Wahlärzte statt Kassenstelle
Aus für Kassenpraxis verunsichert Region um St. Georgen

- Gemeindearzt mit Kassenvertrag? Der über Jahrzehnte vertraute Name Eibl wird es in St. Georgen an der Gusen künftig nicht mehr sein.
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Ein unscheinbarer Aushang in der Ordination lässt seit wenigen Tagen die Wogen in St. Georgen an der Gusen hochgehen. Darin kündigt das Allgemeinmediziner-Paar Gudrun Eibl und Reinhard Schernthanner per Jahresende das Aus für seine Kassenarztpraxis an, die seit Jahrzehnten Fixpunkt in der medizinischen Versorgung der Bevölkerung ist. Eine Wahlarztordination soll ab 2026 folgen.
ST. GEORGEN/GUSEN. Es habe sich eine Anzahl an Gründen angesammelt, welche die Freude am Arztberuf verdorben und die mögliche Zuwendung für Patienten immer stärker reduziert hätten. Die Entscheidung für eine Wahlarztordination solle die Menschen und die für Patienten notwendige Zeit wieder ins Zentrum der Arbeit stellen, begründen Eibl und Schernthanner in einem Aushang bei der Ordination. Die Rahmenbedingungen, wie diese Ordination ab 2026 arbeiten wird - naturgemäß wohl mit geringerer Patientenzahl - wollen die beiden Ärzte "bis Jahresende erarbeiten und rechtzeitig bekanntgeben". Momentan möchte sich das Paar nicht weiter zum Thema äußern.
Herausfordernde Situation für Gemeinde
Bürgermeister Andreas Derntl hat von den Ärzten erfahren: Ihre Entscheidung liege nicht an den St. Georgenern, sondern an einem nicht mehr zeitgemäßen Kassensystem, das Quantität vor Qualität stelle und die Mediziner teils an ihre persönlichen Grenzen bringe. Bei Derntl stehen Telefon und WhatsApp nicht mehr still. Die Fragen besorgter Gemeindebürger häufen sich. Vor allem die Betreuung des gemeindeeigenen Seniorenheims "Agevita", wo naturgemäß ein hohes Patientenaufkommen herrscht, ist nun ein besonderes Sorgenkind.
Letzter Kassenarzt geht 2026 in Pension
Entspannung in der Versorgungssituation ist aktuell nicht in Sicht, im Gegenteil: Denn im kommenden Jahr geht mit Ala Amin auch der letzte verbliebene Kassenvertragsarzt in Pension. Für beide Ordinationen ist auf der Homepage der Ärztekammer OÖ bereits die Nachfolge ausgeschrieben. Und der vierte Allgemeinmediziner im Ort, Wahlarzt Helmhart Premstaller, ist bereits deutlich über 60 Jahre alt.
"Herzaubern können wir niemanden"
Man versuche als Gemeinde natürlich alles, um die ärztliche Versorgung zu sichern und sich als attraktiver Ordinations- und Wohnort für Ärzte zu präsentieren. "Aber man muss offen sagen, dass unsere Möglichkeiten begrenzt sind. Herzaubern können wir im herrschenden Ärztemangel niemanden. Wir appellieren dennoch an alle potenziell interessierten (Jung-)Mediziner, mit uns in Kontakt zu treten. Wo es realistische gemeinsame Möglichkeiten gibt, werden wir jede Unterstützung anbieten, die uns möglich ist", so Derntl.
Wir appellieren an alle potenziell interessierten (Jung-)Mediziner, mit uns in Kontakt zu treten. Wo es realistische gemeinsame Möglichkeiten gibt, werden wir jede Unterstützung anbieten, die uns möglich ist."
Bürgermeister Andreas Derntl
"Wir haben schon vor einigen Monaten grundsätzlich die Möglichkeiten für ein Primärversorgungszentrum, das in St. Georgen sicher auf großen Zuspruch stoßen würde, abgeklopft. Leider keine Chance, eine solche Gesundheitseinrichtung, in der neben mehreren Ärzten auch Pflege und Therapieberufe Hand in Hand arbeiten, in absehbarer Zeit hierher zu bekommen", berichtet Derntl.
Bald 7.000 Bürger ohne Kassenarzt?
Die Mediziner der Nachbargemeinden sind voll ausgelastet und nehmen aktuell keine zusätzlichen Patienten an. Berücksichtigt man das Faktum, dass der Nachbarort Langenstein ebenfalls schon seit Jahren vergebens auf der Suche nach einem Gemeindearzt-Nachfolger ist, könnte es also für rund 7.000 Menschen bald keinen einzigen Praktiker mit Kassenvertrag mehr geben. Was also tun, wenn man bei keinem Kassen- oder Wahlarzt unterkommt? Das beschäftigt nicht nur Ältere und chronisch Kranke.
Was bringt die Zukunft?
Neben dem finanziellen Aspekt stellen sich auch ganz praktische Probleme. Wie und von wem bekomme ich etwa künftig eine Krankmeldung? Woher eine Impfung, ein Rezept oder eine Überweisung? Gibt es dann überhaupt noch Hausbesuche für Bettlägerige? Landen zwangsläufig noch mehr Menschen mangels Hausarzt-Begutachtung in Spitalsambulanzen, wo sie eigentlich nicht hingehören? Was bedeutet das für das Fahrtenaufkommen im Rettungsdienst oder für die Zusammenarbeit mit der Apotheke? All diese Fragen werden sich wohl spätestens 2026 in der Praxis stellen.




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