüber hinaus habe die Frau im Vorfeld jedoch auch harte Drogen konsumiert, die laut Gutachter Dietmar Jünger die Wirkung des Alkohols derart verstärkten, dass sie zum Tatzeitpunkt als nicht zurechnungsfähig einzustufen sei. Ihre Alkohol- und Drogenabhängigkeit, sie begann bereits mit 15 Jahren zu konsumieren, bedürfen einer längerfristigen intensiven Behandlung, führte Jünger aus.
Ohne diesen Befund könnte man von einem Mordversuch sprechen, meinte Staatsanwältin Nicole Elsinger, so handle es sich um das fahrlässige Versetzen in einen Rauschzustand. Grünberger nannte es einen „Paradefall für eine Einweisung“ und erinnerte an die letzte Verurteilung, wobei Drogen und Alkohol ebenfalls eine große Rolle spielten. Diesmal verurteilte er die mehrfach Vorbestrafte zu einer zweijährigen Haft, die sie in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher abzusitzen hat. „Ein Wahnsinn, was da passiert ist“, ergänzte er und sprach dem Opfer rund 5.700 Euro Schmerzensgeld zu (nicht rechtskräftig).
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