Bildungscampus Anna und Alfred Wödl
Bildung und Gedenken in Penzing
Ein Jahr nach seiner feierlichen Einweihung bekam der Bildungscampus Wien West einen neuen Namen. Als "Bildungscampus Anna und Alfred Wödl" wird er nicht nur zum Ort des Lernens, sondern auch zum Ort der Aufklärung über die Vergangenheit Penzings.
WIEN/PENZING. Am Donnerstag, 14. September feierten unter anderem Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos) und Bezirksvorsteherin Michaela Schüchner (SPÖ) stolz die Umbenennung des Bildungscampus Wien West in Penzing. Der vor einem Jahr eröffnete Gebäudekomplex wurde jetzt Anna Wödl und ihrem Sohn Alfred gewidmet, welcher Opfer des Nationalsozialismus wurde.
Der heutige "Bildungscampus Anna und Alfred Wödl" beinhaltet auf einer rund 1,3 Hektar großen Fläche einen zwölf-gruppigen Kindergarten, eine 20-klassige Ganztagesschule (Volks- und Mittelschule), vier sonderpädagogische Bildungsräume, zwei Turnsäle, ein Gymnastiksaal und eine Musikschule.
Besonders auf ein Bedürfnis-getreues Umfeld für Kinder mit Hörbeeinträchtigung und das selbstverständliche Miteinander mit anderen Kindern wird hier ein Augenmerk gelegt.
Der geschichtliche Hintergrund
Anna Wödl wurde 1902 in Niederösterreich geboren. Ihre Eltern waren ungarischer Herkunft, weshalb sie als staatenlos galt. So auch ihr späterer Sohn Alfred, den sie 1934 in Wien zur Welt brachte. Anna hatte sich in den letzten Wochen ihrer Schwangerschaft eine schwere Rauchgasvergiftung zugezogen.
Später stellte sich heraus, dass Alfred in seiner Entwicklung beeinträchtigt war. Als er im Alter von zwei Jahren wegen einer Gelenksentzündung in Behandlung war, stufte man ihn als "geistig zurückgeblieben" ein. Infolgedessen wurde er 1939 in die "Landes Pflege- und Beschäftigungsanstalt für schwachsinnige Kinder in Gugging" eingewiesen.
Da Alfred ein uneheliches Kind war, hatte Anna kein Sorgerecht über ihren eigenen Sohn. Die Landesberufsvormundschaft Wiener Neustadt verfügte über alle Entscheidungen ihn betreffend und entschied, dass das Kind nicht ohne behördliche Zustimmung zurück an die Mutter übergeben werden dürfe. Anna nahm eine Anstellung als Aushilfskrankenschwester im Militärlazarett des Allgemeinen Krankenhauses Wien an. Ihren Sohn besuchte sie regelmäßig.
Der Spiegelgrund
1940 begannen die Nationalsozialisten, in der "Städtischen Jugendfürsorgeanstalt 'Am Spiegelgrund'" auf der Baumgartner Höhe, kranke, beeinträchtigte und "schwer erziehbare" Kinder und Jugendliche heimlich nach Hartheim bei Linz abzutransportieren, wo sie ermordet wurden. Offiziell wurden sie "an die Ostsee transferiert", wo sie "unter unklaren Umständen ums Leben kamen".
Anna erfuhr durch Bekannte von diesen Vorgängen und fuhr nach Berlin, um dagegen zu protestieren. Zwar konnte sie nichts bewirken, doch motivierte sie zahlreiche Menschen zu Protestschreiben. Als Anna 1941 erfuhr, dass auch ihr Sohn abtransportiert werden sollte, fuhr sie erneut nach Berlin, um sich für ihn einzusetzen.
Nach langem Kampf um das Leben ihres Sohnes erkannte sie die Aussichtslosigkeit der Lage. Sie bat darum, dass Alfred in Wien sterben dürfe, um ihm die Qualen des Transports zu ersparen. Dies wurde ihr zugesagt, so starb Alfred später in Steinhof durch eine Injektion. Nach Ende der Nazi-Diktatur sagte Anna als Zeugin im Prozess gegen die Euthanasie-Ärzte aus.
Der Bildungscampus Anna und Alfred Wödl
Mit der Umbenennung möchte man der Geschichte der Beiden gedenken und dabei auch die nächsten Generationen miteinbeziehen, damit sich die Fehler dieser Zeit nicht wiederholen.
"Es ist wichtig, an diese dunkle Vergangenheit auch zu denken, weil Erinnerungskultur soll zukünftig solche Ereignisse verhindern", so Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos), "Und das geht nur, wenn wir die Kinder und Jugendliche dabei mitnehmen."
Es gibt kein Thema, das man mit Kindern nicht besprechen kann, so auch Bezirksvorsteherin Michaela Schüchner (SPÖ): "Man muss halt wirklich sehr, sehr sensibel sein", sagt sie, "Und sehr genau überlegen, wie man Kindern was erzählt." Doch jedes Kind und jeder Mensch müsse seine Geschichte kennen, so die Bezirksvorsteherin, denn nur wenn man sie kenne, könne man auch lernen.
"Wir sind Vorbilder für unsere Kinder. Und das macht mich stolz", so Karin Broukal, Chefin der Wiener Kindergärten (MA 10) ab. "Es ist eine ganz wichtige Chance, dass wir hier Haltung beziehen, wir hier als Gesellschaft", so Broukal, "Und das kann ich auch dadurch erreichen, indem ich mit solchen Themen offen umgehe, ihnen einen Platz einräume und das zum Anlass nehm – zum Beispiel hier an diesem Bildungscampus."
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