Strategien gegen Patientenflut
Schärdinger Ärzte setzen auf Zusammenarbeit
BEZIRK SCHÄRDING. "Es gibt keinen Tag unter 150 Patienten, oftmals sind's auch mehr", beschreibt die Schärdinger Allgemeinmedizinerin Ursula Hammel die Situation in ihrer Praxis. Ähnlich sieht's in anderen Ordinationen im Bezirk Schärding aus. "Im Schnitt sind's zwischen 130 und 150. In der kälteren Jahreszeit können es auch schon mal 190 werden", erklärt der Raaber Hausarzt Wolfgang Ulrich. Die Patientenzahlen seien vor allem durch die Pensionierungen von Kollegen im Laufe der letzten Jahre stark angestiegen. Da viele keinen Nachfolger finden konnten, haben die verbliebenen Ärzte die Patienten übernommen.
Hausbesuche seien deshalb vielfach nur mehr eingeschränkt möglich oder fallen ganz aus. Dennoch bieten manche Allgemeinmediziner, trotz Zeitmangel, nach wie vor diesen Service an. "Natürlich mache ich noch Hausbesuche", meint etwa Ulbrich, "ein Hausarzt zu sein ohne Hausbesuche zu machen, wäre ja als ginge man auf eine Hochzeit auf der keine Musik spielt."
Gruppenpraxen als Rettungsanker
Um der Patientenflut Herr zu werden, haben sich sowohl Hammel als auch Ulbrich dazu entschieden, eine Gruppenpraxis zu gründen. Hammel führt ihre seit Sommer 2018 zusammen mit Sandra Pöttler-Huemer sowie Dauervertretung Helga Truschner, Ulbrich feierte im Jänner 2019 mit Karoline Riedler die Eröffnung seiner Gruppenordination. "Die Gründung war für mich in erster Linie ein Rettungsanker", gibt Hammel zu. Und auch Ulbrich will sich dem Mehr an Patienten nicht mehr alleine stellen. Eine Kollegin im Haus zu haben hätte außerdem den Vorteil, sich bei Unklarheiten austauschen zu können.
Und auch andere Hausärzte aus dem Bezirk Schärding setzen zunehmend auf Zusammenarbeit. Neben 27 Einzelpraxen gibt es mittlerweile auch fünf Gruppenpraxen, und auch in anderen Konstellationen arbeiten die insgesamt 37 Allgemeinmediziner im Bezirk (Kassen- und Wahlärzte) mit Kollegen zusammen.
Modell der Erweiterten Vertretung
Doch die Pensionierungswelle rollt erst so richtig an. "Ein Drittel der Hausärzte im Bezirk Schärding ist bereits über 60, das betrifft immerhin acht Ordinationen", sagt Hammel. Und Nachfolger fänden sich schwer bis gar nicht.
Um die ärztliche Versorgung dauerhaft zu sichern, haben die Ärztekammer Oberösterreich und die OÖ Gebietskrankenkasse das Modell der "erweiterten Vertretung" geschaffen. Es ermöglicht Vertretungsärzten nun gleichzeitig mit dem Kassenarzt zu arbeiten. Oder als Dauervertretung über längere Zeit an einem fixen Wochentag in der Ordination zu praktizieren. Dies war bislang vertragswidrig. Denn eine Vertretung war nur in Ausnahmefällen wie Urlaub oder Krankheit über einen längeren Zeitraum erlaubt. "Nun ist eine Vertretung auch zulässig, wenn zum Beispiel schlichtweg ein Mehrbedarf besteht, weil Kassenstellen unbesetzt sind und die Patienten ohne Arzt in der Luft hängen," freut sich die Bezirksärztesprecherin, dass endlich eine recht unkomplizierte und rasch umsetzbare Variante der Zusammenarbeit von Ärzten möglich sei.
Die Ärztekammer sieht im Modell der "Erweiterten Vertretung" ein Zukunftsmodell. Denn es bringe eine Win-Win-Situation für Patienten wie Ärzte: Längere Öffnungszeiten und kürzere Wartezeiten auf der einen Seite, eine deutliche Entlastung für die Ärzteschaft auf der anderen Seite.
Da das Modell erst seit vier Wochen genutzt werden kann, gibt es aus dem Bezirk Schärding aktuell noch keine Anträge.
Die große Unbekannte: Kassenfusion
Ein Abbau der bürokratischen Hürden wird von den Hausärzten begrüßt. Denn gerade der sei es, meint Ulbrich, der viele junge Ärzte abschreckt aufs Land zu ziehen. Um etwa eine Gruppenpraxis zu eröffnen, brauche es ein ganzes Jahr Vorlaufzeit, weiß Hammel.
Trotz der Bemühungen der Kassen und der Ärztekammer auf Entbürokratisierung, blicken die Allgemeinmediziner im Bezirk Schärding verunsichert in die Zukunft. Die große Unbekannte, die aktuell im Raum steht, lautet: Kassenfusion. "Denn keiner weiß wie die Situation dann nach der Fusion aussieht", bringt es Ulbrich auf den Punkt.
Dies bestätigt auch Thomas Fiedler, 2. Vizepräsident der Ärztekammer für Oberösterreich und Kurienobmann der Niedergelassenen Ärzte: "In Wien wird man nicht spüren, wenn in Schärding der Schuh drückt. Soll heißen: Eine bundesweite Organisation wird wahrscheinlich nicht in dem Maß auf die örtlichen Gegebenheiten eingehen können, wie eine landesweite." Ob also Best-Practice-Modelle wie jenes der "Erweiterten Vertretung" nach der Kassenfusion bestehen bleiben können, bleibe abzuwarten.
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