Elisabeth und Mykolai aus der Ukraine
"Wir hörten die Bomben ständig!"

Josef Dorner, Mykolai und Mama Elisabeth, Linda Dorner - give peace a chance! | Foto: Ingrid Ruf
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MARKT ST. MARTIN. Der Kartoffel- und Kürbishof von Josef und Hilde Dorner in Markt St. Martin ist ein landwirtschaftlicher Familienbetrieb. Im Interview erzählen sie, warum sie einer Mutter (43) mit ihrem Sohn (15) aus der Ukraine mit einem kleinen Haus (60 Quadratmeter) ein Zuhause gegeben haben.

Bezirksblatt: Warum habt ihr die Familie aus der Ukraine aufgenommen?
Josef Dorner: Da wir im Besitz eines kleinen Häuschens sind und dieses seit dem Umzug unserer Tochter seit etwa einem Jahr leer stand, war uns von Anfang an klar, dass wir einer schicksalsgeplagten Familie ein Zuhause geben möchten und dadurch das Haus sinnvoll genutzt wird. Nach einem Anruf bei „Burgenland hilft“ hieß es erst mal warten. In dieser Zeit wurden noch diverse Änderungen vorgenommen, wie Ausmalarbeiten, kleine Reparaturen und selbstverständlich das Putzen des leerstehenden Hauses. Hier erhielten wir bereits Unterstützung der Ortsbevölkerung.

Bezirksblatt: Wer wohnt derzeit bei euch?
Josef Dorner: Bis zum tatsächlichen Anreisezeitpunkt blieb uns dies völlig unbekannt. Schließlich wurden wir kurz vor Mitternacht informiert, dass der Bus in Kürze ankäme und Elisabeth und ihr Sohn Mykolai in unserem Haus untergebracht werden. Der Vater, welcher beim Militär eingesetzt ist, sowie die 23-jährige Tochter durften aus der Ukraine nicht ausreisen, da auch die Tochter einen systemrelevanten Beruf als Polizistin ausübt. Die Familie kommt aus Kramatorsk, ein umkämpftes Gebiet zwischen Luhansk und Donezk.

Bezirksblatt: Gab es bürokratische Hürden?
Josef Dorner: Als Hürde würde ich es nicht bezeichnen, jedoch nahm es einige Zeit in Anspruch, bis die notwendigen Formulare ausgefüllt werden konnten. Unsere Tochter Linda sorgte sich um diese Bürokratie und unterstützte die beiden, wo es ging. Als Dank dafür wurde sie gleich zum selbstgekochten, landestypischen Mittagessen eingeladen.

Bezirksblatt: Was hatten Elisabeth und Mykolai an Habseligkeiten dabei?
Josef Dorner: Es war erschütternd zu sehen, dass sich die beiden lediglich mit zwei Plastiksackerln und einer kleinen Reisetasche auf den Weg machen mussten. Darin waren selbstverständlich die wichtigsten Dokumente und ganz wenig Kleidung. Schmunzeln mussten wir jedoch über einige Packungen Tee, welche Mykolai auf die Flucht mitgenommen hat, da ihm dieser sehr wichtig ist und er nicht wusste, ob und wann er so etwas wieder erhielte. Da Mykolai nicht mehr schulpflichtig ist, jedoch trotzdem eine weiterführende Schule besucht, musste außerdem für den Onlineunterricht ein Laptop besorgt werden. Um einen kostenlosen Internetzugang kümmerte sich ein ortsansässiger IT-Techniker, wodurch es den beiden auch möglich ist, regelmäßig mit ihrer Familie Kontakt aufzunehmen. Der Rückhalt im Ort ist groß – alle bringen was gebraucht wird.

Bezirksblatt: Sollten mehr Menschen eurem Beispiel folgen?
Josef Dorner: Wenn man die Wohnmöglichkeit hat, auf jeden Fall! Unsere Gäste sind überhaupt keine Belastung. Sie sind eine gepflegte Familie, der Junge ist eine Sportskanone und trainiert täglich Gymnastik. Es ist ein sehr gutes Gefühl, wenn man den Menschen mit solchen Schicksalsschlägen unmittelbar helfen kann und ihr Dank dafür ist sagenhaft groß. Elisabeth ist eine exzellente Köchin und dankt uns immer wieder mit kleinen Aufmerksamkeiten aus der ukrainischen Küche. Dadurch konnte bereits ein Jobangebot in Aussicht gestellt werden und sie kann, sobald sie die blaue Karte erhält, bei einem örtlichen Touristik-Unternehmen arbeiten.

Bezirksblatt: Wie verständigt ihr euch?
Josef Dorner: Auf englisch, wir kommen immer besser rein. Manches mal greifen wir auf eine Übersetzungs-App zurück. Nebenbei bringen wir ihnen ein wenig deutsch bei, „wort a bissl“ können sie schon beide! Nun hoffen wir, dass von offizieller Stelle so schnell wie möglich ein Deutschkurs angeboten wird. Bis dahin versuchen es die beiden auf eigene Faust mit Büchern und dem Internet.

Bezirksblatt: Wie geht ihr mit den Erzählungen um, wie fühlt ihr mit?
Josef Dorner: Es ist sehr schrecklich, was die beiden in ihrer Heimat durchgemacht haben, ebenso die 3 Tage Odyssee, welche sie auf der Flucht bestritten. Nach jedem Telefonat in die Heimat hoffen sie, dass es ein weiteres geben wird. Teile der Wohnung sind aufgrund von Bombenangriffen zerstört und nicht mehr bewohnbar. Dies sind kaum vorstellbare Bilder. Mykolais Online-Unterricht besteht unter anderem aus dem Fach „Verteidigung“, in welchem sie auch die Gefahren von fremden Gegenständen zu erkennen lernen. Lehrer unterrichten online aus Kellern und es fallen immer wieder Stunden aus, da auch die Lehrer letztlich die Flucht ergriffen haben.

Danach spazieren wir zum Häuschen, in dem Elisabeth und Mykolai schon auf uns warten und die erwähnte Gastfreundschaft unter Beweis stellen. Aufgetischt wurde die traditionelle Speise „Borschtsch“.

Bezirksblatt: Ihr kommt aus einer umkämpften Region, könnt ihr in eure Wohnung zurück?
Elisabeth: In unserer Wohnung sind aufgrund der Druckwellen der Bomben alle Fenster zerstört. Eine Rückkehr in diese Wohnung ist nicht vorstellbar. Ich bin froh, hier sein zu können und würde auch gerne bleiben. Jedoch möchte ich auch meine ganze Familie hier haben, aber das ist nicht möglich. Besonders wichtig sind mir die regelmäßigen Telefonate mit meiner Tochter, damit ich weiß, dass es ihr den Umständen entsprechend gut geht.
Mykolai: Ich möchte so schnell wie möglich wieder zurück, ich habe dort meine Schule, meine Freunde und meine Sportclubs, was ich alles sehr vermisse.

Wie habt ihr die Flucht erlebt?
Elisabeth: Wir waren sehr ängstlich, aber es blieb uns keine andere Wahl, da wir in unserer zerstörten Wohnung nicht bleiben konnten und die ganze Umgebung eine Lebensgefahr darstellte. Die Bombenangriffe und Sirenen waren im Dauerton aus Nah und Fern zu hören. Auch während unserer Flucht im Zug, sahen wir immer wieder Explosionen und Angriffe. Erst an der slowakischen Grenze wurde ich etwas ruhiger.

Seid ihr „angekommen“ in St. Martin?
Mykolai: Du hast hier mehr Liebe als in einer großen Stadt. Du kannst mit allen sprechen, alle kennen dich nach einem Tag. Wenn meine Mama Borschtsch kocht, dann ladet sie alle ein.
Elisabeth: Es ist ein kleiner Ort, aber großartig! Natürlich habe ich Angst vor der Zukunft…Wie geht es weiter? Wie lange können wir bleiben?
Josef Dorner (spontan): You can stay one hundred years!

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