Ärztin in Zeiten von Corona
"Es ist unabdingbar, dass Männer und Frauen gleich viel beitragen"
Frau, Lebensretterin, Mensch: Ida Aringer ist Ärztin. Die Coronakrise hat auch sie an ihre Grenzen gebracht.
PENZING. In den vergangenen Wochen war Ida Aringer vieles: Ärztin, Angestellte im Gesundheitswesen, Wissenschaftlerin und Lebensretterin. Die 32-jährige Penzingerin war dabei aber – auch das ist Teil der Realität – immer wieder selbst dem Ende ihrer Kräfte nahe. Auch die Heldinnen der gegenwärtigen Krise brauchen mehr als den Applaus der Bevölkerung. Dennoch liebt Ida Aringer ihren Job.
Das Gesundheitswesen hat sie früh als Patientin kennengelernt. Aringer litt an einer Autoimmun-erkrankung. Um Menschen helfen zu können, hat sie Medizin studiert, in der Grundlagenforschung und der Gesundheitspolitik gearbeitet und ist jetzt Internistin im Krankenhaus St. Pölten. "Im medizinischen Bereich zeigen Frauen oft keine Schwäche", erzählt sie. "Aber die Wahrheit ist, dass die vergangenen Wochen für uns alle eine enorme psychische Herausforderung waren." Den Stress, die Unsicherheit, die 60-Stunden-Wochen, die fehlende Hilfe vonseiten der Politik und den Druck hat Aringer mit nach Hause gebracht. Eine harte Zeit für Frauen im Gesundheitswesen.
Die Rädchen des Systems sind weiblich
"Es gab auch im medizinischen Bereich keinen Katastrophenplan und keinen Krisenstab, der einen Fahrplan vorgegeben hätte", so Aringer. "Im Krankenhaus haben wir alles selbst geregelt und organisiert – und das in einer Situation, die für uns alle neu und belastend war." Dann gab es Urlaubsverbote und Überstunden. "Die maximale Wochenarbeitszeit in Krankenhäusern ist zwar laut EU-Richtlinie auf 48 Stunden beschränkt, doch mit einem sogenannten Opt-out kann das umgangen werden." In Österreich sei das der Fall. Meistens werde weitaus länger als 48 Stunden gearbeitet, nicht nur in der Krise.
Die angespannte Situation habe mit der Zeit auch zur Folge gehabt, dass im Pflegebereich viele Angestellte selbst in Krankenstand gehen mussten, weil sie psychisch am Ende waren. "Da hat sich gezeigt, dass es alleine die kleinen Rädchen im System waren, die dafür gesorgt haben, dass dieses Land trotz allem so gut durch die Krise gekommen ist." Besonders der Beitrag, den Frauen für die Gesellschaft leisten, müsse künftig anders bewertet werden, ist sich Aringer sicher.
Was Ida Aringer Mut macht, ist die Solidarität unter den Arbeitskolleginnen, die weit über die Arbeitszeit hinausgeht. "Es ist mehr denn je wichtig, dass wir für uns für eine Gleichstellung, Arbeitsrechte und einen starken Sozialstaat einsetzen und füreinander einstehen." Diesen Zusammenhalt des medizinischen Personals hat Ida Aringer in den letzten Wochen stark gespürt. "Und es ist unabdingbar, dass Männer und Frauen endlich gleich viel zur Haushaltsarbeit, Kindererziehung und Altenbetreuung beitragen. Das Schöne daran: Man könnte es sofort umsetzen."
Ende Mai hat die Penzinger Ärztin endlich zwei freie Tage und im Juli steht ein Urlaub an. Und dann geht es hoffentlich erholt weiter. Denn Aringer liebt ihren Job – trotz allem.
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