Asylwerber im Bus vergessen
Vier Asylwerber mussten eine Nacht im Arrestantenbus verbringen. Wegen Amtsmissbrauchs mussten sich nun zwei hochrangige Polizei-Offiziere vor Richter Markus Grünberger verantworten.
ST. PÖLTEN (IP). Staatsanwalt Dietmar Nußbaumer wirft den Beamten vor, die Affäre um vier „vergessene Schubhäftlinge“ vertuscht zu haben. Zu dem Vorfall kam es am 13. August 2005, als 30 Personen, darunter auch vier Asylwerber aus Sri Lanka, die als illegale Grenzgänger von der Polizei in Hainburg aufgegriffen worden waren, mit dem Arrestantenbus ins Flüchtlingslager Traiskirchen gebracht wurden.
Weder in Traiskirchen, noch nach dem Abstellen des Busses in der Garage der Logistikabteilung in St. Pölten überprüften die begleitenden Polizeibeamten die Zellen des Busses. Erst am nächsten Morgen machten vier Schubhäftlinge durch heftiges Klopfen gegen die Innenwand des Busses die Dienst habenden Beamten darauf aufmerksam, dass man ihnen, wie es dem Gesetz nach heißt, fahrlässig die Freiheit entzogen habe.
„Ich war vor den Kopf gestoßen“
„Ich war völlig vor den Kopf gestoßen“, erklärte der Chef der Logistikabteilung vor Gericht. Nachdem er die Meldung erhalten hatte, habe er sich zunächst erkundigt, ob es Verletzte gebe. Anschließend ärgerte er sich aber vor allem darüber, dass die Kollegen die vorgeschriebene Reinigung des Busses offensichtlich verabsäumt hatten. „Dann wäre das erst gar nicht passiert!“
„Seids ihr wahnsinnig!“
Mit „Seids ihr wahnsinnig!“ habe er sich den Kollegen gegenüber Luft gemacht und sie anschließend angehalten, künftig mehr Sorgfalt walten zu lassen, um solche Vorfälle zu vermeiden. Danach habe er Untersuchungen zu dem Vorfall an seinen Stellvertreter, den Zweitangeklagten, delegiert. Als schließlich ein entsprechender Bericht mit den Aussagen der beteiligten Beamten auf seinem Schreibtisch landete, sei er gemeinsam mit seinem Stellvertreter der Meinung gewesen, dass der Vorfall strafrechtlich nicht relevant sei.
Anonymes Schreiben tauchte auf
Ganz anders sieht das die Korruptionsstaatsanwaltschaft, bei der erst im März 2008 ein anonymes Schreiben einlangte, in dem der Leiter der Logistikabteilung und sein Stellvertreter des Amtsmissbrauchs beschuldigt wurden. Man habe die Causa unter den Tisch gekehrt, um die Kollegen vor Straf- und Disziplinaranzeigen zu schützen. „Haben Sie nicht an den Paragraf 303 gedacht – fahrlässige Freiheitsentziehung?“, wollte der Richter von den Angeklagten wissen. „Nein, von diesem Paragrafen habe man noch nie gehört.“
Weitere Zeugen werden geladen
Die Verteidiger der Beschuldigten, Nikolaus Rast und Wolfgang Brandstetter, bewerteten die Anklage als äußerst überzogen. Es seien Fehler passiert, aber von „bewusstem Packeln“ sei keine Rede, so die Meinung der Rechtsanwälte. Entscheidung fiel bei dieser Verhandlung noch keine. Nachdem sich die, als Zeugen geladenen Polizisten von ihrem Amtsgeheimnis nicht entbinden ließen, wird Grünberger noch weitere Zeugen, unter anderem aus der Polizei-Führungsriege vor Gericht laden.
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