„Gschicht´n aus der Sakristei“ in der Sargfabrik

nicolas robert lang im Interview über sein Debütalbum „Abendmahl südlich von Rimini“

Brutal direkt, aber ungemein poetisch, wortgewandt und humorvoll beleuchtet nicolas robert lang in seinem Debütalbum „Abendmahl südlich von Rimini“ die dunkle Seite der Kirche, eine unmenschliche Flüchtlingspolitik und stellt sich die ewige Frage nach dem tieferen Sinn menschlicher Existenz. So steht es in der Presseaussendung über das Album, und ich habe hier nicolas robert lang wieder bei mir zum Gespräch. 

Andreas S:
Herzlich willkommen nicolas robert lang.  

Worum es in Ihren Liedern geht, kann man denke ich gut aus dem Pressetext herauslesen - keine einfache Kost wie es so aussieht. 
Peter Schilling, seines Zeichens Director Ariola bei Sony Music Entertainment, hat Ihre Songs 2021 noch "wenig unterhaltsam" bezeichnet, abgesehen von Chardonnay. Wie weit wollen Sie unterhalten oder müssen Sie unterhalten, um als Liedermacher und Musiker erfolgreich sein zu können?

nicolas robert lang: 
Müssen tue ich mal überhaupt gar nichts, das ist ja das schöne an der Kunst. Wichtig ist es mir die Lieder, die eine politische Botschaft haben auch sprachlich, künstlerisch zu gestalten. Inhalt und Unterhaltungswert können so durchaus vereint werden. Aus den Liedern, die "nur" unterhalten muss man auch nicht mehr machen. Es gibt nix Schlimmeres als belanglose Inhalte als politisch-künstlerischen Gedankenanstoß verkaufen zu wollen.

Andreas S.: 
Cat Stevens - ich habe gerade eine Arte Dokumentation über ihn gesehen - meinte, ihm wurde gesagt "er solle über was Nettes schreiben, Liebe, Mädchen". Man interessierte sich erst für ihn, als er "I love my dog" schrieb. I love my dog, As much as I love you, You may fade, My dog will always come through. Haben Sie schon ein Lied über was Nettes geschrieben?

nicolas robert lang:
Nein, ich glaube tatsächlich nicht. Vielleicht etwas Schönes, etwas Lustiges bestimmt auch. Aber nett ist dann doch ein bissl zu wenig. Und auch wenn "I love my Dog" vielleicht ein bissl Aufmerksamkeit für Cat Stevens erzeugt hat: heute interessiert die Nummer auch keinen mehr. Nett ist also anscheinend nicht besonders nachhaltig.

Andreas S.: 
Würden Sie sich als politischer Liedermacher bezeichnen? In welcher Tradition bewegen Sie sich?

nicolas robert lang:
Jede Person, die auf einer Bühne steht sollte sich hin und wieder die Frage stellen "Was mach ich hier überhaupt?". Ja ich schreibe politische Lieder. Einerseits aus Überzeugung, andererseits quasi als Rechtfertigung, dass es neben der Selbstdarstellung noch eine weitere, wichtigere Ebene gibt, warum ich mich auf eine Bühne stelle. Nur zu unterhalten und den Applaus zu ernten ist mir dann doch ein bissl zu wenig. Mich allerdings "nur" als politischen Liedermacher zu titulieren, wäre auch zu wenig.

Andreas S.: 
In der demokratiewebstatt.at  findet man Reinhard Fendrich, Yasmo und STS gemeinsam angeführt - als österreichische Liedermacher und Bands, die gesellschaftspolitische Themen aufgreifen…..  Wie und wo reihen Sie sich da ein?

nicolas robert lang:
Weder STS noch Reinhard Fendrich wurden aufgrund ihres politischen Liedguts berühmt, das war dann ein nettes Beiwerk, als dies dem Erfolg nicht mehr schaden konnte. Oder anders ausgedrückt: nur weil Beethoven ein paar Messen geschrieben hat, war er noch lange kein Kirchenmusiker. Yasmo ist textlich und musikalisch sehr weit weg von mir, insofern kann ich dazu nicht viel sagen. Sie ist jedoch eine Künstlerin, die das Politische in ihrer Musik in den Vordergrund stellt. Das finde ich sehr respektabel.

Andreas S.: 
Gerhard Stöger vom Falter zitierte am 9.11.2022 eine alte Bauernregel: "Politische Lieder sind schwierige Dinger, allzu oft stör' n erhobene Zeigefinger". Wie ist das bei Ihren Liedern?

nicolas robert lang:
Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen. Ich kann nicht moralisieren, wenn ich selbst Teil einer moralisch verkommenen Gesellschaft bin. Ich kann nur die Schwächen und Fehler unseres Kollektivs aufdecken und durch überspitzte Formulierungen den einen oder die andere zum Nachdenken anregen. Mich selbst eingeschlossen. Oder wie Arik Brauer in seinem Lied "Gfrassta san die Männer" singt "Ich bin ja selber wie sie sehen ein so ein mieser Mann."

Andreas S.: 
Und nochmal Gerhard Stöger in selbigem Artikel: "Der konkrete Anlass verpasst Protestliedern einen Zeitstempel und schreibt ihnen so ein Ablaufdatum ein." Sind Ihre Lieder dann bei der Veröffentlichung schon wieder ein alter Hut? 

nicolas robert lang:
Die großen Themen der Menschheit waren immer die selben. "Blowing in the Wind" ist noch genauso aktuell wie vor 60 Jahren. Protestlieder können zu einem konkreten Thema geschrieben werden und trotzdem immer wieder Aktualität in einem neuen Kontext finden. Das Theater bzw. die Literatur beweisen das immer wieder aufs Neue. Was für "Kassandra", den "Kaukasischen Kreidekreis" oder "Die Frösche" gilt, kann genauso gut auf Protestlieder umgelegt werden. Es wird wohl auch in 100 Jahren noch Nazis geben, die den "Willy" daschlogn und auch die katholische Kirche wird wohl in absehbarer Zeit nicht damit aufhören Kinder zu schänden.

Andreas S.: 
Mit wem von der Kirche würden Sie gerne über Ihr Missbrauchslied reden?

nicolas robert lang:
Mit gar niemandem. Es interessiert mich nicht, was die Täterseite zu sagen hat. Ich spreche ja auch nicht mit Nazis über Antifaschismus, oder mit Ausbeutern über eine Vermögenssteuer. Die Kirche sollte im besten Fall überhaupt nicht mehr zu Wort kommen. Enteignen und mit dem Geld das schöne Leben für alle auf Erden ermöglichen und nicht erst im Jenseits.
 
Andreas S.: 
Gehen Sie davon aus, dass Ihre Lieder jemals im Radio gespielt werden oder schlägt da die Zensur zu?

nicolas robert lang:
In Österreich gibt es glücklicherweise keine Zensur. Die Wahrscheinlichkeit, dass "Chardonnay" im Radio gespielt wird ist natürlich allerdings um einiges höher als bei "Rimini". Wenn das Eine jedoch zum Anderen führt und die leichtgängigen Lieder im Radio die Menschen zu meinen Konzerten treiben, dann hätt ich natürlich schon eine Freude.

Andreas S.: 
Unterhaltung ist per Definition eine kulturelle Aktivität mit dem Ziel, einem Publikum Freude zu bereiten – womit bereiten Sie Ihrem Publikum Freude?

nicolas robert lang:
Das müsste man wohl das Publikum fragen. Ehrlich gesagt: ich habe keine Ahnung. Es ist nicht unbedingt mein Anspruch dem Publikum Freude zu bereiten, aber wenn dem so ist, dann freue ich mich natürlich. 

Andreas S.: 
Naja, Freude zu definieren ist wohl auch eine Kunst - aber ich erfreue mich zum Beispiel an Ihren sehr kreativen Liedtexten wie u.a. aus Zyankali und Schmusen, da heißt es sehr makaber

"Du schaust nu auf de Mikrowöln,
wonns fertig is des wirst nimma hern. 
Bevor de Suppn aufgwamt is,
is es Zeit für di zum Sterben."

Ich bedanke mich für das Gespräch - und kündige hiermit noch einmal ihre zwei Konzerte zur Präsentation Ihres Debütalbums "Abendmahl südlich von Rimini" an - mit einem kleinen Vorgeschmackhttps://nicolaslang.at/spotify-abendmahl-suedlich-von-rimini/, nämlich dem Lied

Spotify — Abendmahl südlich von Rimini

"Zyankali und Schmusen" - das kann jetzt überall gestreamt werden! 
Zyankali und Schmusen: Bevor die Supp'n aufgwarmt is, ist es Zeit für dich zu sterben - eine Zeile aus dem Liebeslied Zyankali und Schmusen von nicolas robert lang - aber hören Sie selbst.

"Rimini":
Was libysche Hoheitsgewässer, der Tierschutzverein und Ihr Urlaub südlich von Rimini gemein haben können, hören Sie in Rimini von nicolas robert lang.

nicolas robert lang  am

TICKETS für 13. Oktober im OKH Vöcklabruck

und am

20. Oktober in der Sargfabrik Wien - TICKETS

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