Zum Abriss freigegeben

- Die Studenten entwarfen eine Schwesternstadt, einen Gegenentwurf zu Linz – LUNZ.
- hochgeladen von Nina Meißl
Linzer Studierende erprobten Zukunftsmöglichkeiten in einem Abrissgebäude in der Lunzerstraße.
„Love the existing“ steht in großen, roten Buchstaben in der Lounge im elften Stock des Hochhauses Lunzerstraße 42. „Wir haben uns in den Ort verliebt“, sagt Iris Nöbauer, die gemeinsam mit zehn Mitstudierenden im November eine Woche in dem Abrisshaus verbracht hat. „Es war bitterkalt, aber es war toll, dass es keine Grenzen gab und wir alles ausprobieren konnten.“
In die Zukunft planen
Das Projekt „Zum Abriss freigegeben“ wurde vom Fachbereich Sustainable Architecture + Spatial Tactics der Kunstuniversität Linz initiiert. „Architekten projektieren immer in die Zukunft: Wie wird die Stadt aussehen, wie werden wir leben und wie können wir mit der vorhandenen Umwelt verantwortlich umgehen?“, sagt Matthias Böttger, der das Semesterprojekt gemeinsam mit Franz Koppelstätter und Katharina Weinberger betreut.
Das Areal zwischen voestalpine und dem Naturraum des unteren Traunlaufes bot spannende Voraussetzungen für die Studierenden: Im Zweiten Weltkrieg war es KZ-Außenlager, später wurden mehrere Türme mit Arbeiterwohnungen errichtet, die Ende des Jahrhunderts als Asylwerberheime genutzt wurden. Bis Mitte 2014 sollen die Gebäude nun abgerissen werden, um mehr Lagerflächen für die Stahlproduktion der voestalpine zu gewinnen. Die Teilnehmer sollten sich die Frage stellen, was danach kommt, welche alternativen Szenarien man sich zum Abriss vorstellen könnte, welche anderen Nachnutzungen möglich wären und welches Potenzial die Randlage birgt.
Umgesetzte Projekte
„Es ging darum, Möglichkeiten auszuprobieren, die durchaus auch extrem sein konnten“, so Böttger. „Durch das Wohnen und Arbeiten vor Ort erlebt man, welche Vor- und Nachteile das Areal hat. So hat man eine schöne Aussicht und die Natur vor der Tür, dafür braucht jeder Einkauf Planung, weil es keine Verkehrsanbindung gibt“, ergänzt Koppelstätter. Im Lauf der Woche setzten die Studierenden mehrere Ideen um. Julius Jell entwickelte etwa eine "Alternative Route": Normalerweise kommt man nur mit dem Schichtbus oder mit dem Auto in die Lunzerstraße. Jell fand es spannender, mit den Einkäufen für den täglichen Bedarf von der solarCity aus durch die Traunau zu radeln und dann mit dem Ruderboot überzusetzen. Iris Nöbauer und Costanza Coletti schufen nur durch eine Neuordnung der vorhandenen Einrichtung einen Beautysalon und damit einen Ort der Schönheit im verfallenden Gebäude. "Innen-Außen" hieß das Projekt von Andrey Pohajda und Nicolas Brendlé: Sie wollten das Hochhaus mit dem Fluss in Verbindung bringen und daraus Lebensqualität schöpfen. Sie bauten draußen eine Bank mit Materialien aus dem Inneren, und Innen eine Bank mit Dingen, die sie draußen gefunden haben. Für das Herz des Areals sorgte Hannah Kordes mit ihrem Lehm-Schlackeofen. Die Baumaterialien stammen zu 100 Prozent aus "Lunz" und machen den Ort so einen Schritt autarker. Auch Vergangenheit und Zukunft waren Thema der Projekte. Maria Dau schuf einen Raum, in dem die Natur das Gebäude zurückerobert während Anna Firak die Geschichte des Ortes bis heute visualisierte. Die "Rubbles Bubbles" von Chloé Montagnac hingegen bieten Gästen die Möglichkeit, eine Pause zu machen und dabei Formen an den Wänden zu betrachten, die den Prozess der Zerstörung vorantreiben.
Zukunftsideen
Aus der Lehrveranstaltung und der Woche im Abrisshaus sind schließlich spannende Ideen entstanden: von der Rückeroberung des Areals durch die Natur über ein Begegnungszentrum zwischen Linzern und Migranten, eine Wagenburg für Aussteiger bis zu einer Nutzung der Gebäude als Fundament für Luxusappartements. Mehr auf lunzinlinz.wordpress.com
Führungen für Interessierte
Als Abschluss wird das Projekt an drei Tagen für Besucher geöffnet. Am 31. Jänner sowie am 1. und 2. Februar, jeweils ab 14 Uhr, werden Interessierte in Gruppen durch das Hochhaus Lunzerstraße 42 geführt. Zu sehen sind auch künstlerische Arbeiten und Installationen von Studierenden des Fachbereichs „Experimentelle Gestaltung“ der Kunstuni.
Fotos: Iris Nöbauer, Constanza Coletti, Hannah Kordes, Franz Koppelstätter, Anna Firak, Chloé Montagnac, Geschichteclub Stahl
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