Kulturpreis Land Burgenland

Literaturpreis 2022 für Karin Ivancsics

Der Kulturpreis für Literatur 2022 des Landes Burgenland wurde vor kurzem an die Autorin Karin Ivancsics im Kulturhaus in Mattersburg überreicht. "Zugvögel sind wir" heißt ihr zuletzt in der edition lex liszt 12 erschienenes Buch, mit Texten, in denen sie sich mit Heimat und Fremde auseinandersetzt.  Seit 2018 leitet Karin Ivancsics die von ihr ins Leben gerufenen Literaturtage im Weinwerk in Neusiedl am See.

NEUSIEDL AM SEE. Die RegionalMedien interviewten die teils in Wien und im Burgenland lebende Schriftstellerin, um mehr über die Preisträgerin und ihre Projekte zu erfahren.

Inwieweit hat sich Ihre Kindheit im Burgenland auf Ihre Autoren-Arbeit ausgewirkt?
Karin Ivancsics: "Das Aufwachsen im Dreiländereck hat mich zunächst als Leserin gefördert – in Büchern konnte ich schon damals reisen und in fremde Welten eintauchen, obwohl ich mich, umgrenzt von Zäunen und Stacheldraht „am Ende der Welt“ fühlte. Ich begann auch bald eigene kleine Geschichten zu schreiben. Themen der Kindheit und das Dorfgeschehen, aber auch das Aufgreifen von Flüchtlingen, die es ja seit ich denken kann gab, und die Nähe zu geheimnisumwitterten Nachbarländern mit ihren Bewohnern, die sich in mir unbekannten Sprachen unterhielten, haben mich ganz sicher beeinflusst. Außerdem gab es Diskriminierung kroatischer Mitschüler*innen, was ich gar nicht verstehen konnte. Meine Großmutter, die in den 1930er-Jahren wie viele Burgenländer*innen nach Amerika ging, um dort zu arbeiten, und die mir davon erzählte und Fotos zeigte, hat mich ebenfalls beeindruckt und neugierig gemacht. Das Fremde erschien mir schon damals irgendwie erstrebenswert.

Was möchten Sie mit ihrem jüngsten Buch "Zugvögel sind wir" besonders zum Ausdruck bringen?
"Das Thema Migration ist eines der aktuellsten, mit dem wir es zurzeit zu tun haben, und es wird in den nächsten Jahren noch bedeutender werden. Ich erzähle von Pendlern, die es im Burgenland ja zuhauf gab und gibt, von Asylwerbern, die 2015/16 über die Grenze des Nachbarortes Nickelsdorf kamen, aber auch von historischen Persönlichkeiten wie etwa Prinzessin Salme, die im 18. Jahrhundert von Sansibar/Ostafrika nach Hamburg floh oder von einem österreichischen Forscher, den es ebenfalls nach Sansibar verschlug. Auch Josef von Eichendorff´s „Taugenichts“ lasse ich in einem fiktiven Text durch das Burgenland vor 100 Jahren ziehen und dabei auf andere „Wandersleute“ und „fahrendes Volk“ treffen."

Was hat Sie zu diesem Thema motiviert?
"Vorurteile als solche zu entlarven und Leser*innen die Angst vor Fremden zu nehmen, ihnen Gründe näherzubringen, warum sich Menschen auf die Flucht begeben und wie es ihnen dabei geht. Die eigene Heimat verlassen zu müssen ist schwer und das Ankommen und Akzeptiert-werden oft von großen Hürden begleitet. Es unterscheidet sich vehement von „Urlaubsreisen“, die wir Europäer*innen dank unseres Wohlstandes unternehmen können."

Warum ist es wichtig zu reisen?
"Weil es – wie ein Sprichwort treffend sagt – bildet und den Horizont erweitert. Es ermöglicht über den eigenen Tellerrand zu schauen und fördert Toleranz gegenüber „Andersartiger“. Und das muss nicht gleich Übersee sein, ein Ausflug in ein anderes Bundesland oder in ein europäisches Nachbarland kann ebenso spannend und bereichernd sein."

Welches Buch sollte man unbedingt lesen?
"Das wird für jede/n verschieden sein, da jede/r eigene Vorlieben hat. Ich empfehle mein letztes Buch „Zugvögel sind wir“ oder „Aus einem Strich die Landschaft“ (beide im Verlag edition lex liszt 12), in dem ich mich mit vielen Facetten unseres Landes beschäftige, darin schreibe ich u. a. über schöne Kindheitserinnerungen, Landschaften und Bewohner, Minderheiten und sozial/gesellschaftspolitische Besonderheiten, auch über die Kunst, beispielsweise Otto Muehl und Karl Prantl. Pflanzenliebhabern lege ich mein Buch „Aufzeichnungen einer Blumendiebin“ (Klever Verlag) ans Herz, es enthält viele poetische Passagen, Kinder- und Kirchenlieder. Insgesamt habe ich bisher 13 Bücher veröffentlicht, oft beschäftige ich mit der Situation von Frauen oder Außenseitern, „am Rande Stehenden“ – es wird für jede/n etwas dabei sein. Auf meiner Homepage kann man sich informieren."

Woran arbeiten Sie derzeit?
"Ich habe ein neuerliches Reisestipendium für Sansibar bekommen und werde nach meinen Recherchen weitere Geschichten über die Insel und ihre Einwohner schreiben, parallel dazu arbeite ich an Kurzerzählungen zu aktuellen Themen."

Ihre Pläne für 2023 und für die Literaturtage Neusiedl am See?
"Ich werde weiterhin neben meiner schriftstellerischen Arbeit Veranstaltungen und Lesungen mit und für Kolleg*innen kuratieren und organisieren, um das kulturelle Leben anzukurbeln, in der Literatur gibt es leider wenige Angebote im Nordburgenland, zu Unrecht: das Publikum ist interessiert, wie man auch heuer wieder in Neusiedl sehen konnte. U. a. werden die Literaturtage im Weinwerk von 15 – 17. 9. 2023 stattfinden, zum 6. Mal, worauf ich mich sehr freue. Das Weinwerk ist ein idealer Platz mit guter Atmosphäre für literarische Events in Kombination mit Musik."

RegionalMedien: "Vielen Dank für das Interview!"
Die Fragen zum Interview wurden von Andrea Glatzer gestellt.

Mehr Infos über die Autorin Karin Ivancsics.
Weitere Informationen zum Kulturpreis 2022 des Landes Burgenland.