Agrargemeinschaften Agrarunrecht, was ist und bedeutet das und worum geht es ?

LAg Dr Andreas Brugger bei seinem Referat in Strass i.Z.
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Am 5.Juni 2014 hat die im Tiroler Landtag mit 2 Mandaten vertretene „Liste Fritz“ im Rahmen ihrer Bezirksbesuche zu einem Vortrag in Sachen Agrargemeinschaften in’s Cafe Zillertal nach Strass i.Z. geladen. Dazu konnte Mag Markus Sint, Leiter der fritzmedienservice & kommunikation neben vielen interessierten Zuhörern(Innen) den Abgeordneten Dr Andreas Brugger begrüßen und willkommen heißen, der sich seit Jahren mit dem in fast allen Tiroler Medien viel zitierten Agrargemeinschaftsrecht befasst. Dr Brugger hat, wie Markus Sint betonte, das richtungsweisende Urteil des Verfassungsgerichtshofes in Sachen Agrargemeinschaften „erkämpft“, hat viele Gemeinden anwaltlich bei den Agrargemeinschaftsverhandlungen vertreten und ist seither vor allem bemüht, ein Rückübertragungsrecht im Tiroler Landtag herbeizuführen.
Worum geht es beim Agrarunrecht ?
Den Tiroler Gemeinden ist ihr Gemeindeeigentum (Grund und Boden) genommen und an Agrargemeinschaften verschoben worden. Laut Höchstgerichtserkenntnis des Verfassungsgerichtshofes unrechtmäßig ! Jene Flächen, die den Gemeinden geblieben sind, werden heute von Agrargemeinschaften verwaltet, die zumeist auch alle Einnahmen aus diesen Flächen kassieren, so Dr Brugger. Und wer ist denn schuld daran ? ÖVP Bauernbund-Funktionäre haben Anträge zur Grundverschiebung gestellt, die Landesbehörden und Politiker der Tiroler Volkspartei haben die Verschiebung von Grund und Boden durchgeführt. Die ÖVP Bürgermeister haben sich meistens nicht dagegen gewehrt, erklärt Dr Brugger.
Begonnen haben diese Grundstückverschiebungen (= Grund und Boden von den Gemeinden weg und zu den Agrargemeinschaften hin) im großen Stil in Osttirol während der Nazi Diktatur zwischen 1938 und 1945 und ab dem Jahr 1948 seien sie in Nordtirol systematisch fortgeführt worden.
Um wieviel Grund und Boden geht es dabei ?
Neuesten Erhebungen des Tiroler Gemeindeverbandes zufolge geht es um mehr als 3,58 Milliarden Quadratmeter Grund und Boden, in Zahlen 3.576.700.000 m2 . Diese 3,58 Milliarden Quadratmeter gehören eigentlich den Tiroler Gemeinden und entsprechen 34 Mal der Fläche der Stadt Innsbruck, 502.452 Fußballfeldern nach FIFA Norm (105 X 68 m) oder 1 ½ Mal der Fläche Osttirols.
Um welchen Anteil der Tiroler Landesfläche geht es dabei ?
Gesamte Landesfläche Tirol 12,5 Milliarden m2
Produktive nutzbare Fläche Tirol 9,5 Milliarden m2
Von den Gemeinden zu den Agrargemeinschaften verschoben 3,5 Milliarden m2

Gehörten die Gemeindegründe nicht immer schon den Bauern ?

Eine recht interessante Frage, die Dr Brugger zu beantworten versucht. Nein, meinte er. Land gehörte früher immer größeren Menschengruppen, um es gegen Feinde verteidigen zu können. Zuerst einem Stamm oder einem Volk, später dann einem Herrscher als Repräsentant des Volkes, nämlich dem König, dem Kaiser, bzw dann (bis in die Mitte des 19.Jahrhunderts) dem Landesfürsten. Die Herrscher haben das Land meist an Adelige oder an kirchliche Organisationen weiter „verliehen“. Die Bauern waren zuerst meist überhaupt nur Dienstboten auf den großen Gutshöfen der Adeligen und Klöster. Später erhielten sie Höfe zur Pacht. Aus dieser Pacht wurde die so genannte Erbpacht. Das heißt, dass nach dem Tode des Bauern dessen Kinder pachten konnten. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts, im Zuge der so genannten Grundentlastung, wurden die Bauern Eigentümer der von ihnen bewirtschafteten Höfe. Im Gegenzug mussten sie aber 1/3 des Wertes dieser Höfe an ihren Grundherrn zahlen.

Und was gehörte den Gemeinden ?

Jene Gründe, die nicht unmittelbar zu einem Hof gehörten, also die Wälder, Heimweiden und Almen blieben hingegen (von einigen Ausnahmen abgesehen) Eigentum der Gemeinde oder des Landesfürsten. Dieser übertrug Mitte des 19. Jahrhunderts einen Teil seiner Wälder ins Eigentum der Gemeinden.

Wie lässt sich das Agrarunrecht, so Dr Brugger beseitigen ?

Am einfachsten, saubersten und gerechtesten durch die Rückübertragung des Gemeindeeigentums von den Agrargemeinschaften weg und zu den Gemeinden hin. Nach dem Prinzip, was den Gemeinden genommen worden ist, ist den Gemeinden zurückzugeben. Was nämlich uns allen = den Gemeinden gehört, ist von Politikern zu verwalten, die von uns allen gewählt und abgewählt werden können.
Eine solche Rückübertragung bedeutet auch nicht das Aus für die Tiroler Bauern. Sie behalten das was ihnen zusteht und was sie brauchen. Nämlich das Recht, Wald und Weide nach altem Herkommen zu nutzen, aber nur für sie selbst, ihren Hof und ihre Familie. Geldverteilungen gibt es keine mehr, so Dr Brugger, weil diese auch früher nicht zulässig waren. Daher fließen z.Bsp Jagdpachtzins und Bauland-Verkaufserlöse in die Gemeinde. Damit kommen diese allen zugute.

Wie geht es jetzt weiter ?

ÖVP und Grüne werden eine Änderung des bestehenden Agrargesetzes = Agrargesetznovelle, mit ihrer Mehrheit im Tiroler Landtag beschließen. Damit ist nach Ansicht Dr Brugger das Agrarunrecht auch nicht gelöst. Die Tiroler Gemeinden werden weiterhin nicht zu ihrem Recht, nicht zu ihrem Vermögen, sowie nicht zu ihrem Grund und Boden kommen.

Wo: Cafe Zillertal, 6261 Strass im Zillertal auf Karte anzeigen
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