Franz Rath aus Oberpullendorf erinnert sich an das Leben vor fast 100 Jahren

Josef Rath aus Oberpullendorf erinnert sich an die Zeit der Ersten Republik. | Foto: Ingrid Ruf
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OBERPULLENDORF (ir). Franz Rath stützt sich auf den Rollator, aber sein Geist ist hellwach. Er beginnt mit der Ermordung von Dollfuss - "gell, das war 1934?" - da machte er gerade die Aufnahmsprüfung für das Gymnasium in Eisenstadt. Er erzählt von weltgeschichtlichen Ereignissen, als wären sie gestern gewesen.

Traurige Jugend

"Meine Jugend war eine traurige." Als Kind erlebte er eine 'Sterbewelle', die ihn heute noch sehr berührt. Er war fünf, als sein Großvater, Zimmermeister in Steinberg-Dörfl, verstarb, und als er sechs war, fuhr ein schwarzer Leichenwagen vor - sein Vater war in Wien an Leukämie verstorben. Die Mutter war mit Franz und Viktor, damals drei Jahre alt, zurück geblieben. Sie ließ die Kinder bei den Schwiegereltern und fuhr nach Wien, um mit Honig, Himbeersaft und Bettfedern als Hausiererin zu handeln. Dadurch hatte sie gerade genug Geld, damit die Kinder eine solide Ausbildungen machen konnten.

Land der unbegrenzten Möglichkeiten

Die Kathi Tant - die Schwester des Vaters - war nach Kansas City ausgewandert. 1929 - ein Jahr nach dem Tod ihres Bruder - kam sie für ein halbes Jahr zum Heimaturlaub. Damals eine Sensation, denn wenn jemand auswanderte, wurde das Zinnglöckl geläutet, es war klar, es gab kein Wiedersehen. Sie wollte Franz adoptieren und nach Amerika mitnehmen, es hat nicht geklappt. Franz war der letzte Burgenländer, der um die Genehmigung angesucht hat, aber dann ist Amerika in den Krieg eingestiegen und es wurde niemand mehr reingelassen. Beide, die Kathi Tant und der Bauer Ferdinand, waren aus Steinberg-Dörfl und hatten es mit einer Nussplantage in Amerika zu Wohlstand geschafft. "Sie waren 20 und 21 Jahre, aber in Kansas City haben die Burgenländer zusammen gehalten."

Mit 20 Jahren eingezogen

Franz Rath machte eine Kaufmannslehre, aber danach musste er 1942 in Znaim einrücken. "Ich war Melder, wir waren auf dem Vormarsch, die Schlacht von Charkow (Ukraine) war eine große Panzerschlacht, der Flügel rechts waren Italiener, der Flügel links die Rumänen. Ein Granatsplitter hat mich verwundet und ich kam nach Potsdam, wo mich dann die Mutter abholte."
Nach dem Genesungsurlaub kam er in die Normandie in ein Kloster mit Kriegspfarrer, den Einmarsch der Russen hat er in Deutschland miterlebt. "Das war mein Glück, denn als der Krieg am 8. Mai 1945 aus war, war ich Gefangener in der Amerikanischen Zone."

Dresden brannte

"Der Himmel über uns war rot gefärbt, Dresden wurde bombardiert. Zu dem Zeitpunkt waren wir 40 km entfernt." Franz erzählt ohne Ironie, dass sie heil aus dem Krieg gekommen wären, obwohl er von Granatsplittern getroffen und sein Bruder schwer verwundet wurde. "Wie viele sind gar nicht zurück gekommen?"

Karriere als Kaufmann

1947 erwirbt Franz Rath den Gewerbeschein für Groß- und Aussenhandel und baut ein Magazin beim Bahnhof Oberpullendorf. Von dort beliefert er den Kleinhandel mit allem, was man so braucht, von Orangen über Nähzeug. Danach verbringt er sein restliches Berufsleben bei der Volksbank Oberpullendorf, zuletzt als Direktor.
"Meine Frau Anna war ein Jahr älter als ich, ich hatte die österreichische Staatsbürgerschaft, sie noch die aus Deutsch-Westungarn." Geheiratet haben die beiden 1951 und bekamen zwei Töchter. "1950 ging nicht, es war ein heiliges Jahr, das ist alle 50 Jahre so. Da gab es günstige Rom-Tickets und wir fuhren in den Vatikan."

Reiselust aus der Kindheit

"Ich glaube, meine Reiselust begann, als ich mit fünf Jahren ausgerissen bin, weil ich die Tante besuchen wollte. Ich stand vor ihr und sagte: i bin funlaft (ich bin fortgelaufen)." Und diese Reiselust hat ihn ein Dutzend Mal nach New York geführt, zuletzt, als er 91 Jahre alt war. "In New York gibt es zwei große Burgenländervereine und jeder hat über 1.000 Mitglieder." Viele Burgenländer begleiteten ihn auf den New York-Reisen, um Verwandte zu besuchen.
Er erzählt von seinen fünf größten Reisen: einmal von Moskau nach Peking mit dem russischen Sibirienzug, dann nach Tibet zum Dalai Lama, nach Tokio über Singapur zur Internationalen Weinausstellung mit burgenländischer Vertretung, mit Bischof Laszlo nach Jerusalem. Und zum Berg Atos, dem Klosterberg mit 20 Klöstern, die er alle besuchte, indem er mit dem Rucksack von Kloster zu Kloster gegangen ist.
Franz Rath genießt seinen Spritzer, meint, er wäre nun doch etwas erschöpft, denn "das Nachdenken über die Jahreszahlen ist schon anstrengend, schließlich will ich nichts falsches sagen". 96 Jahre alt und doch mindestens 100 Jahre erlebt!

Mehr Beitrage auf www.meinbezirk.at/100Jahre.

Josef Rath aus Oberpullendorf erinnert sich an die Zeit der Ersten Republik. | Foto: Ingrid Ruf
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