St. Pölten
457 Frauen haben im Frauenzentrum Hilfe gesucht (mit Umfrage)

- Vivien Bach ist eine von vielen Frauen die Gewalt in der Kindheit und der Ehe erfahren musste. Sie hat ihre Erlebnisse in einem Buch niedergeschrieben.
- Foto: Tanja Handlfinger
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1.119.934 Frauen wurden in Österreich Opfer von körperlicher oder sexueller Gewalt. 457 suchten Hilfe in St. Pölten.
ST. PÖLTEN. "Ich rate Frauen, sobald es zur ersten Gewalt kommt, sofort Anzeige zu erstatten, Hilfe zu suchen und hartnäckig zu bleiben", so Vivien Bach. Die aus dem Bezirk stammende Frau ist eine von vielen Frauen, die jahrelang Opfer von Gewalt war. Sie betont: "Nicht zu einem Neuanfang überreden lassen! Noch wichtiger ist es aber, dass die Gesetzeslage verschärft wird." Im Rahmen der „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“ wird weltweit von 25. November bis 10. Dezember das Recht auf ein gewaltfreies Leben eingefordert.
Auslöser für Gewalt
"Einerseits sind es die patriarchalen Strukturen in unserer Gesellschaft. Die Gleichstellung zwischen Mann und Frau gibt es gesetzlich, ist in der Gesellschaft aber noch lange nicht angekommen", weiß Jessica Müller, Vorsitzende vom Verein Frauenzentrum St. Pölten. Die Care-Arbeit ruhe oft auf den Schultern der Frau, die typischen Frauenberufe - wie Pflege, Handel und viele mehr werden schlechter entlohnt als die typischen Männerberufe. "Die ungleiche Aufteilung von Care-Arbeit, die schlechtere Entlohnung in typischen Frauenberufen, dies alles führt zur finanziellen Benachteiligung, zu Abhängigkeiten und häufig zu Konflikten in Beziehungen", verrät sie.
Abhängigkeit
Ein weiterer Grund sei, wenn Frauen von ihren Männern als Besitz gesehen werden. "Du brauchst nur mich, wir brauchen nur uns“, das mag sich anfangs charmant anfühlen und stolz machen, in Wirklichkeit geht es meistens dabei um Kontrolle, Besitzdenken, Machtausübung und Isolation, um die Partnerin unsicher und abhängig zu machen, sowie ihren Selbstwert zu zerstören", weiß Müller. Wehren sich diese Frauen oder haben sie die Absicht, sich aus der Gewaltbeziehung befreien zu wollen, sei die Phase der Trennung sehr gefährlich. "Häufig nehmen die Gewalthandlungen an Schwere und Intensität zu, der Gipfel der Gewalt sind die Frauenmorde: Wenn ich dich nicht haben kann, soll dich kein anderer haben", so Müller. "Wir hatten im Vorjahr 242 Frauen in der Einzelberatung, dann kommen die Frauen dazu, die unsere Gruppenangebote und Psychotherapie auf Krankenschein in Anspruch nehmen, alles zusammen waren es 457 Frauen. Insgesamt haben wir 1.727 Stunden Beratung geleistet", ergänzt sie.
Niederschwelliges Angebot
Die Kontaktaufnahme erfolgt meist telefonisch oder per E-Mail. Das Frauenzentrum arbeitet niederschwellig: Die Öffnungszeiten sind so, dass sowohl ohne Termin als auch außerhalb der Öffnungszeiten Beratungen stattfinden. Sie sind kostenlos, vertraulich, überkonfessionell und parteilich für die Frau. "Wir schauen bei jeder Frau, was sie braucht. Wir machen mit den wirklich gefährdeten Frauen Sicherheitspläne, damit bei klärenden Gesprächen mit dem Partner jemand dabei ist. Die Zeit, in der sich Frauen trennen wollen, ist die gefährlichste", weiß Müller, "Frauen fühlen sich für das Gelingen einer Beziehung verantwortlich, noch immer."
Zur Sache
Zahlen vom 1.1. bis 31.10.2022: 139 Betretungsverbote in St. Pölten Stadt, 3.242 Personen vom Gewaltschutzzentrum NÖ beraten (2.572 weiblich, 670 männlich), 43 Frauen, 50 Kinder – Gesamtzahl der Frauen & Kinder, die im St. Pöltner Frauenhaus Zuflucht suchten, 9.064 Gesamtnächtigungen im Frauenhaus St. Pölten
Anlaufstellen für von Gewalt betroffenen Menschen
Frauenhaus St. Pölten
Rund um die Uhr geöffnet
02742/36 65 14
Frauenzentrum St. Pölten
Linzer Straße 16
Termine nach telefonischer Vereinbarung
0676/30 94 773
Gewaltschutzzentrum NÖ
Riemerplatz 1/Dachgeschoß
02742/319 66
Caritas St. Pölten
Familienberatung
Hasnerstraße 4
02742/84 40
Aktion Leben St. Pölten
Neugebäudeplatz 12
Termine nach telefonischer Vereinbarung
0664/389 64 84
Mehr Infos und weitere Anlaufstellen für ganz Niederösterreich auf:
frauenberatung-noe.at


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