Sehbehinderten-Reportage
Museumsquartier als verstecktes Wiener Kulturjuwel
Menschen mit einer Sehbehinderung nehmen ihre Umgebung ganz anders wahr. So auch die Plätze in Wien – wie etwa das Museumsquartier. Der sehbehinderte Dominic Schmid berichtet für MeinBezirk.at aus seiner Perspektive.
WIEN/NEUBAU. Die Stadt aus anderer Perspektive: Dominic Schmid beschreibt spannende Orte in ganz Wien. Der stark sehbehinderte Journalist nimmt uns mit auf seine außergewöhnliche Reise durch die Bezirke.
"Das Museumsquartier war mir schon ein Begriff, bevor ich nach Wien gezogen bin. Ich war, glaube ich, auch schon einige Male dort, aber ich weiß es nicht mehr genau. Es wird wohl ein Platz mit einem Museum drauf sein? Aber was ist das für ein Platz? Zeit also für mich in den 7. Bezirk zu fahren und mir das genauer anzusehen", so Schmid. Zeit für seine Eindrücke!
Verborgene Bibliothek
Kaum haben wir die U-Bahn-Station Volkstheater verlassen, sind wir auch schon da. Wie so oft werde ich von einer netten älteren Dame begleitet. Wir überqueren eine Straße und sind im Museumsquartier. Ich bin überrascht, denn ich sehe nur ein Haus, das an den Gehsteig grenzt. Kein großer Platz, kein pompöses Gebäude, wie ich erwartet hatte. Wir gehen ein Stück nach links und treten durch einen Torbogen. Dahinter liegt ein Innenhof. Rechts von mir stehen einige kahle Bäume. Ich muss an die Lokale denken, die es hier im Museumsquartier geben soll. Angestrengt atme ich die kalte, klare Luft ein. Es riecht nach Essen.
Meine Begleiterin und ich schlendern weiter und erreichen die Rückseite des Museumsquartiers. Die roten Backsteingebäude erinnern an Lehmhütten. Auf jeden Fall sehen sie alt aus. Meine Begleitung erklärt mir, dass hier im 18. Jahrhundert die Hofstallungen standen. Außerdem stehen hier 300 Jahre alte Gebäude neben solchen, die erst in den 1990er Jahren gebaut wurden. Ich für meinen Teil kann nicht erkennen, welches Gebäude historisch und welches neu ist.
Das einzige, was mir auffällt, ist eine Tür. Sie ist in einer der roten Backsteinmauern und ich schenke ihr wenig Beachtung. Ich will gerade weitergehen, als meine Begleiterin mich auffordert, zur Tür zu gehen. Sie erklärt mir, dass sich dort die Architekturbibliothek befindet. Ich stelle mir vor, wie es wohl drinnen aussieht? Aber ich denke gar nicht daran, hineinzugehen, denn die Tür scheint verschlossen zu sein.
Der richtige Ort für ein Nickerchen
„Lass uns zum Hauptplatz gehen“, sagt meine Begleiterin. Ich bin gespannt und hoffe, dass ich dort die Lokale finde. Auf dem Hauptplatz angekommen, wäre ich fast gestolpert. Vor mir ragt etwas in die Höhe. Eine Steinbrüstung, auf der Holzbretter liegen.
Darauf kann man sich im Sommer sicher gut entspannen. Außerdem erzählt mir meine Begleiterin, dass es hier im Sommer Sitzgelegenheiten gibt, die jedes Jahr eine andere Farbe haben. Da fällt mir ein, dass ich ja schon einmal im Museumsquartier war. Das war, bevor ich nach Wien gezogen bin. Damals habe ich den Platz als Tourist besucht und auf einer der Bänke ein Nickerchen gemacht. Wenn ich mich recht erinnere, war das sehr gemütlich und ich freue mich schon auf den Sommer und ein weiteres Schläfchen dort.
Die perfekte Sommerlocation?
Aber Moment! Wo sind denn jetzt eigentlich die Lokale und Bars? Ich schließe die Augen und ziehe die Luft durch die Nase. Ich rieche nichts. Aber paradoxerweise höre ich Geschirr klappern. Wahrscheinlich stehe ich vor einem Café, denn Torten riechen bekanntlich nicht sehr stark, oder vor einem Restaurant, dessen Küche noch nicht geöffnet hat. Ein paar Passantinnen und Passanten kommen auf mich zu. Ich ergreife die Gelegenheit und erkundige mich, wie ihnen der Platz gefällt?
Den meisten gefällt er sehr gut. Vor allem genießen sie die lauen Sommerabende in dem einen oder anderen Lokal. Ein junges Paar erzählt mir, dass sie gerne auf der Dachterrasse Libelle auf dem Museumsquartier sind. Dort möchte ich auch einmal sein. Im Moment ist es zwar noch ziemlich kalt, aber der nächste Sommer kommt bestimmt!
Eine Frage des Alters
Meine Begleiterin und ich machen uns auf den Weg zum Ausgang. Dabei kommen wir auch an besagtem Leopoldmuseum vorbei. Gegenüber steht ein Gebäude, das mich sofort an ein Schloss denken lässt. Im ersten Stock können sich, wie ich erfahre, Künstlerinnen und Künstler einmieten. So vergesse ich ganz, mir das Leopold Museum genauer anzusehen und kann somit keinen Blick auf die Dachterrasse werfen. Stattdessen gehe ich noch ein paar Schritte weiter und laufe fast in die Kinderinfo!
Ganz in der Nähe gibt es ein Museum und ein Theater für Kinder. Nun bin ich weder mit Kindern unterwegs, noch lässt mein Verhalten darauf schließen, dass ich selbst eines bin, hoffe ich! Und damit niemand etwas anderes von mir denkt, verlasse ich den Platz wieder durch einen Torbogen, der mich zurück auf die Mariahilferstraße führt.
Eine große Museenlandschaft
Ein Platz voller Museen, so lautet diesmal mein Fazit. Ja gut, mag man denken, ich war ja schließlich im Museumsquartier. Aber vom Hörensagen hätte ich mir das ganz anders vorgestellt. Außer zwei Museen an einem Platz habe ich schöne Innenhöfe und kleine Gebäude gesehen. Und sobald die Sommerabende lauschig genug sind, werde ich sicher in einem der Lokale am Hauptplatz sitzen und die Atmosphäre genießen.
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