KO-Tropfen
"Die Opfer geben sich häufig selbst die Schuld"
Filmriss beim Fortgehen: Nicht selten sind KO-Tropfen im Spiel. Die Scham ist groß, Nachweisen schwierig. Die Fälle lassen sich schwer beziffern. Nur wenige Betroffene melden sich bei Opferschutzeinrichtungen oder der Polizei. Wir haben mit Margit Schönbauer vom autonomen Frauenzentrum in Linz gesprochen, was Betroffene tun können. Auch die Stadt Linz will verstärkt mit Kampagnen darüber aufklären.
LINZ. "Es ist tatsächlich ein größeres Problem, als uns bewusst ist", berichtet Margit Schönbauer. Im Autonomen Frauenzentrum in Linz (afz) hat sie als psychosoziale Beraterin häufig mit Frauen zu tun, die befürchten, sogenannte KO-Tropfen verabreicht bekommen zu haben. "Viele dieser Substanzen machen enthemmt und euphorisch und dann fehlt die Erinnerung. Die Betroffenen können sich selbst nicht schützen", so Schönbauer. Die Hemmschwelle zur Beratungsstelle oder zur Polizei zu gehen sei hoch. Zur Anzeige kommt es nur selten. "Die Opfer geben sich häufig selbst die Schuld", berichtet Schönbauer, "denn meist ist auch Alkohol im Spiel."
Zeitspanne zur Nachweisbarkeit ist sehr kurz
Die meisten Fälle in Linz passieren laut Schönbauer beim Fortgehen, gelegentlich auch im privaten Bereich. Zur Beratung ins afz kommen die Opfer meistens nur dann, wenn auch sexuelle Gewalt vorliegt. "Wir verzeichnen etwa 70 Fälle von Missbrauch einer wehrlosen Person pro Jahr", sagt Schönbauer. Ob dabei KO-Tropfen verabreicht wurden, ist sehr schwierig nachzuweisen. "Die Zeitspanne ist sehr kurz und liegt nur bei etwa 6 bis 12 Stunden", berichtet Schönbauer. "Wenn man aufwacht und sich nicht erinnert, erstmal keine Panik. Unbedingt den Urin aufheben und eine Beratungsstelle anrufen", rät sie Betroffenen. Besteht der Verdacht auf sexuelle Gewalt, soll umgehend ein Krankenhaus aufgesucht werden.
Hohe Dunkelziffer bei "Zufallsopfern" vermutet
Zum Glück würde es aber auch sehr viele Verdachtsfälle geben, bei denen es nicht zu einem sexuellen Übergriff kommt – Schönbauer nennt sie "Zufallsopfer". Diese Dunkelziffer schätzt sie als sehr hoch ein. "Wir halten pro Jahr etwa 20 Präventions-Workshops in Linzer Schulen. Sehr viele der 14 bis 18-Jährigen berichten dort von eigenen Erfahrungen oder jener von Freunden. Den Jugendlichen ist diese Thematik durchaus bewusst", so Schönbauer. Bestimmte Orte, in denen es in Linz gehäuft zu Verdachtsfällen kommt, gäbe es nicht. "Es ist breit gestreut durch alle möglichen Lokale", meint Schönbauer. Die Betreiber seien aber sehr engagiert, zur Prävention beizutragen. Auch auf Mensa-Festen der JKU sei es im Herbst vereinzelt zu Fällen gekommen, bei denen KO-Tropfen verabreicht wurden. "Darauf haben wir sofort reagiert und Maßnahmen getroffen", so der ÖH-Vorsitzende Philipp Bergsmann, "seit diesem Semester steht bei jedem Mensafest ein Team der ÖH als direkter Ansprechpartner zur Verfügung und bietet auch gratis KO-Tropfen-Tests an." Seitdem seien keine Vorkommnisse mehr gemeldet worden.
Stadt Linz setzt Präventionsmaßnahmen
Die Stadt Linz – insbesondere das Frauenbüro – setzt bereits seit einigen Jahren Aktivitäten zur Prävention und finanziert auch die oben erwähnten Workshops des afz. Im Projekt "Luisa ist da" werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zunächst in den Linzer Volks- und Rathäusern speziell geschult, um Frauen und Mädchen in brenzligen Situationen kompetent zur Seite zu stehen. In einem weiteren Schritt soll dieses Konzept auch auf die Nachtgastronomie ausgerollt werden. "Der Einsatz von KO-Tropfen ist eine besonders niederträchtige Form der Gewalt. Wir müssen daher konsequent gegen die Täter vorgehen. Als Frauenressort setzen wir mit unterschiedlichen Kampagnen einen Schwerpunkt auf ein sicheres Nachtleben für alle“, so Stadträtin Eva Schobesberger.
KO-Tropfen: Prävention und Verhaltenstipps
Mögliche Hinweise auf KO-Tropfen
- bitterer, auffälliger Geschmack
- Übelkeit, Schwindel und Unwohlsein
- Wahrnehmungsstörungen und Verwirrtheit
- Verlust der Muskelkontrolle
- Erinnerungslücken/Filmriss
Präventionsmaßnahmen
- Getränke selbst bestellen und nicht unbeaufsichtigt stehen lassen
- keine offenen Getränke von unbekannten Personen annehmen
- gemeinsam mit Freunden wieder nach Hause gehen
Verhaltenstipps
- sofort jemanden informieren, wenn man das Gefühlt hat, etwas stimmt nicht
- nicht versuchen alleine nach Hause zu kommen
- bei Verdacht: keine Panik, Urin aufheben, Beratungsstelle anrufen
Bei Beobachtung
- Die betroffene Person informieren
- Nicht alleine lassen
- Sofort Barpersonal oder Polizei informieren
- Bei Bewusstlosigkeit umgehend die Rettung rufen
Beratungsstellen
- Frauenhelpline gegen Gewalt: 0800 222 555, rund um die Uhr, anonym und kostenlos
- Rat auf Draht: 147
- Autonomes Frauenzentrum
- Linzer Mädchen-Homepage
- sexuelle-gewalt.at
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