Interview
Die Verlassenschaft fehlerfrei abwickeln

 Mag. Amelie Kunczicky ist Expertin in Sachen Verlassenschaft. www.kunczicky.at | Foto: privat
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Streitigkeiten lassen sich im Vorfeld durch sinnvolle und richtige Gestaltung der Nachfolgeregelung – Vererbung oder auch Schenkung zu Lebzeiten – vermeiden. Seit dem Erbrechtsänderungsgesetz 2015, das am 1. Jänner 2017 in Kraft trat, erfolgte in Österreich die größte Reform des Erbrechts seit 200 Jahren.

ZELL a. Z. (red). Sie brachte nicht nur eine sprachliche Modernisierung, sondern vereinfachte auch allzu komplizierte Regelungen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Pflichtteilsrecht. Im Gespräch mit der REGIONALMEDIEN-Redaktion Schwaz erklärt Rechtsanwältin Maga. Amelie Kunczicky worauf es zu achten gilt.

RMT Schwaz: Seit der Gesetzesnovelle im Jahr 2017 hat sich bei Nachfolgeregelungen einiges geändert. Was hat Gültigkeit bzw. worauf muss besonders Wert gelegte werden? 
KUNCZICKY: Die Gültigkeit eines Testaments unterliegt zwingenden Formvorschriften. Seit dem Jahr 2017 gelten insgesamt strengere Formvorschriften für Testamente, die unbedingt zu beachten sind. Gerade beim fremdhändigen, beispielsweise am Computer geschriebenen Testament, kommt es zu häufigen Fehlern, die zur Ungültigkeit des Testaments und damit zum Eintritt der gesetzlichen Erbfolgeregelungen führen. Gerne übersehen wird die zwingende Anwesenheit von Zeugen bei der Errichtung des fremdhändigen Testaments. Bei einem anderen Beispiel sah der Oberste Gerichtshof bei einer bloßen fortlaufenden Absatznummerierung eines Texts die geforderte Urkundeneinheit nicht als gegeben an. Das vermeintliche Testament war ungültig. Die gesetzliche Erbfolge trat ein.

RMT SCHWAZ: Wo liegen ihrer Erfahrung nach die Fehlerquellen? Was kann man tun um diese zu vermeiden?
KUNCZICKY: Häufige Fehlerquellen bei Testamenten betreffen das Pflichtteilsrecht. Das Pflichtteilsrecht ordnet an, dass bestimmte nahe Angehörige, die Ehegattin oder die eingetragene Partnerin jedenfalls einen Teil des Wertes des Vermögens - eine Quote ihres gesetzlichen Erbteils – erhalten sollen. Eine unangenehme Situation für die Hinterbliebenen ist es beispielsweise, wenn die Existenz eines Pflichtteilsberechtigten übersehen worden ist. Denken Sie an uneheliche oder überhaupt verschwiegene Kinder.

RMT SCHWAZ: Wenn zwischen dem Erblasser und den Hinterbliebenen ein schlechtes Verhältnis besteht, gibt es auch die Möglichkeit den Pflichtteil zu mindern. Wie wird hierbei vorgegangen? 
KUNCZICKY: Ein weit verbreitetes Wissen besteht über die Möglichkeit, den Pflichtteil unter Umständen auf die Hälfte zu mindern, sofern die Voraussetzungen dafür vorliegen. Wir sprechen von einer Pflichtteilsminderung. Mit einem Testament kann verfügt werden, den Pflichtteil auf die Hälfte zu mindern, wenn zwischen der Verstorbenen und der Pflichtteilsberechtigten zu keiner Zeit oder zumindest über einen längeren Zeitraum kein Naheverhältnis bestand, wie es zwischen Familienangehörigen und Ehegatten/eingetragenen Partnern gewöhnlich besteht. Insbesondere bei einer gewünschten Pflichtteilsminderung gilt es, das vom juristischen Laien selbst verfasste Testament zu vermeiden. Erst dieses Jahr hat der Oberste Gerichtshof in einer vielbeachteten Entscheidung überraschend dargelegt, dass in dem konkreten Fall die rechtliche – nicht die leibliche Tochter (!) – trotz fehlenden Kontakts den vollen Pflichtteil erhalten soll. Der Erblasser äußerte sich, dass er sein eigenes Leben habe und keinen Platz für seine Kinder, die für ihn wie Fremde seien; er erklärte „solle sich schleichen“. Begründet wird die Entscheidung – unter anderem – damit, dass in Fällen, in denen ein Elternteil grundlos keinen Kontakt zum Kind pflegt, die Gesetzgebung eine Ausnahme eingebaut hat. So ein Verhalten soll nicht belohnt werden.

RMT SCHWAZ: Die Erbfolgeplanung ist als sehr wichtig um Streitereien zu vermeiden. Welche Einschränkungen müssen auch vonseiten des Erblassers beachtet werden?
KUNCZICKY: Sie sehen, dass bei der Erbfolgeplanung dem Pflichtteilsrecht eine wesentliche Bedeutung zukommt, denn es setzt der Testierfreiheit (das Recht des Erblassers, ohne Grund von der gesetzlich geregelten Erbfolge abzuweichen und selbst Verfügungen von Todes wegen über sein Vermögen zu treffen - Anm. der Red.) Grenzen. Das Pflichtteilsrecht sichert also einem gewissen Personenkreis einen Anteil am Vermögen der Verstorbenen. Zu beachten ist bitte, dass aufgrund dieses Sicherungsanspruches alle ihrerseits gemachten Schenkungen zu Lebzeiten an ebendiesen Personenkreis unbefristet (!) einzuschließen sind. Nicht selten streiten Erben mehr über das zu Lebzeiten bereits verteilte Vermögen als über das in der Verlassenschaft noch vorhandene. Im Jahr 2019 stellte sich der Oberste Gerichtshof unter anderem einer Rechtsfrage, die gerade in Patchworkfamilien zum Konflikt führen kann. Zu welchem Zeitpunkt hat die Ehe einer Beschenkten zu bestehen, damit von einer Zuwendung an einer Pflichtteilsberechtigten gesprochen werden kann? Schon bei der Schenkung, erst zum Todestag oder zu beiden Zeitpunkten? Der Oberste Gerichtshof entschied sich in dieser weitreichenden Entscheidung dafür, dass die Angehörigeneigenschaft der Ehepartnerin zu zwei Zeitpunkten vorzuliegen hat. Beim Zeitpunkt der Schenkung und der des Todes. Somit erhöhte die Schenkung an die nunmehrige Ex-Frau nicht den Pflichtteilsanspruch des Sohnes.

RMT SCHWAZ: Beim Erben geht es immer auch um Liegenschaften. Hat sich in diesem Zusammenhang seit der Gesetzesnovelle vieles verändert? 
KUNCZICKY: Durch die Neugestaltung der Schenkungsanrechnung zielt das neue Erbrecht verstärkt auf eine Gleichbehandlung aller Erbinnen und Pflichtteilsberechtigen ab. Für die praktische Umsetzung dieser Gleichbehandlung ist es von großer Bedeutung, zu welchem Stichtag die Bewertung der jeweiligen Schenkung erfolgen soll. Gerade bei Schenkungen von Liegenschaften führen unterschiedliche Bewertungsstichtage zu wesentlichen Bewertungsunterschieden. Das neue Erbrecht entscheidet sich für den Ansatz, der am ehesten dem typischen Willen der Verstorbenen entspricht. Danach werden Schenkungen zu dem Bewertungsstichtag bewertet, zu dem die Schenkung wirklich gemacht wird. Dieser Wert wird nach dem Verbraucherindex auf den Zeitpunkt des Erbanfalls aufgewertet. Das Wissen um den Bewertungsstichtag einer Liegenschaft im erbrechtlichen Kontext ist bei der Wahl nach dem Timing der Vermögensübertragung mitzudenken.

RMT SCHWAZ: Welche Ratschläge hätten Sie um Fehler gleich zu Beginn zu vermeiden und Streitereien vorzubeugen? 
KUNCZICKY: Eine ausgewogene letztwillige Verfügung bedeutet nicht, dass alle Angehörigen und die Ehepartnerin schematisch gleichgestellt werden müssen. Aber unverständliche Ungleichbehandlungen sollten vermieden werden. Ziel sollte es sein, bei allen Angehörigen Verständnis für die Erbaufteilung zu erreichen und deren Vorstellungen, wenn möglich, zu berücksichtigen. Unklarheiten und rechtliche Irrtümer in den Verträgen und im Testament selber gilt es zu vermeiden. Bedienen Sie sich bei der Beratung einer Rechtsanwältin, die Erfahrung aus dem streitigen Gerichtsalltag mitbringt. Last, but not least überlegen Sie sich, ein bereits errichtetes Testament von Zeit zu Zeit zu aktualisieren. Die Verhältnisse können sich verändert haben, ebenso die Bedürfnisse jener Personen, die Sie bedenken wollen.

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