Helfer appellieren an Weiterbestand
Flüchtlingshaus Langenstein schließt nach drei Jahrzehnten

- Kein Schlussstrich: Über Jahrzehnte war dieses Tor zum Flüchtlingshaus Eingang zu Schutz und Menschlichkeit. Das soll so bleiben, appellieren die Helfer Leopoldine Haslhofer, das Ehepaar Bindreiter, Reinhard Kaspar und Monika Weilguni (v.l.).
- Foto: Reinhard Kaspar
- hochgeladen von Eckhart Herbe
Als Flüchtlingsunterkunft hat das ehemalige Gasthaus Bindreiter in Langenstein lange Tradition. Bereits in den 1980ern bot es Schutz. Nun wird es nach mehr als drei Jahrzehnten geschlossen. Die partei- und organisationsübergreifende Flüchtlingshelferplattform "für mich und du“ appelliert zum Welttag der Menschenrechte am 10. Dezember in einer eindringlichen Botschaft, das Flüchtlingshaus weiter in seinem humanitären Zweck, etwa für minderjährige Flüchtlinge aus dem griechischen Moria, zu erhalten.
LANGENSTEIN. Waren es in den 1980iger Jahren Menschen aus Polen, so suchten während des Bosnienkrieges ab 1992 Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien Schutz und Zuflucht. Seit dem Jahr 2004 besteht hier ein Wohnprojekt der Volkshilfe für Asylwerbende. Während der Flüchtlingskrise 2015/16 lebten hier mehr als 50 Schutzsuchende. Aktuell sind zwölf Erwachsene und zwei Kinder untergebracht.
Das Haus hat unzählige Nationalitäten gesehen: Menschen aus Tschetschenien, Syrien, Iran, Irak, Jemen, Afghanistan, Somalia, Nigeria, Eritrea, Sudan, Burundi, Gambia, Ruanda, Armenien und Russland wurden und werden hier betreut. Zeitweise lebten gleichzeitig 12 verschiedene Nationen friedlich unter einem Dach. Dass es in den 1990iger Jahren in der "Vor-Handyzeit" keine Telefone gab, Internet lange verboten war, Fernseher und Kabel TV-Boxen nur durch Spenden möglich wurden, ist heute kaum mehr vorstellbar.
Durch Kooperation viel erreicht
"Das aktive Miteinander von Haupt- und Ehrenamtlichen und den Flüchtlingen macht dieses Haus so besonders", so der zentrale Tenor. Die Helfer organisieren Deutschkurse und -bücher, Sprachcafés und Gitarrenkurse sorgen für Abwechslung und Kontakte. Freiwillige lernen mit Kindern, die die Volksschule Langenstein oder die NMS Mauthausen besuchen. Auch Kochen verbindet. So sind die exotischen Mehlspeisen im "Asylwerber-Hof" bei Straßenfesten und Adventmärkten stets gefragt. Auch Fahrräder wurden organisiert und repariert, Wanderungen, Film- und Grillabende sowie ein alljährlicher Busausflug von Betreuten und Betreuten bauten oft tiefe zwischen menschliche Beziehungen auf. „Ein kleiner Junge hat vor zwölf Jahren mein Herz erobert. Das war der Beginn meiner ehrenamtlichen Arbeit im Asylheim in Langenstein und beim Verein für mich und du" , erzählt die Freiwillige Leopoldine Haslhofer.
Einbindung beschleunigte Integration
Das Projekt in Langenstein illustriert Sinn und Nutzen aktiver Einbindung von Asylwerbern ins Ortsleben anstatt deren Kasernierung in Großunterkünften. Beim Hochwasser im Jahr 2013 sprangen sie als Helfer ein, ebenso bei der jährlichen Flurreinigung. Auch Minijobs für die Gemeinde und ehrenamtliche Arbeit in der Pfarre sorgen für Kommunikation und reduzieren Konflikte. Einige Burschen dockten als Fußballtalente beim ATSV Langenstein an. Über die Jahre summierte sich eine Vielzahl emotionaler Momente. "Über positive Asylbescheide haben wir uns gemeinsam gefreut, zynisch formulierte negative Bescheide, traurige und unverständliche Abschiebungen erschütterten uns. Besonders bitter erlebten wir in aussichtslosen Situationen die Weiterflucht Einzelner bei Nacht und Nebel in andere europäische Länder. So manche freiwillige Rückkehr war der Perspektivenlosigkeit geschuldet und mehr oder weniger erzwungen", schildern die Helferinnen und Helfer von "für mich und du".
Viele Erfolgsgeschichten
Umso mehr motivieren die Erfolge: Junge Männer, Ehepaare und zahlreiche Familien gestalten mit gültigem Aufenthaltstitel ihr Leben in verschiedensten Orten in Österreich. Sie absolvieren Ausbildungen, arbeiten in Mangelberufen oder sind selbständig, zahlen Steuern. Sie sind angekommen, viele von Fremden zu Freunden geworden. "Diese Erfolgsgeschichten gelungener Integration haben in all den Jahren Mut gemacht und uns im freiwilligen Engagement bestärkt", so Aktiven der Flüchtlingsplattform.Sie danken allen, die in Langenstein auf verschiedenste Art zum guten Miteinandert beigetragen haben.
Apell für Weiterbestand des Flüchtlingshauses
Dass das Haus nun geschlossen wird, sorgt für gemischte Gefühle. "Wir verschweigen manche schwierige Situation in den letzten Jahren nicht. Genauso wenig verschließen wir die Augen vor den gegenwärtigen Herausforderungen durch Corona. Dennoch setzen wir uns für die Aufnahme einer überschaubaren Zahl geflüchteter Menschen in Österreich, in der Pfarre St. Georgen, in Langenstein ein" sind sich Vereinsobmann Reinhard Kaspar und seine Stellvertreterin Monika Weilguni einig. "Wir denken zu Advent und Weihnachten an die Herbergssuche. Wie viel schlimmer als der Stall zu Betlehem, den wir als Symbol für Armut und Ablehnung Hilfesuchender deuten, sind die aktuellen griechischen Lager? Wo Menschen erfrieren, Babys nur in Fetzen gewickelt sind und der Wind durch Sommerzelte pfeift? Es ist eine Frage der Nächstenliebe!"



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