Zum Davonlaufen
Meine Freundin Nora läuft. Oder, besser gesagt, sie lief. Wie viele, die sich Massenphänomenen hingeben, bestand Nora jedoch darauf, mit der Masse nichts zu tun haben zu wollen. Als Lauf-Päpstin versuchte sie ständig, mich zu ihrer neuen Religion zu bekehren. Das Laufen helfe ihr „mal abzuschalten und in sich zu ruhen“.
Bis zu ihrem ersten Marathon. Da war es dann plötzlich vorbei mit der inneren Ruhe. Es fällt ja auch schwer, in sich zu ruhen, wenn man mit mehreren Tausend Menschen in bunten Höschen, lustigen T-Shirt-Aufdrucken à la „Wer nicht kotzt, läuft nicht am Limit“ und kleinen Fläschchen, in Gürteln über dem zuweilen nicht gerade schlanken Hintern angebracht, am Start steht und ein enthemmter Moderator den Countdown herunterzählt. Beim langen Laufen zu sich selbst rannte Nora also in nichts anderes hinein als in die Tiefen des österreichischen Nationalcharakters.
Seither wird höchstens ab und zu durch die Shoppingmeile gejoggt.
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