Schicksalsberg Ötscher
Eine Reportage von Joachim Lielacher: Um seinen Gipfel jagen Nebelschwaden und der Berg will seine Opfer. Die dramatische letzte Woche veranlasste uns mit der Alpinpolizei den Aufstieg auf den Ötscher über den Rauhen Kamm zu wagen.
SCHEIBBS/LILIENFELD/MOSTVIERTEL. Major Michael Hochgerner, Polizei-Bezirkskommandant in Lilienfeld und Leiter des Alpindienstes sowie Markus Bichler, Stellvertretender Leiter der Alpineinsatzgruppe (AEG) Lilienfeld sehen nur verwundert auf meine Lacoste-Sneakers. „Mit denen können wir dich nicht auf den Berg mitnehmen“. Kurzerhand werden Bergschuhe gekauft und los geht die Fahrt mit dem Polizeibus. Über zahlreiche Forststraßen (Lilienfeld hat mehr Forststraßenkilometer als Straßennetzkilometer) geht es zum Jägerherz. Von nun an sind wir auf uns alleine gestellt. Die Alpenbullen sind, im Gegensatz zu meiner Wenigkeit, perfekt und vorbildlich ausgerüstet. Nach einer Stunde Marsch durch steiles Gelände gelangen wir zur Bezirksgrenze Lilienfeld/Scheibbs. Von diesem Punkt an, egal ob von Scheibbser oder Lilienfelder Seite aus, führt nur noch ein Weg über den Rauhen Kamm. Vorneweg der Alpinchef, in der Mitte versuche ich verzweifelt Schritt zu halten, Max, der Schlussmann achtet darauf, dass der Flachländler nicht abstürzt. Die Stimmung ist ausgelassen, der Schmäh rennt, plötzlich küsst der Herr Redakteur unsanft den Boden.
Tückische Stellen
„Wäre Dir das weiter oben passiert, hätte dieser Fehler tödlich sein können“, mahnt Michael Hochgerner. Das Gelände wird allmählich steiler, sattes Grün weicht blankem Fels, die recht gemütliche Wanderung findet ein jähes Ende. Nun heißt es klettern und kraxeln. Max meint, wissend ob meiner Höhenangst immer wieder besorgt: „Wenn Dir schwindlig ist, bitte sag das sofort, dann sichere ich Dich .“
An einer flacheren Stelle erblicken die Beamten einen Rucksack. Nachdem Max per Funk Kontakt mit den Kollegen aufgenommen hat, ist es beklemmende Gewissheit: Der Rucksack gehört der Witwe des in der Vorwoche verunglückten Purgstallers. Nur unweit davon entdecken die Beamten die Stöcke des Toten. Ganz weit unten liegt der Rucksack des Abgestürzten. Sogar den erfahrenen Bergsteigern scheint nun die Bergung des Rucksackes als zu gefährlich. Meine Kräfte schwinden, das merkt auch Max. Fast lapidar sein Kommentar.: „Nur mehr 50 Höhenmeter!“ Für einen Boxer, der schwer angeschlagen in den Seilen hängt klingt die Aussage „Nur noch drei Runden“ fast wie ein Hohn. Es scheint nicht zu verwundern, dass der Rauhe Kamm immer wieder seine Besteiger wie ein wildes Pferd abwirft. Michael Hochgerner dazu: „Der Verunglückte stürzte beim Abstieg ab, es hat stark geregnet, Stress und Übermüdung - ein oft tödlicher Cocktail. Wir haben jedes Jahr Tote am Ötscher. Viele Wanderer unterschätzen diesen Berg oft völlig.“ Nach über dreistündigem Kampf „Mann gegen Berg“ erreichen wir in fast 1900 Metern Höhe das Gipfelkreuz. Die zwei Burschen der AEG sind nicht sonderlich erschöpft, der Scheibbser Redakteur hingegen verlangt nach einem Sauerstoffzelt. Runter geht es gemächlicher. Bei der Ötscherhütte kehren wir ein und genießen das herrliche Spätsommerwetter. Major Hochgerner berichtet über seinen dramatischen Absturz am Wilden Kaiser: „20 Meter bin ich damals abgestürzt, zog mir offene Brüche zu, die Wirbelsäule war schwer lädiert. Ich brauchte Monate um wieder gehen zu lernen.“ Nach dem Abstieg fahren wir im Bus zurück. Den körperlichen Zusatnd des Redakteurs kommentiert Max wie folgt: „No, was bist´n so ruhig?“ Der Abend klingt in einer idyllischen Bar direkt am Wasser in Lilienfeld aus.
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