8. Mai 1945: Als die Waffen auch in Osttirol schwiegen

Der von US-Bombern Ende April 1945 zerstörte Lienzer „Adolf-Hitler-Platz“ (Hauptplatz) | Foto: Franziska Baptist; Sammlung Foto Baptist – TAP
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  • Der von US-Bombern Ende April 1945 zerstörte Lienzer „Adolf-Hitler-Platz“ (Hauptplatz)
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Am 7. Mai jährte sich zum 70. Mal das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa – es ist das Datum der Kapitulation Hitlerdeutschlands vor den alliierten Streitkräften.
Während Ostösterreich mit Wien schon im März von den vorrückenden russischen Truppen vom Naziterror befreit wurde, musste in Westösterreich noch um die Befreiung gerungen werden. Seit Dezember 1943 war auch Tirol von alliierten Luftangriffen betroffen.
Innsbruck wurde von der Widerstandsbewegung (federführend Karl Gruber) als bereits befreite Stadt an die am 3. Mai einrückenden US-Truppen übergeben. Am 6. Mai wurden die Kampfhandlungen in Nordtirol definitiv eingestellt und die Nazi-Zeit beendet.

Osttirol zum Ende des 2. Weltkrieges

Die nachfolgenden Streiflichter sollen zumindest ansatzweise ein Bild auf Lienz anno 1945 geben, die damaligen Situationen angreifbar und anschaulich machen und auch ein wenig das Bild auf ganz Osttirol öffnen, das damals „Kreis Lienz“ des „NS-Gaues Kärnten“ hieß und noch bis 1947 ein ein des Landes Kärnten blieb.

Bombenkrieg: Abseits vorhergehender Tieffliegerangriffe auf Sillian und Lienz wurde die hiesige „Kreisstadt“ kurz vor Kriegsende, am 19. und 26. April 1945 „Gelegenheitsziel“ zweier verheerender US-amerikanischer Luftschläge, mit fast vollständiger Zerstörung des Bahnhofs und des „Adolf- Hitler-Platzes“ ("Hauptplatz“) sowie mehreren Bomben-Todesopfern. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich in Wien bereits die Provisorische österreichische Staatsregierung unter Karl Renner gebildet.

Chaos und Tod: Osttirol blieben furchtbare Kriegsende-Verbrechen wie in Ostösterreich mit Todesmärschen, Verfolgungsjagden oder Erschießungen von Deserteuren, Juden, Widerstandskämpfern erspart. Doch auch hier überschlugen sich die Ereignisse und führten zu menschlichen Tragödien:

In Zedlach z.B. erschoss am 3. Mai ein deutscher SS-Hauptsturmführer zunächst seine Frau, dann seine vier kleinen Kinder und schließlich sich selbst. Auch in Sillian und Lienz wählten mehrere NS- Verantwortliche den Freitod. In der ersten Maiwoche traf der riesige Tross der Kosaken im Lienzer Talboden ein (siehe nebenstehender Bericht).

Während der NS-Gemeinderat von Lienz unter Bürgermeister Emil Winkler noch das rasche Weiterschleusen der Kosaken nach Winnebach zu den dort bereits eingelangten US-Amerikanern versuchte – erfolglos (!) –, marschierten am 8. Mai 1945 die Briten im Form der schottischer Besatzungssoldaten in Lienz ein. Damit fand auch hier der Krieg ein Ende.

Die Osttiroler Bevölkerung war damit vom NS-Regime befreit. Im Auftrag des schottoschen Kommandanten wurde am Rathaus die britische Nationalflagge gehisst. Die Briten besetzten in der Folge ganz Osttirol – mit Schwerpunkt auf Lienz, Matrei und einer Grenzsperrzone um Sillian. Es folgte die Ausforschung und Verhaftung von NS-Funktionären, auch gemeinsam mit den österreichischen Freiheitskämpfern.

Das konkrete Kriegsende: Vor dem Einrücken der Briten löste sich das NS-Regim in Osttirol bereits auf. Gestapo und Militär räumten ihre Gebäude und verbrannten zahllose Unterlagen.
Die in Lienz kurzfristig in den letzten Kriegstagen gebildete Widerstandsbewegung unter den NS-Verfolgten Theodor Hibler und Hermann Pedit konnte Landrat/Bezirkshauptmann Fritz Petritsch befreien und wiedereinsetzen. Petritsch war eingesperrt worden, weil er sich gegen die geplante Verteidigung von Lienz ausgesprochen hatte.
Ida Hibler, die Frau Theodor Hiblers, war noch am 4. Mai von der SS inhaftiert worden, nachdem sie vorschnell zur Begrüßung der Alliierten die rot-weiß-rote Fahne gehisst hatte.

Die weiteren bestimmenden Faktoren in Osttirol 1945 waren Flüchtlingswesen, Ernährungslage, Wiederaufbau und beginnende Entnazifizierung: Abseits der anwesenden Kosaken trafen im Bezirk Lienz ab Mitte Mai die ersten vor den kommunistischen Tito-Partisanen geflohenen Flüchtlinge aus Slowenien ein.
Im Sommer folgten vertriebene Volksdeutsche. Die Nahrungsmittel-Zwangsabgaben der Bauern wie unter dem Nationalsozialismus mussten weiterhin aufrecht erhalten bleiben, um eine Hungersnot zu verhindern.

Der jahrelange Wiederaufbau wiederum konzentrierte sich auf das bombenzerstörte Lienz. Die Entnazifizierung der Briten zielte generell auf die Suche, Verhaftung und längere Internierung der Nationalsozialisten in den Lagern Wolfsberg und Weißenstein ab. In Osttirol gab es ein beratendes „De- Nazifizierungskomitee“ unter dem neuen Bezirkshauptmann Theodor Hibler.

Mahnende Worte eines Zeitzeugen

Pepi Wurzer war erbitterter Gegner des NS-Regimes und einer der wenigen Zeitzeugen, die über die damaligen Zustände berichten können.
Ein mit Hakenkreuzsymbolen beschmierter Kreuzweg, die Entlassung des Vaters als Gendarm und eine persönliche Demütigung des damals 13-jährigen, ließen ihn zu einem erbitterten Feind des Nationalsozialismus werden.

"Weil ich mich weigerte, als 13-Jähriger von der Oberschule für Jungen in Lienz in die "Nationalpolitische Erziehungsanstalt in Stuttgart zu wechseln, musste ich einen etwa 6 Kilogramm schweren Stein mit Fischabbildungen von den obersten Lavanter Wiesen, in etwa drei Gehstunden in die Stadt tragen. Unten angekommen, wurde der Stein aus dem Rucksack genommen und in einen Bach geworfen", schildert Wurzer die Schikane.

Der heute im 90. Lebensjahr stehende rüstige Mann wurde zum Widerstandskämpfer.
"Es waren die Frauen und Männer des Widerstandes. die die Liebe zu unserem Vaterland, gepaart mit der bedingungslosen Ablehnung des Nationalsozialismus, mit dem Leben bezahlten. Vor 35 Jahren mahnte ich in einer Rede an die Jugend: 'Seid stets eingedenk der vielen Tausend Opfer für Österreichs Freiheit, schwört jeder Gewalt ab, tretet nie die Würde eines Menschen mit Füßen, versucht auch, die Meinung anderer zu respektieren und helft alle mit, an unserem gemeinsamen Vaterhaus Österreich in Frieden und Freiheit weiterzuarbeiten.' Diese Worte haben an Aktualität nichts verloren."

Einen Bericht zur Kosakentragödie finden Siehier

Der von US-Bombern Ende April 1945 zerstörte Lienzer „Adolf-Hitler-Platz“ (Hauptplatz) | Foto: Franziska Baptist; Sammlung Foto Baptist – TAP
Widerstandskämpfer Pepi Wurzer war Bezirksobmann des "Bundes der Opfer des politischen Freiheitskampfes in Tirol".
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