„Wir sind wieder versorgt“
Geschäftesterben auf dem Lande und Überlebenskampf in der Stadt: Wie sich Kleine gegen die Riesenketten behaupten und Nahversorgung mit individuellem Charakter sichern.
REGION (sg). „So etwas habt ihr noch nicht gesehen oder getrunken. Da gibt es in Stein einen kleinen Greißler, da röstet der Kaufmann die Kaffeebohnen noch selbst. “ Gespräche wie diese sind es, die zwischen den Wohnmobilen und Zelten des Kremser Campingplatzes die Runde machen. Für Gerhild und Emmerich Beyer, die seit über 50 Jahren eine kleine Kaffeerösterei samt Greißlerei in der Steiner Landstraße betreiben, eröffnete diese Art der Mundpropaganda einen kleinen Exportmarkt nach Deutschland. Aber auch in der Region wird der fair gehandelte Kaffee aus biologischer Landwirtschaft geschätzt. „2006 haben wir Kaffeeplantagen in Äthiopien besucht“, erzählt Gerlinde Beyer, die mit ihrem Mann seit Jahren die Ursprungsländer ihres Kaffees bereist, „dort wird mit Ziegenmist und Kaffeebohnen-Abfällen gedüngt und die Menschen werden ordentlich bezahlt.“
Bio, Fairtrade & Einzigartigkeit als Erfolgsrezepte
Nur die erlesensten Sorten in bester Qualität werden von den Steiner Kaufleuten auch importiert und verarbeitet. „Diese Art Kaffee müsste natürlich mehr kosten, doch dann bliebe wahrscheinlich die Kundschaft aus“, klärt die Kauffrau über die Beyer‘sche Preispolitik auf.
Während es in Städten wie Krems-Stein gilt, sich mit speziellen Angeboten gegen die Konkurrenz der umliegenden Läden zu behaupten, kämpft man etwa in Bergern darum, überhaupt ein Geschäft in den Ort zu bekommen.
Nußdorfs Kampf um Geschäft
Ein Kampf, den man in Nußdorf ob der Traisen bereits gewonnen hat.
Ende März schlossen die Kaufleute Ihr Gechäft aus privaten Gründen. Die Gemeinde setzte schon seit Jahresbeginn alle Hebel in Bewegung, einen Nachfolger für den einzigen Nahversorger im Ort zu finden. „Nur eine Woche hatte das Geschäft zu, nun hat die Familie Groiß das Geschäft übernommen“, triumphiert Nußdorfs Bürgermeister Heinz Konrath über die Versorgungs-Krise. Ein Jahr lang dürfen die neuen Kaufleute die Räumlichkeiten ihrer Vorgänger nutzen. Bis dahin wird die Anti-Krisen-Offensive der Nußdorfer Früchte tragen. „Der Grundsatzbeschluss des Gemeinderates steht, der Planungsauftrag ist an einen Architekten vergeben und Nah& Frisch bekam den Zuschlag als Lieferant“, kündigt Konrath an, „dann wird auf dem Areal des alten Gemeindesaales ein neu gebautes Geschäft entstehen.“ Behindertengerecht und mit Vollsortiment versteht sich. Gespräche laufen auch mit dem Bundesdenkmalamt, schließlich soll das alte, geschützte Milchhaus im Ortszentrum in die neue Nutzung integriert werden, ohne das Erscheinungsbild zu zerstören.
„Die Gemeinde muss nun viel Geld in die Hand nehmen, aber der Standort ist besser als anderswo.“ Nach zweijähriger Pause wird Nußdorf auch wieder von einer Bank bereichert: Die Sparkasse Herzogenburg bereitet eine Filiale vor. „Wir sind sehr froh darüber, auch die Bevölkerung weiß das zu schätzen“, so der Ortschef „Wir sind wieder versorgt.“
Nun gilt es, sich gegen die Krise und gegen die großen Handelsketten zu profilieren, was mit einer Lotto-Toto-Annahmestelle und einem Brötchen-Service geschehen wird - aber erst in einem Jahr, wenn der 200 Quadratmeter-Laden steht. In Beyers kleinem Geschäft in Stein ist man den Kampf bereits gewohnt und merkt wegen dem Angebot an besonderem Kaffee keine Einbußen durch die Wirtschaftskrise.
„Unter den Leuten, die zu uns kommen, sind viele deutsche Urlauber, die nicht so sehr auf den Cent schauen müssen“, informiert Gerlinde Beyer. Und diesen Kundenkreis verdanken die Endsiebziger der Mundpropaganda auf dem nahe gelegenen Campingplatz.
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