Hausarzt vor 100 Jahren
Behandlungen wurden oft mit Naturalien bezahlt
BEZIRK SCHÄRDING, KOPFING. Ein Blick zurück zeigt: Nicht erst heute kämpfen ländliche Bezirke wie Schärding mit Ärztemangel. Schon vor 100 Jahren taten sich die Gemeinden in der Region schwer, einen Hausarzt zu finden – dies ist in verschiedenen Chroniken nachzulesen. Gemeinden ohne ortseigenen Arzt wurden von Medizinern aus Nachbarkommunen mitversorgt. Diese hielten einmal die Woche oder auch seltener Ordinationsbesuche ab. "Nach Kopfing kam 1919 etwa einmal wöchentlich der Arzt aus Engelhartszell, Dr. Recheis, mit seinem Schimmel zur Praxis in der Kaserne beim Kirchenwirtshaus geritten", erinnert sich Josef Ruhland, Verfasser der Kopfinger Chronik.
Hühner oder Brennholz als Entlohnung
Der Grund, weshalb sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts kaum junge Mediziner fanden, die eine Landpraxis eröffnen wollten, ist einfach: Das Leben als Landarzt war hart und entbehrlich. Die Menschen wie auch die Gemeinden hatten, sowohl in der Zwischenkriegs- als auch während und nach dem Zweiten Weltkrieg, wenig Geld und konnten Behandlungen oft nicht zahlen. Nicht selten erhielt der Arzt als Entlohnung Naturalien – Lebensmittel, aber auch Brennstoff oder Futter fürs Pferd.
"Rudolf Weissensteiner, der von 1924 bis 1957 als Gemeindearzt in Kopfing arbeitete, erhielt bei seiner Besetzung etwa eine kostenlose Wohnung, 15 Kubikmeter Brennholz und inflationsbedingt 800.000 Kronen Wartegeld im Jahr", erzählt Ruhland. Mittellose Gemeindebürger konnten dem Arzt aber oft gar nichts geben. Behandeln musste er sie trotzdem, denn "dies war gesetzlich verpflichtend", so der Kopfinger Chronist.
Vor diesem Hintergrund ist zu verstehen, dass der Kopfinger Gemeindearzt Weissensteiner bereits zwei Jahre nach seiner Bestellung zum Ehrenbürger ernannt wurde.
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.