"Es muss mehr für Bildung gemacht werden"

- hochgeladen von Oliver Koch
Zum runden Tisch lud die BezirksRundschau ihre Partner bei der Aktion "LehrerIn fürs Leben". Mit BezirksRundschau-Chefredakteur Thomas Winkler diskutierten Bildungslandesrätin Doris Hummer, Bernadette Hauer von der Arbeiterkammer Oberösterreich, RLB-Vorstandsmitglied Michaela Keplinger-Mitterlehner, Ulrike Rabmer-Koller (Vizepräsidentin WKOÖ) und IV-OÖ-Präsident Axel Greiner.
Bildungslandesrätin Doris Hummer sprach dabei über das Erfolgsdenken bei Lehrerinnen und Lehrern: "Es ist in jedem Beruf wichtig, dass man den Erfolg sieht oder spürt. Lehrerinnen und Lehrer müssen es selber noch lernen, sich selber Ziele zu stecken – idealerweise im Team." Das Umsetzen von Themen im Team würde auch Burn-outs vorbeugen. Auf den Teamgedanken müsse man in Zukunft viel mehr aufbauen. Das oberösterreichische Projekt "Schule innovativ" legt auf autonome Schulen wert. Gute Bildung mache zudem der stärkenorientierte, der talenteorientierte Unterricht aus. Für Kindergärten gebe es einen ganz klaren Bildungsrahmenplan der vom Bildungsministerium vorgegeben wird. Prinzipiell habe man sich von dem Betreuungsgedanken hin zur Elementarpädagogik entwickelt. "Wir wissen heute, was nicht im Kindergarten gefördert wird, kann man später nicht mehr aufholen. Etwa im Sprachenbereich." Die andere Form der Pädagogik habe im Kindergarten seine Berechtigung. "Da wird gesungen und gespielt. Man darf Pädagogik nicht damit gleichsetzen, dass man als Schüler auf seinem Platz sitzt und von einer Tafel abschreibt", sagt Hummer.
In Bezug auf die Motivation der Lehrkräfte sprach Michaela Keplinger-Mitterlehner (Vorstandsmitglied der RLB OÖ) von einem ursächlichem Zusammenhang, auch Dinge bewegen zu können. "In der Vergangenheit wurde vieles sehr engmaschig vorgegeben. In meinem Bereich merke ich, dass die motiviertesten Mitarbeiter dort tätig sind, wo sie freier arbeiten können. Ich habe mir auch einen Lehrplan angesehen und muss als Laie sagen, dass hier ein enormer Druck auf den Lehrkräften lastet. Aber auch auf den Schülern." Zudem sei es eine Herausforderung, da die Schülerinnen und Schüler mit unterschiedlichsten Vorkenntnissen in der Klasse säßen. Den Lehrkräften müsse man von öffentlicher Seite mehr Wertschätzung zukommen lassen. "Das Schöne am Beruf ist, dass man nicht nur Fachwissen vermittelt, sondern auch Interesse weckt." Diese Vermittlung der Lebensneugierde sei essenziell – für Schüler, aber auch für Lehrer.
Die Industriellenvereinigung kritisierte in der Vergangenheit immer wieder, dass die Ausbildung in den Schulen zu wenig praxisorientiert sei. "Doch diesen Zustand nur an den Lehrkräften festzumachen ist zu kurz gegriffen. Das Thema Wirtschaft ist in der Gesellschaft allgemein zu wenig verhaftet. Da müssen wir am System insgesamt arbeiten. Wir sind keine Agrargesellschaft mehr, sondern beziehen unseren Wohlstand aus der Wirtschaft und der Industrie", so Greiner. Hier seien die Lehrpläne zu überdenken, aber man müsse auch den Lehrkräften die entsprechende Ausbildung mit auf den Weg geben. Hier gebe es bereits Ansätze für Kooperationen von Wirtschaft und Schulen. Dennoch: "Die wirtschaftlichen Grundbegriffe gehören zur Allgemeinbildung dazu. Wir brauchen ein breites Verständnis für Wirtschaft in der Bevölkerung", sagt Greiner.
Die Zufriedenheit der Lehrbetriebe mit den Schulabgängern hielte sich leider zurzeit in Grenzen. Das sagt Ulrike Rabmer-Koller, Vizepräsidentin der Wirtschaftskammer Oberösterreich. "Es gibt immer weniger Schüler, die sich für einen Lehrberuf entscheiden. Und 65 Prozent der Unternehmen sagen bereits, sie würden die Lehrstelle nicht besetzen, wenn sie nicht den geeigneten Lehrling dafür finden. Lehrlinge sollten natürlich Fachwissen und Allgemeinbildung von der Schule mitbringen, aber sehr wohl auch wissen, was sie bei ihrer Ausbildung erwartet." Das wirtschaftliche Verständnis fehle leider vielen, ebenso die sozialen Kompetenzen. "Da muss man in der Bildung ansetzen. Unser Anliegen ist es, dass Bildungsstandards erreicht werden. Es geht nicht um das Absitzen von neun Schulstufen." In den Schulen werde zu wenig auf die wirtschaftliche Realität eingegangen. "Es gibt viele engagierte Lehrkräfte, aber wir brauchen noch mehr Initiativen von Schule und Wirtschaft in dem Bereich."
Bernadette Hauer leitet den Bereich Bildung bei der Arbeiterkammer Oberösterreich. Um die Bedingungen der Lehrer zu verbessern, bräuchte es viele Veränderungen. "Ich bin selber ausgebildete Volksschullehrerin und ich muss sagen, es gibt keinen schöneren Beruf." Kinder in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu begleiten, sei enorm spannend und wichtig. "Es ist aber derzeit so, dass die Unterschiede, die an den Schulen vorherrschen, nicht erkannt werden. Eine Lehrkraft in einem Problemgebiet im urbanen Raum hat gänzlich andere Voraussetzungen als eine, die in einer klein strukturierten Gemeinde am Land unterrichtet." Schulstandorte, die größere Herausforderungen haben, brauchen die besten Lehrer und auch mehr Ressourcen. "Man muss massiv in den ersten Jahren – beginnend im Kindergarten – investieren. Was man dort verpasst, kann man nachher nicht mehr aufholen." Auch bei der Frage nach den Lehrkräften müsse sich einiges ändern. "Derzeit ist es so: bist du ein guter Lehrer, ist es okay, bist du ein schlechter Lehrer, ist es auch okay." Zweiter wesentlicher Aspekt sei die Zeit. "Bildung braucht Zeit und man muss sich die Zeit für die Kinder nehmen. Das kommt derzeit zu kurz."
Es brauche für die optimale Schule der Zukunft motivierte Lehrkräfte und autonome Schulen, meint dazu Hummer. "Ich kann nicht mit derselben Pädagogik im Mühlviertel arbeiten wie in einer Schule in Linz mit 90 Prozent Migrantenanteil." Die optimale Schule richte sich in erster Linie nach den Bedürfnissen der Kinder, dann nach denen der Eltern und erst dann nach den Bedürfnissen der Schule. Bei den Kindergärten werde man zur ganztägigen Betreuung in absehbarer Zeit hinkommen. "Bei der Bildungspolitik muss man sich aber danach richten, was die Gesellschaft heute braucht. Ich will nicht etwas einzementieren, was eventuell in 20 Jahren kommen könnte." Erstverantwortlich für die Bildung der Kinder seien nach wie vor die Eltern. "Familie kann man nie ersetzen." Zusätzliche sprachliche Angebote seien wünschenswert, aber "man soll jetzt nicht anfangen, überall Englisch zu unterrichten."
Fremdsprachen seien mittlerweile so essenziell, dass die derzeitige Situation an Österreichs Schulen laut Keplinger-Mitterlehner nicht befriedigend sei. "Es geht ums Fremdsprachentraining und viele privat geführte Initiativen müsste man noch intensivieren. Die Internationalisierung nimmt zu. Vor allem in einem Exportbundesland wie Oberösterreich. Die EZB (Europäische Zentralbank, Anm.) steht in Frankfurt, doch die Sprache dort ist Englisch."
Motivierte Pädagoginnen und Pädagogen, vom Kindergarten an, seien das Um und Auf für die Zukunft der Schule. Aber auch die Rahmenbedingungen müssten passen. "Die Unternehmen wären prinzipiell bereit, einen Teil des Wegs für optimale Ausbildung mitzugehen. Das ist natürlich auch eine Frage der Unternehmensgröße. Das Engagement ist da, weil es auch um die eigenen Mitarbeiter geht", sagt Greiner.
"Wir können nicht umhin, dass die öffentlichen Bildungseinrichtungen bei den Öffnungszeiten die Lebensrealitäten abbilden. Das ist oftmals noch nicht der Fall. Die schulautonomen Tage muss man wieder zusammenlegen. Ich habe zwei Kinder und beide haben an unterschiedlichen Tagen frei", sagt Rabmer-Koller. Neun Wochen Sommerferien seien zu lange. "Jeder Pädagoge plädiert für mehr, dafür kürzere Pausen."
Männer seien – speziell in Kindergärten und Volksschulen – Exoten. "Da muss sich gravierend etwas ändern", sagt Hauer. "Die Bildung muss aufgewertet werden und mit ihr die pädagogischen Berufe. Die Ausbildung für Kindergartenpädagogik auf Hochschulniveau ist ein wesentlicher Bestandteil dessen." Die Bedingungen müssten entsprechend sein, um junge Menschen für den Lehrberuf zu begeistern.
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