Ein Jahr Mahü-Umbau: Was vom Ärger blieb
Kaum ein Umbau hat in Wien so polarisiert wie jener der Mariahilfer Straße. Was sagt man heute?
MARIAHILF / NEUBAU. Spaziert man heute, ein Jahr nach Eröffnung der umgebauten Mariahilfer Straße, einmal vom Westbahnhof bis zum MuseumsQuartier, ist von der großen Aufregung von einst nichts mehr zu spüren. Jedenfalls auf der Straße.
Auf Höhe der Schottenfeldgasse sitzt eine ältere Dame auf einem der neuen Sitzmöbel und isst Asia-Nudeln aus dem Karton. Damit erlebt sie gleich zwei Premieren: "Ich habe noch nie so ein Fast Food gegessen und ich bin auch zum ersten Mal auf der umgebauten Mariahilfer Straße", sagt Frau Bieder, die eigentlich aus Klosterneuburg kommt. "Mir gefällt’s sehr gut. Früher wäre ich nur zum Einkaufen gekommen – heute ist das ein richtiger Ausflug", kommentiert die 75-jährige Dame das rege Treiben auf der Einkaufsstraße. "Allerdings", fügt sie hinzu, "hätte ich gedacht, dass hier weniger Autos fahren."
Kein Wunder, sie macht ihre Pause auf dem obersten Stück der "Mahü" – das zwar Begegnungszone, aber noch keine reine Fußgängerzone ist. Dort steht auch Said mit seinem Taxi. Aufs Geschäft habe sich der Umbau bei ihm nicht ausgewirkt – nur ein bisschen umständlicher sei es geworden, da die Möglichkeiten zur Querung der Mariahilfer Straße stark reduziert wurden. "Der Umbau hat Vor- und Nachteile, mir persönlich gefällt es so aber besser."
Ein Stück weiter unten, nach der Station Zieglergasse, bei Schreibwaren Miller, hört sich das Resümee schon ein bisschen anders an. Zwei Mitarbeiterinnen erklären, dass viele Stammkunden, insbesondere jene, die früher größere Mengen für Büros gekauft haben, nicht mehr kämen. "Wie sollen die denn den Großeinkauf ohne Auto hier abtransportieren?", sagen sie. Damit sind sie einer Meinung mit dem Obmann des "Vereins der Kaufleute der Mariahilfer Straße", Walter Bachofner, der kein gutes Wort für den Umbau findet.
Seiner Einschätzung nach seien zwar noch immer viele Leute unterwegs – diese würden aber weniger Geld liegen lassen, da mehr Menschen aus weniger kaufkräftigen Schichten unterwegs seien. Aber das ist für ihn nicht der einzige Störfaktor. Ihn stören auch die Punks, die Bettler, die Demos und vor allem die "Diktatur der Stadt Wien, was die Gestaltung betrifft". Damit spielt er unter anderem darauf an, dass Gastronomie-Betriebe strenge Auflagen haben, etwa was die Gestaltung der Schirme betrifft. Er vertritt – nach eigenen Aussagen – mit seinem Verein rund 40 Prozent der Geschäftsleute auf der Mariahilfer Straße.
"Persönlich" gefällt es
Auf dem Weg Richtung MuseumsQuartier findet man durchaus viele Geschäftsleute, die das nicht so sehen. Etwa beim Juwelier Fabrini kann man keinen Nachteil aus der Umgestaltung erkennen. "Das Flair ist jedenfalls besser und bei uns hat sich noch keiner beschwert, dass man nicht mehr mit dem Auto kommen kann – unsere Packerl kann man aber auch leicht tragen", so ein Mitarbeiter. Dass der Umbau weder negative noch positive Auswirkungen aufs Geschäft habe, sagt man auch in vielen anderen Geschäften – vom Geschirrspezialisten bis zum Marktstandl vor der Mariahilfer Kirche. Wie sich die Umsätze tatsächlich entwickelt haben, wird erst klar sein, wenn am Jahresende die offiziellen Zahlen der Wirtschaftskammer da sind. Und: "Persönlich" finden es jetzt alle schöner. Das sagen auch sämtliche Passanten, keiner wünscht sich die Autos zurück.
Aber am gemeinsamen Feindbild mangelt es dennoch nicht: die Radfahrer. Darin sind sich alle einig – sogar die Radfahrer selbst regen sich über andere Radfahrer auf. "Die sind viel zu schnell unterwegs", kommt stets die gleiche Antwort. Peter, 21-jähriger Radfahrer, war – nach eigenen Aussagen – anfangs selbst einer der Raser, heute kommt er im Schritttempo vom MuseumsQuartier. Denn dass er "von der Polizei geblitzt wurde" (und 30 Euro Strafe berappen musste), war ihm eine Lehre. Diese werde im Sommer noch öfter Schwerpunkt-Aktionen auf der "Mahü" setzen, kündigt man vonseiten des Bezirks an.
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