Glaubenskirchen-Vikarin Florentine Durel im Interview
„Da geht es an den Kern des Menschen“
Florentine Durel, seit Herbst Vikarin, also Pfarrerin in Ausbildung, in der Simmeringer Glaubenskirche im Interview über Jugendarbeit, traditionellere und modernere Strömungen in der Kirche, die Rolle der Frau und den neuen Podcast „PREDIGTbar“.
Sie wollten früher einmal Köchin werden, jetzt sind Sie auf dem Weg zur evangelischen Pfarrerin. Wie kommt es zu so einer Entwicklung?
Das mit der Köchin hat nicht so funktioniert, wie ich es wollte…und dann habe ich überlegt, was mich interessiert und begonnen evangelische Theologie zu studieren. Im Studium ist natürlich der Punkt gekommen, was ich damit beruflich mache. Ich habe unter anderem ein Praktikum in der Krankenhausseelsorge gemacht, und das war so eine schöne Erfahrung und so prägend, dass ich erstmals überlegt habe, dass der Beruf der Pfarrerin vielleicht doch etwas für mich ist – was ich vorher eigentlich ausgeschlossen hatte.
Ist die Seelsorge das, was Sie am Beruf Pfarrerin reizt?
Es ist auf jeden Fall einer der Bereiche, der mich am meisten interessiert. Es ist diese Möglichkeit, dass man Menschen an wichtigen Punkten ihres Lebens begleiten kann, sei es in schweren Zeiten wie im Krankenhaus oder bei Beerdigungen oder in fröhlichen Momenten, wie bei Taufen oder Hochzeiten. Es geht sehr um den Menschen. Es stimmt schon, das könnte ich mit einer Ausbildung zur Psychotherapeutin auch, aber für meine Arbeit mit den Menschen brauche ich meinen Glauben. Dadurch kommt eine ganz andere Dimension herein, sowohl in meiner Motivation als auch in den Gesprächen selbst.
Wie würden Sie diese Dimension näher beschreiben?
Alles, was mit Religion und Glauben zu tun hat, ist etwas unglaublich Persönliches. Da geht es an den Kern des Menschen.
„Nicht in hochtheologischen Theorien verstrickt“
Was macht eine gute Pfarrerin aus?
Dass sie nah an den Menschen ist, zuhören kann, sich nicht in hochtheologischen Theorien verstrickt, sondern an den Themen dran ist, die die Menschen beschäftigen.
Die evangelische Kirche unterscheidet sich von anderen Religionen unter anderem auch in der Rolle der Frau. Hat das für Sie eine besondere Bedeutung?
Meiner Meinung nach gibt es DIE Rolle der Frau nicht. Genauso wenig, wie es DIE Rolle des Mannes gibt. Und genau das ist doch der Punkt der Gleichberechtigung, die in der evangelischen Kirche gelebt wird. Das Geschlecht spielt zunächst keine Rolle – das ist mir unendlich wichtig. Mein Glaube lebt stark von dem Grundsatz, dass alle Menschen gleich viel wert sind.
„Früher war alles anders“ bringt gar nichts
Sie sind jetzt seit Herbst in der Glaubenskirche. Wie fühlt sich diese Gemeinde für Sie an?
Ich fühle mich so wohl. Es ist eine sehr, sehr, sehr offene Gemeinde. Das trifft genau das, dass es mir eben so wichtig ist, dass alle gleich viel wert sind. Das wird hier komplett gelebt. Das ist wirklich sehr besonders.
Sie kümmern sich in der Glaubenskirche vor allem um die Jugend. Wie erreicht man Jugendliche heute?
Im Grunde wie Erwachsene auch – indem man sich auf sie und ihre Situation einlässt. Manchmal haben Jugendliche Sorgen, die Erwachsene nicht so tragisch sehen, die für den Jugendlichen aber das Wichtigste überhaupt sind. Das muss man ernst nehmen. Sprüche wie „früher war alles anders“ oder „in zehn Jahren lachst Du darüber“ bringen den Jugendlichen gar nichts.
Fixer Jugendtreff geplant
Was konkret planen Sie für die Jugendarbeit?
Mir geht es vor allem auch um Angebote für Jugendliche, die gerade ihre Konfirmation gehabt haben – mit einem neuen, fixen Jugendtreff. Corona hat uns da vorerst noch einen Strich durch die Rechnung gemacht. Aber das kommt.
Rund um Corona gibt es ja immer wieder Diskussionen, ob die Pandemie junge Menschen stärker trifft, Stichwort „verlorene Generation“, oder doch ältere, Stichwort Vereinsamung, erhöhtes Risiko. Wie sehen Sie diese Diskussion?
Es ist gemischt. Es gibt Jugendliche, die damit sehr gut umgehen. Es gibt aber auch Jugendliche in der Selbstfindungsphase, mit denen Kontakteinschränkungen, fehlende Körperkontakte schon sehr viel anstellen. Ob Corona jetzt Junge oder Ältere stärker betrifft, kann ich nicht beurteilen.
Premiere mit Geist
Was sagen Sie jemandem, der Kirche generell als alt und verzopft abtut?
Er soll zu mir kommen (lacht). Und sich selbst ein Bild machen. Die Kirche ist so vielfältig, dass es sowohl traditionellere, wie auch modernere Züge gibt. Und wenn jemand sucht, wird er etwas finden, das für ihn passt.
Letztes Thema: Sie haben vor kurzem unter dem Titel PREDIGbar einen neuen Podcast ins Leben gerufen. Was kann man sich darunter vorstellen?
Ich fahre sehr viel U-Bahn und höre dabei gerne Podcasts. Podcasts werden von der Kirche bisher aber eher wenig genutzt, obwohl hier, wie ich glaube, großes Potenzial liegt. Zugleich nehmen viele Pfarrgemeinden mittlerweile Predigten auf, die auf den einzelnen Homepages aber oft eher versteckt sind. Es gibt so viele Predigt-Schätze in Wien, aber sie gehen oft unter. So ist die Idee entstanden, das zu bündeln und jede Woche eine Predigt per Podcast zu veröffentlichen – jeden Dienstag Abend erscheint nun eine neue Predigt auf allen bekannten Plattformen, von Spotify bis I-Tunes. Premiere war am 15. Dezember mit Superintendent Matthias Geist.
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