Ein Sommer voll Genuss

Lesen ist immer schön, egal, ob draußen die Sonne scheint oder ob es auch einmal einen Sommerregentag gibt. | Foto: MEV/Mike Witschel
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  • Lesen ist immer schön, egal, ob draußen die Sonne scheint oder ob es auch einmal einen Sommerregentag gibt.
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Einmal Rom und nicht retour?

Die Ruhe weg hat Marlies, Ende 40, nicht wirklich. Beruflich wie privat enttäuscht scheint ihr das Glas halb leer und nicht halb voll. Sie lebt mit ihrer Familie in einem angesagten Berliner Stadtteil, ihr Job als Journalistin für ein Family-Magazin langweilt sie und spült nicht gerade Reichtümer in die Haushaltskasse. Ehemann Till ist Gitarrist mit einem bescheidenen Engagement in einem Musical. Abend für Abend die gleiche Melodie, untertags gestrandet auf dem Sofa. Mehr fad als Glamour. Die Schlafzimmer mittlerweile getrennt. Marlies jedoch ist eine Macherin, sucht Anerkennung und Abwechslung in einer Affäre mit ihrem Yogalehrer Ralf. Eilt vom Sport zum Freundinnenabend in der Bar und zurück, optimiert den Körper, lebt in ihrer Rastlosigkeit ein Tempo, mit dem der antriebslose Till weder mit kann noch mit will. Zufriedenheit stellt sich nicht ein, das Familienleben mit zwei besonderen Kindern zehrt. Das war doch alles einmal anders. Damals in Rom. Leichtigkeit, dolce vita, Abenteuer. Kann man die Uhr zurückdrehen? Eva Sichelschmidt spielt in ihrem ersten Roman mit den Klischees einer Generation der Unzufriedenen. Die sich und ihrem Umfeld viel zumuten, um ihren Platz im Leben zu finden. Die vieles haben und noch viel mehr wollen. Kurzweilig, witzig erzählt, Leseempfehlung!
Eva Sichelschmidt, Die Ruhe weg, Knaus 2017, 319 S., € 20,60, 4 von 5 Sternen

Foie gras und flotte Flitzer

Die Kombination aus Kulinarik und Krimi funktioniert bei Commissario Brunetti seit über zwei Jahrzehnten. Was in Venedig eine breite LeserInnenschaft fesselt, findet auch im südfranzösischen Périgord großen Anklang: Martin Walker schreibt sich und seinen Chef de police rasant in Richtung erstes Jubiläum. Wie Donna Leon keine gebürtige Italienerin ist, so ist Martin Walker kein Franzose. Vielmehr Schotte, ein Schotte mit Leidenschaft für die französische Lebensart und die faszinierende Landschaft dieser Region. Und das liest man, spürt man in fast jeder Zeile. Bruno zieht die Fäden in "seinem" Saint-Denis; schlüpft mal eben schnell in einen Rennfahreranzug, um an der Seite der Staatsanwältin eine Rallye zu gewinnen, hilft Jugendlichen auf Abwegen auf die richtige Bahn, löst Erbschaftsstreitigkeiten und ein historisches Rätsel um das teuerste Auto der Welt ebenso wie zwei Morde, so ganz nebenbei. Selbstredend bleibt ihm noch Zeit zum Kochen, für Ausritte mit seinem Pferd Hector und um sich nach der Trennung von Freundin Pamela wieder ein wenig zu verlieben. Etwas viel für nur ein Buch, finden Sie? Kann sein, doch Walker erzählt flüssig und begeistert Krimifans, die Lokalkolorit und sanfte Spannung zu schätzen wissen. Ein Urlaubsbuch! Nicht nur in Frankreich. Mon dieu!
Martin Walker, Grand Prix. Der neunte Fall für Bruno, Chef de Police, Diogenes 2017, 384 S., € 24,70, 4 von 5 Sternen

Warschau, Wien, Gemeindebau

Wer die Beglückung von Neugeborenen mit schrägen Vornamen für ein Privileg von Hollywood-Sternchen hält, der irrt. Die polnische Mutter des Icherzählers aus Radek Knapps jüngstem Roman steht den Stars an Originalität in nichts nach. So benennt sie ihren Sohn kurzerhand nach dem Beruhigungsmittel, das ihr dazu verhalf, die Geburt zu verschlafen: Walerian. Dabei bleibt es nicht: Bereits nach wenigen Monaten bringt sie ihr Kind "für ein Wochenende" zu seinen Großeltern, um es zehn Jahre später wieder abzuholen und mit ihm nach Wien zu fahren. Dort soll Walerian Fuß fassen in einem anderen Land. Wie schwer dem ohnehin schon früh Entwurzelten die Integration fällt, beschreibt Knapp voller Ironie, die dem Roman seine Leichtigkeit gibt. "Deutsch zu lernen ist für einen Polen genauso schwer wie die allgemeine Relativitätstheorie. Aber in Wien kam noch das Problem dazu, dass man dort gar nicht Deutsch sprach. Ich weiß noch genau, wie ich mich kurz nach meiner Ankunft in ein Lebensmittelgeschäft verirrte und gleich an der Schwelle den mysteriösen Satz hörte: Sprüh a Wolk'n!" Auf Walerians mehr oder weniger erfolglose Schulkarriere folgen teils kuriose Gelegenheitsjobs, ein Kennenlernen der Wiener Seele, ein Erwachsenwerden, ein Sinnfinden. Am Ende dieses wunderbar erzählten kurzen Buches bleibt nur der Wunsch: Wäre es doch ein wenig länger gewesen!
Radek Knapp, Der Mann, der Luft zum Frühstück aß, Deuticke 2017, 128 S., € 16,50, 5 von 5 Sternen

Wo wächst denn nur der Obstsalat?

Kirschkernweitspucken. Zwetschken vom Baum schütteln. Schau, wie gelb die Birnen schon sind! Bekommt man von grünen Ribiseln Bauchweh? Aber sauer macht doch lustig. Mmh, Erdbeeren, wenn es geht, mit ein bisschen Puderzucker, bitte. Kindheitserinnerungen sind auch Erinnerungen an sonnige Gartentage, an das Wachsen und Ernten, an das Kosten und Genießen. Gerda Muller, bekannte niederländische Kinderbuchautorin, hat aus diesen Erinnerungen und darüber hinaus ein Sachbuch für die Kleinsten gemacht. Eines mit farbenfrohen Illustrationen, mehr zeitlos als nostalgisch, mit viel Information und einer Geschichte drumherum. Obstsalat eben, von der besten Sorte. Sophie ist ein Stadtkind und fährt zu Cousin Michael aufs Land. Der kennt sich aus. Doch nicht nur der heimische Garten wird erobert, Sophie zieht es (nicht ganz freiwillig) in die Ferne... Zu Melonen, Oliven und Granatäpfeln. Dort kann sie Neues entdecken, allerhand Wissenswertes erfahren. Fröhlich, bunt und (beinah) unbeschwert. Wer versteckt sich mit mir in der Himbeerhecke? Ich glaube, es ist Zeit zu naschen.
Gerda Muller, Jetzt sind auch die Kirschen reif! Wo kommen all die Früchte her?, Moritz 2017, 40 S., € 15,40, 5 von 5 Sternen.

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