„Ich brauche nicht sechs Schnitzel am Tag“
Josef Scheinast setzt in seiner Tischlerei nicht auf Gewinnmaximierung, sonde rn auf regionales Wirtschaften und betrachtet Zeit als Teil seines Einkommens
Mit einem zwischen 100.000 und 200.000 Euro schwankenden Jahresumsatz mache er monetär betrachtet ein „eigentlich erbärmliches“ Geschäft, aber: „Mein Wohlstandsstreben orientiert sich nicht an Umsatzzahlen, sondern daran, ob ich Zeit habe, für die Menschen und Dinge, die mir wichtig sind“, sagt Tischler und Sprecher der Grünen Wirtschaft, Josef Scheinast im Stadtblatt-Gespräch.
STADTBLATT: Auf Ihrer Homepage habe ich gelesen, dass Sie überwiegend heimisches Holz für Ihre Produktion verwenden.
JOSEF SCHEINAST: „Ja, das stimmt. Obwohl: Manchmal verwende ich Kirsche aus den USA, weil die dunkler und gerader ist als die heimische Kirsche. Aber ansonsten ist es österreichisches Holz, das bei mir verwendet wird – zumindest hoffe ich das.“
STADTBLATT: Wissen Sie das nicht?
JOSEF SCHEINAST: „Das wird einem leider sehr schwer gemacht. Bei jedem Schnitzel, das ich kaufe, steht ein Herkunftsnachweis drauf. Bei Holzbrettern aber leider nicht. Obwohl ich das schon angeregt habe – aber außer mir hat sich leider keiner dafür interessiert. Das heißt, ich muss meinen Lieferanten und den Sägewerken glauben, wenn sie mir sagen: ‚Das kommt aus Österreich.‘“
STADTBLATT: Aber es gibt doch ein Nachhaltigkeitszertifikat für Holz und Holzprodukte, das FSC.
JOSEF SCHEINAST: „Stimmt – das bestätigt die ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit der Produktion – über die Herkunft des Holzes sagt das aber gar nichts aus. Bei den Lieferanten werden die Hölzer ja nach Länge und anderen Parametern sortiert. Da liegt dann eine Lärche aus dem Lungau vielleicht direkt neben einer Lärche aus Sibirien. Ich bin ein Mensch, der regionalwirtschaftlich denkt und ich finde es unsinnig, wenn das Holz so einen weiten Weg zurücklegt – denn der CO2-Rucksack wird damit natürlich immer größer. Wie groß er dann wirklich ist, weiß man aber schon wieder nicht mehr, weil ja nicht klar ist, woher das Holz genau kommt. Überhaupt wünsche ich mir eine Art grüne Kennziffer, die die soziale, ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit – und da gehören natürlich auch die Transportwege dazu – miteinbezieht. Ich bin gespannt, ob wir das einmal bekommen.“
STADTBLATT: Wie äußert sich Ihr Bekenntnis zur Regionalwirtschaft und Nachhaltigkeit sonst noch?
JOSEF SCHEINAST: „Ich beziehe Ökostrom – natürlich. Mir gefällt die Idee von Wolfgang Peters Almschnecke (ein Kleinstkraftwerk an der Salzachböschung in der Salzburger Altstadt, gespeist aus dem Wasser der Alm, Anm.) und deshalb widme ich meinen Ökostrombeitrag diesem Projekt. Ich weiß aber schon, dass der Strom, der aus meiner Steckdose kommt, eine Mischung aus allen Stromvarianten ist, nicht einmal der Atomstrom lässt sich herausfiltern. Deshalb sage ich ja: Es wird einem schon sehr schwer gemacht.“
STADTBLATT: Was heißt denn Regionalwirtschaft für Sie?
JOSEF SCHEINAST: „Ich glaube die Idee der Regionalwirtschaft gehört einmal übersetzt, weil das viele nicht verstehen. Oft kommen Eltern zu mir und fragen, ob ihr Kind bei mir eine Lehre machen kann. Wenn ich dann frage, ob sie überhaupt schon einmal Möbel bei einem Tischler gekauft haben, dann schaue ich in lange Gesichter. Darum geht es aber und eigentlich müssten diese Eltern ihre Kinder dort in die Lehre schicken, wo ihre Möbel herkommen – und das könnte Usbekistan, Kasachstan oder Taiwan sein. Billige Massenware zu kaufen ist irrsinnig leicht, aber es ist halt auch problematisch. Weil wir wollen ja die Arbeitsplätze und das Steueraufkommen hier haben – aber das gibt‘s dann nicht.“
STADTBLATT: Wo stößt das regionalwirtschaftliche Denken an seine Grenzen?
JOSEF SCHEINAST: „Meine Vorstellung der kurzen Wege wird durch das Verhalten meiner Lieferanten konterkariert: Die Eisen- und Holzhändler aus der Stadt Salzburg sind alle weg. Und das ist das Problem: Je mehr sich ausklinken, desto schwieriger wird es.“
STADTBLATT: Sie haben gesagt, Ihr 100.000 bis 200.000 Euro-Jahresumsatz sei „eigentlich erbärmlich“, trotzdem sind Sie sehr zufrieden.
JOSEF SCHEINAST: „Ich bin vor 20 Jahren nicht selbstständig geworden um möglichst viel zu verdienen, sondern um eigenverantwortlich zu arbeiten und um Lebensqualität zu haben. Das heißt für mich: Ich versuche, nicht mehr als 40 Wochenstunden zu arbeiten und habe dafür Zeit für die Menschen und die Dinge, die mir wichtig sind.“
STADTBLATT: Aber dafür verzichten Sie auf einen höheren Gewinn.
JOSEF SCHEINAST: „Ich bin überzeugt davon, dass alle meine Tischlerkollegen mehr verdienen als ich, aber es geht ja nur darum, genug zu haben. Ich kaufe mir zum Beispiel nur alle zwölf Jahre ein neues Auto – da spare ich mir schon viel Geld. Meine Heizkosten belaufen sich auf nur einen Euro pro Quadratmeter und Jahr – und das bei 400 Quadratmetern. Und wenn ich schon fünf Schnitzel gegessen habe, dann mag ich das sechste ja gar nicht mehr. Und: Ich habe Zeit für meine Familie, ich weiß, wie die Freunde meiner Kinder heißen. Wenn ich meine Kollegen nach so etwas frage, sagen sie: ‚Das ist sich nicht mehr ausgegangen.‘“
STADTBLATT: Ihre Werkstatt liegt direkt am Kapuzinerberg, das halbe Jahr über haben Sie hier Schatten – und da kommen Sie mit einem Euro Heizkosten pro Quadratmeter aus?
JOSEF SCHEINAST: „Ja. Ich habe alles gut gedämmt, die Fenster und Türen erneuert – und ich heize gegen schwere Widerstände mit Holz.“
TADTBLATT: Wieso gegen schwere Widerstände?
JOSEF SCHEINAST: „Die Behörde hat mir eine Gasheizung vorgeschrieben, weil die gedacht haben, ich würde hier sonst lauter Spanplatten verheizen. Aber ich verwende ja überhaupt keine Spanplatten, sondern nur Massivholz. Jedenfalls habe ich fünf Jahre lang eine Gasheizung haben müssen, aber ich habe sie nie eingebaut. Zu Beginn haben wir mit Einzelöfen geheizt und halt ab und zu gebibbert. Aber seit fast 15 Jahren habe ich jetzt eine Zentralholzheizung. Da verbrennen wir unsere zu Briketts gepressten Sägespäne und Holzabfälle – das zusätzlich notwendige Heizholz kommt vom Kapuzinerberg.“
STADTBLATT: Unter den rund 60 Tischlereibetrieben in der Stadt sind Sie ein Exot – auch deshalb, weil Sie Ihren Betrieb nicht geerbt haben, sondern erst über Umwege zum Handwerk gekommen sind.
JOSEF SCHEINAST: „Ja. Ich habe zuerst zu studieren begonnen: Geschichte und Geografie – aber dabei habe ich in einem hohen Ausmaß Irrelevanz verspürt. Da schreibst du eine Arbeit über die Verhandlungen über das einst britische Protektorat Palästina, gibst 60 Seiten ab – und dann kritisiert dein Professor die Zitierweise, da geht es noch nicht einmal darum, was du da geschrieben hast. Das ist ganz etwas anderes, als einen Tisch zu produzieren. Dinge zu machen, die man angreifen kann, hat da für mich Relevanz. Ich habe übrigens einen Lehrling – der ist nach zwei Semestern Publizistik zu mir gestoßen. Und mein bester Mitarbeiter ist ausgebildeter Germanist und Lektor.“
Interview: St. Osman-Schenker
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