Thaliastraße neu
Zahlen, Daten und Fakten zum "Bürgerbeteiligungsverfahren".
Details zu den Ergebnissen jenes kritisierten "Bürgerbeteiligungsverfahrens", auf welches sich Politik und Befürworter des geplanten Umbaus der Thaliastraße ständig berufen, wurden bisher ja noch kaum genauer analysiert, sind aber wichtig, um sich ein entsprechendes Bild über die Angemessenheit der Kritik machen zu können.
Weniger als drei Prozent der Ottakringer Bevölkerung hat 2020 am (vorgeblichen?) Bürgerbeteiligungsverfahren zum Thema „Thaliastraße neu“ teilgenommen, ein Teil davon – wie wenig überraschend auch die „Grünen“ – verlangte die Zerstörung dieser wichtigen Ottakringer Verkehrsinfrastruktur mittels „Begegnungs- und Fußgängerzonen“. Dies wird nun mittels politischer Propaganda zu einem „Wunsch vieler Ottakringerinnen und Ottakringer“ hochstilisiert.
In manchen Teilen der Stadt dürfte es ja, im Gefolge der neuen Rathaus-Koalition, mittlerweile durchaus zu einer gewissen Verbesserung der Lage gekommen sein. Umso bedauerlicher ist es, wenn ausgerechnet in Ottakring weiterhin stur am längst überholten, stets konfrontativen Weg des vergangenen Jahrzehnts festgehalten wird.
In einem Kommentar zum Beitrag „Der Angriff auf unsere Thaliastraße“ (warum dies denn überhaupt ein „Angriff“ sein soll, dazu siehe den Beitrag „Nein zu Begegnungszonen auf der Thaliastraße!“) empfahl der Funktionär einer dafür verantwortlichen, politischen Partei unter anderem, den Schlussbericht der Gebietsbetreuung Stadterneuerung („GB*“) zu lesen und die „tolle Arbeit der MitarbeiterInnen der GB* anzuerkennen“. Dieses Hinweises hätte es zwar gar nicht erst bedurft, der Bericht bietet allerdings tatsächlich eine gute Möglichkeit, um die Diskrepanz zwischen den realen Ergebnissen und deren geschönter Interpretation im Sinne der Auftraggeber deutlich aufzuzeigen.
Natürlich haben die Mitarbeiter der Gebietsbetreuung Stadterneuerung eine tolle Arbeit geleistet! Sie haben zweifellos genau das getan, was ihre politisch verantwortlichen und vorgesetzten Auftraggeber von ihnen verlangt und erwartet haben.
Nun zu den konkreten Zahlen: Laut Bericht der Gebietsbetreuung haben insgesamt 2.846 Personen (propagandistisch stets aufgerundet auf „3.000 BürgerInnen“) in der einen oder anderen Form an diesem „Bürgerbeteiligungsverfahren“ teilgenommen, das sind also knapp 2,76 % der Ottakringer Bevölkerung, von welcher sich demnach etwa 97,24 % nicht beteiligt haben. Die Meinungen über die Ursache dieser ganz enormen Diskrepanz werden vermutlich auseinander gehen. Möglicherweise aber wussten, oder zumindest ahnten die Menschen vielleicht, dass sie ohnehin gar nicht mehr wirklich mitzureden hatten, da die Eckpunkte schon längst entschieden waren.
Bezogen auf die Anzahl der Wahlberechtigten bei der Ottakringer Bezirksvertretungswahl, stellen diese 2.846 Personen übrigens einen Anteil von gerade einmal 4,05 % dar, wohingegen demnach mindestens rund 95,95 % der Wahlberechtigten ganz auf eine Teilnahme verzichteten.
Angenommen, sämtliche 2.846 Teilnehmer hätten sich, wie immer wieder getan wird, einheitlich für eine "deutliche Verkehrsreduktion“, bzw. eine oder mehrere „Begegnungszonen“ und/oder „Fußgängerzonen“ auf der Thaliastraße ausgesprochen, und nehmen wir weiters an, es hätte sich ausschließlich um Wählerinnen und Wähler der Grünen gehandelt (was beides definitiv nicht der Fall ist): Es hätte sich sogar dann nur eine Minderheit von knapp 37,47 % der Ottakringer Grünwähler von 2020 gehandelt, also jener Partei, die bereits spätestens in der zweiten Julihälfte 2020 auf der Thaliastraße „Begegnungszonen“ gefordert hat, welche „später auch zu Fußgängerzonen werden könnten“. Vor allem aus diesen Kreisen dürfte dann vermutlich wohl auch, wenig überraschend, ein Großteil der (insgesamt immer noch äußerst wenigen) „Vorschläge“ oder „Wünsche nach deutlicher Verkehrsreduktion“, nach „Begegnungszonen und/oder Fußgängerzonen“ kommen.
Bezogen auf Wählerinnen und Wähler der SPÖ, wären es gar nur etwa 19,21 % gewesen. Zählt man, entsprechend der damals noch amtierenden Rathauskoalition, die Wählerschaft von SPÖ und Grünen zusammen, so machen diese 2.846 Personen aber auch nur rund 12,70 % jener Wählerschaft aus, die 2020 eine gültige Stimme für eine der beiden Parteien abgegeben haben. Selbst unter den „eigenen Leuten“ blieben einschlägige Forderungen also ein ausgesprochenes Minderheitenprogramm.
Eine solche Beteiligung dann als „enormes Interesse“ zu interpretieren, oder derartige Ergebnisse als „große“, oder gar „überwiegende Wünsche der Ottakringer Bevölkerung" selbst hinzustellen, oder von anderen darstellen zu lassen, wie kann man so etwas nennen? Ist es vielleicht dreist? Und wie steht es mit dem Versuch, die Standpunkte von Kritikern dieser Pläne, dieses Projektes oder seiner Durchführung, als „Einzelmeinung“ abzutun, welcher eine überwältigenden Mehrheit gegensätzlicher Meinungen gegenüber stünde? Dafür gilt wohl das Gleiche.
Bei insgesamt also schwacher Beteiligung, war das Ausfüllen des Fragebogens mit 2.180 Stück, das sind knapp 76,6 % die bei Weitem häufigste Form der Teilnahme, weshalb auch den dort gebrauchten Formulierungen und den damit erzielten Ergebnissen besonderes Gewicht zukommt. Selbst die mageren Zustimmungswerte kommen aber erst durch sorgfältige und tendenziöse Interpretation oder Umdeutung der Antworten zustande, wie aus dem Endbericht ebenfalls deutlich hervorgeht.
Natürlich gibt es zum Verkehr auch kritische Stimmen, dass sei gar nicht bestritten, aber bei genauem Hinsehen ergibt sich doch ein wesentlich differenzierteres Bild: So schätzen etwa 92 % der Befragten die sehr gute Erreichbarkeit der Thaliastraße.
Einige „positive Aspekte“, laut Bericht der GB*:
„Die Befahrbarkeit der Straße mit dem PKW sowie das Vorhandensein von Parkplätzen wird geschätzt (sowohl um Geschäfte zu erledigen als auch um nachts zu parken“
Warum soll es dann aber ausgerechnet dabei zu Einschränkungen kommen?
„Der gut funktionierende öffentliche Verkehr (die Thaliastraße als Verbindungsachse vom Gürtel bis zum Wienerwald“
Warum soll dann gerade auch dieser öffentliche Verkehr durch die geplanten „Maßnahmen“ behindert und verlangsamt werden?
Die Verkehrssituation bewerten übrigens 74 % der Öffi-NutzerInnen ohnehin als gut oder sehr gut, und deutlich über 60 % der FußgängerInnen als sehr gut, gut, oder immerhin befriedigend, ebenso wie etwas weniger, nämlich rund 55 % der AutofahrerInnen. Auch wenn das immer noch eine Mehrheit ist, sieht das Ergebnis wohl nicht gerade nach einer "besonders 'autofreundlichen' Rennstrecke“ dort aus.
Lediglich von den RadfahrerInnen bewerten die Situation weniger als 20 % als zumindest befriedigend. Aber denen steht ja immerhin auch die parallel laufende, sogar speziell auf ihre Bedürfnisse ausgerichtete Hasnerstraße als „fahrradfreundliche Straße“ zur Verfügung. Sie war 2012 die erste ihrer Art in ganz Österreich (siehe: Fahrradfreundliche Straße), und ist umgekehrt natürlich nicht besonders „autofreundlich“. Es kann eben nicht JEDE Verkehrsfläche für JEDE Verkehrsart gleich gut ausgebaut werden.
Interessant auch, welche Angaben im Fragebogen, anscheinend ziemlich frei, überhaupt als „Wunsch nach umfassender Verkehrsberuhigung“ bzw. nach „Begegnungszonen / FußgängerInnenzonen“ interpretiert werden:
Mehr als 80 % halten „flache Gehsteigkanten“ für wichtig oder sehr wichtig.
In Begegnungs- und Fußgängerzonen gibt es allerdings weder Gehsteige, noch Gehsteigkanten!
„Breitere Gehsteige“ wünschen sich rund 75 Prozent, wobei gerade die diesbezügliche Formulierung bezeichnend (verschleiernd? irreführend?) war. Sie lautete:
„Gehsteige sollen breiter werden (Hindernisse wie Schilder, Werbetafeln, Masten entfernen).“
No na! … kann man da, ebenso wie auch bei anderen Formulierungen, nur sagen (siehe auch die dazugehörigen Fotos). Bei der Auswahlmöglichkeit, ist jedenfalls ausschließlich von der Entfernung von Hindernissen von den Gehsteigen die Rede, nicht aber von Rückbauten, Straßenverengungen, Begegnungs- oder Fußgängerzonen! Wären die Antworten sonst vielleicht ganz anders ausgefallen?
Auch die neunzigprozentige Zustimmung zu Baumpflanzungen, sowie das Ja zu mehr Sitzmöglichkeiten, Trinkbrunnen, usw., entstammt Fragestellungen ohne die Erwähnung irgendwelcher Verkehrseinschränkungen.
Kein einziger der Euphemismen wie "Verkehrsberuhigung", "Verkehrseinschränkung", "Rückbau", "Begegnungszone" oder auch Begriffe wie "Straßenverengung" und "Fußgängerzone", kommt überhaupt in dem ganzen Fragebogen auch nur ein einziges Mal vor!
Beim Großteil der immer wieder eingestreuten, zusammenfassenden Bemerkungen im Bericht handelt es sich um mehr oder weniger willkürliche Interpretationen, welche sich, jedenfalls aus der Betrachtung der Fragestellungen und Auswahlmöglichkeiten, sowie der dazu im Bericht bekanntgegebenen Ergebnisse, nicht ableiten lassen.
Bemerkenswert ist auch, dass, gedanklich völlig verengt, stets nur die Thaliastraße direkt zur Debatte steht, während die zahlreichen, tollen Möglichkeiten auf etlichen, unmittelbar angrenzenden Plätzen, und in den unmittelbar angrenzenden Parks und Grünoasen, auf welchen zahlreiche, der geäußerten Wünsche umgesetzt werden können, und viele davon sogar auch teilweise bereits jetzt erfüllt sind (siehe auch: „Unsere Thaliastraße – ein Abgesang?“), regelmäßig völlig unerwähnt bleiben.
Fazit:
Nur ein kleiner Bruchteil der Ottakringer Bevölkerung, und sogar der Wählerschaft einschlägiger Parteien, hat überhaupt am sogenannten „Bürgerbeteiligungsverfahren“ teilgenommen. Selbst dabei kamen durchaus unterschiedliche Ansichten und Meinungen zum Ausdruck, während bei etlichen Fragestellungen oder Auswahlmöglichkeiten offenbar sogar die dahinter liegende Absicht, möglicherweise bewusst, verborgen wurde. Ansonsten wird auch noch viel politisch Opportunes einfach in das Ergebnis um- oder hinein interpretiert. Trotzdem bleibt klar: Als „Legitimation“ für jenes Projekt „Thaliastraße neu“, das jetzt durchgepeitscht werden soll, eignet sich dieses „Bürgerbeteiligungsverfahren“, an dem bloß 2.846 Personen überhaupt teilgenommen haben, jedenfalls ganz sicher nicht.
Vor allem, wenn man auch noch bedenkt, dass wesentlich mehr, nämlich sogar etwa rund 4.000, von einer privaten Bürgerinitiative gesammelte Unterschriften gegen die Versiegelung und das Zubetonieren eines naturnahen, rund 5.000 m² großen Grünareals an der Gallitzinstraße, am Rande des Biosphärenparks Wienerwald, in unserem Bezirk offenbar überhaupt nichts zählen.
Genauso, wie auch im Nachbarbezirk um die 80.000 Unterschriften gegen jenen Kultur- und Naturfrevel, welcher am Gelände des Otto-Wagner-Spitals am Steinhof betrieben wird, ignoriert werden. Aber diese tatsächlichen Manifestationen von Bürgerwillen waren ja offenbar nicht im Interesse der an der Macht befindlichen Partei(en), oder gar von diesen organisiert, im Gegensatz zur Inszenierung des deutlich schwächer frequentierten „Bürgerbeteiligungsverfahrens“ zum Umbau der Thaliastraße, welches hingegen sehr wohl als Vorwand für ein angebliches „Akzeptieren“ eines ebenso angeblichen „Bürgerwillens“ herhalten soll.
Im Übrigen wären sicher auch einmal Informationen zur politischen Vernetzung jener Personen und Unternehmen nicht uninteressant, die unmittelbar von dieser Zerschlagung Ottakringer Verkehrsinfrastruktur profitieren.
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