Linzer Beitrag auf Kunstbiennale in Venedig
"Wir bereiten uns auf den Tag vor, wo Putin gehen muss“
Einen direkten politischen Protest gegen Putin – verpackt in Blumen und Ballett – richten Künstlerin Anna Jermolaewa und Kuratorin Gabriele Spindler im österreichischen Pavillon auf der Kunstbiennale in Venedig. Die aus Russland stammende Jermolaewa lehrt an der Kunstuniversität Linz, Spindler leitet die Abteilung Kunst und Kulturwissenschaften in der OÖ Landes Kultur GmbH. Die BezirksRundSchau war am Pre-Opening in Veneding
VENEDIG,LINZ. Subtil, dennoch subversiv, absolut persönlich und trotzdem universell gültig: Die in Linz lebende Künstlerin Anna Jermolaewa gestaltete heuer gemeinsam mit Kuratorin Gabriele Spindler (Leiterin Abteilung Kunst und Kulturwissenschaften in der OÖ Landes Kultur GmbH) den österreichischen Pavillon auf der Kunstbiennale in Venedig. Die 1970 in Lenigrad geborene Künstlerin geriet bereits in ihrer Jugend aufgrund ihres politischen Widerstandes ins Visier des KGB und musste schließlich 1989 ihr Heimatland verlassen. In den fünf auf der Biennale gezeigten Arbeiten verarbeitet sie einerseits ihre persönliche Fluchtgeschichte und richtet in der für die Biennale entwickelten Videoarbeit „Rehearsal for Swan Lake“ direkte Kritik an den russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Telefonzellen aus Flüchtlingslager als Kunstobjekt
„Wir haben es geschafft, mit dieser Ausstellung einen logischen Parcours zu erstellen“, so Spindler. Die Ausstellung startet im Innenhof des von Architekt Josef Hoffmann 1934 gestalteten, schlichten Pavillons mit sechs Telefonzellen. Diese stammen aus dem Flüchtlingslager Traiskirchen, in dem Jermolaewa ihre erste Zeit in Österreich verbrachte. „Die Telefonzellen sind original von 1988 aus dem Flüchtlingslager“, so die Künstlerin, „sie haben sehr viele Informationen und Emotionen gespeichert. Der Transport nach Venedig gestaltete sich spektakulär: per Boot wurden sie in die „Giardini“ gebracht. Zwei davon sind sogar funktionstüchtig, auch das erforderte laut Spindler einiges an technischem Aufwand.
Persönliche Fluchterfahrung
Im Pavillon-Eingang läuft eine ältere Videoinstallation Jermolaewas. In „Research für Sleeping Positions“ kehrte sie 2006 nach Wien in die Nähe des Westbahnhofs auf die Parkbank zurück, auf der sie nach ihrer Flucht die ersten Nächte in Österreich verbrachte. Im darauffolgenden Raum begrüßen Blumen-Arrangements das Publikum. „Als Farben der Revolution“ transportieren sie eine Botschaft des Widerstandes - etwa Nelken für den Regime-Umschwung in Portugal 1974.
Subversiver Widerstand mit Augenzwinkern
Die neue Arbeit „Ribs“ zeigt eine besonders subversive Form des Widerstands gegen das ehemalige kommunistische Regime in Russland. „Da westliche Musik verboten war, mussten Schallplatten geschmuggelt werden“, erklärt Spindler. Um diese zu vervielfältigen, erdachten die Menschen eine kreative Methode und benutzten dafür Röntgenpapier. Wurde man erwischt, drohten hohe Gefängnisstraßen. Jermolaewa sammelte mehrere der mittlerweile sehr seltenen Exemplare und fügte sie zu einem Konzeptkunstwerk mit Augenzwinkern zusammen. Im Pavillon werden die Platten auf medizinischen Leuchtkästen präsentiert. Einmal am Tag läuft ein Plattenspieler – die „Raubkopien“ funktionieren immer noch.
Mit Ballett und Blumen gegen Putin
Den Höhepunkt und Abschluss des Rundgangs bildet die Videoarbeit „Rehearsal for Swan Lake“. Gemeinsam mit der aus der Ukraine geflüchteten und ebenfalls in Österreich lebenden Ballerina Oksana Serheieva. „Schwanensee ist ein Code für Umbruch“, erklärt Jermolaewa. Stand in der Sowjetunion ein Regimewechsel an, lief Schwanensee im Loop auf dem einzigen Fernsehsender. Dreimal erlebte die Künstlerin dieses Ereignis in ihrer Jugend. Im angedeuteten Ballettstudio läuft großformatig das Video über die Proben zu Schwanensee. Mehrmals pro Tag tritt Serheieva für ein Solo auf. „Wir bereiten uns auf den Tag vor, wo Putin gehen muss“, sagt Jermolaewa.
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