Seltener Gartengast
Prächtiger Besucher: Hirschkäfer könnte vom Klimawandel profitieren.
St. Georgen/G. Die Drohgeste des tierischen Besuchers war eindeutig: Sein Entdecker, der Hauskater Jimmy, trat lieber den Rückzug an und machte dadurch seine menschliche Regionautenfamilie auf einen Sensationsgast auf der Gartenterrasse aufmerksam, den fast jeder kennt, aber kaum jemand schon in natura gesehen hat: einen prächtigen, über acht Zentimeter großen Hirschkäfermann.
Möglicherweise war eine alte Eiche, gleich hinter dem Haus seine Kinderstube. Der Hirschkäfer ist der größte Käfer Europas. Männchen werden bis 90mm, Weibchen mit deutlich kleineren Zangen bis 50mm groß. Die Tiere entwickeln sich in altem Eichenholz, selten auch in Rotbuchen und brauchen dazu fünf bis acht Jahre. Sie schwärmen von Mitte Juni bis Ende Juli an lauen Abenden mit lautem Brummen in Laubwäldern herum und lieben besonders Eichen. Die Larven erreichen 100mm Länge, im Puppenstadium sogar Faustgröße. Die Käfer ernähren sich von Baumsäften, welche Eichen nach kleineren Rindenverletzungen jahrelang absondern und ohne die sich die Käfer auch nicht vermehren können. Mit den riesigen, 30mm langen Oberkiefern nehmen die Männchen übrigens keine Nahrung auf, sie werden bei Rivalenkämpfen und zum Festhalten der Weibchen während der Paarung gebraucht.
Großer Brummer mit kleiner Population
Auf das für Insekten ungeheuer lange Leben von über acht Jahren und ihre Schönheit, aber auch ihre Bedrohung wurde mit der internationalen Wahl zum Insekt des Jahres 2012 hingewiesen. Hirschkäfer stehen in vielen Ländern auf der Roten Liste. Die Experten des Nationalparkzentrums Donauauen und des Österreichischen Naturschutzbundes haben eine interessante Beobachtung gemacht: Die Rodung alter Flurbäume und intensive Waldwirtschaft ohne Totholzstämme haben den Hirschkäfer über Jahrzehnte zurückgedrängt und zum Auftreten zwergiger Exemplare – auch „Rehkäfer“ genannt - ohne die großen geweihförmigen Mundwerkzeuge geführt. Tiere, die während ihrer Larvenzeit weniger Futter vorfanden, sind als Erwachsene kleiner und haben ein kleineres Geweih.
Klimawandel bietet Comeback-Chance
"Möglicherweise begünstigt nun ausgerechnet der Klimawandel ihre Rückkehr. Mit den wärmetoleranteren Eichen, die immer öfter in neu angelegten Mischwäldern anstatt Fichtenmonokulturen wachsen, wird neuer Lebensraum für die schönen und für die Bäume völlig unschädlichen Käfer geschaffen", hoffen die Experten. Effekte wird man allerdings frühestens in 10 bis 15 Jahren merken, denn mit bis zu acht Jahren Entwicklungszeit verbringen Hirschkäfer 95% ihres Lebens unsichtbar als Larven. Umso wichtiger wäre es, alte Bäume und Totholz wo vertretbar als ihre Kinderstube zu belassen.
Naturschutz mit wenig Aufwand
Viel können auch naturverbundene Gartenbesitzer beitragen, wie auch der Garten des St. Georgener Regionauten zeigt: Einige "wilde" Ecken reichten und faszinierende Hirschkäfer und Moschusböcke, die riesige blaue Holzbiene und der prächtige Segelfalter - allesamt unter Naturschutz stehend - haben sich seit dem Frühling bereits ein Stelldichein gegeben.
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