Silke Hassler und Peter Turrini lesen in St.Veit
Der Ehrendoktor der Universität Klagenfurt, Peter Turrini, liest am 15.März 2011 gemeinsam mit Silke Hassler im Rathaushof. "Man soll, was man liebt, nicht verschweigen. Dass mir Peter Turrini als Mensch und als Schriftsteller sehr nahe steht, soll nicht unter den Tisch fallen, sondern von Anfang an auf diesen gelegt werden," schreibt Silke Hassler über ihn.
Organisiert wird die Benefizveranstaltung, die um 19.30 Uhr beginnt, vom Förderkreis Onkologie des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder St. Veit. Der Erlös des Abends kommt daher Projekten der Onkologie des Spitals zugute. Vorverkaufskarten gibt es zum Preis von 25 Euro bei der Buchhandlung Besold und der Raiffeisen Bezirksbank St. Veit sowie beim Portier des Krankenhauses. Auch an der Abendkasse gibt es Karten. Für Schüler, Studenten und Präsenzdiener sind diese günstiger.
Kindheit und Jugend in Maria Saal
Die Maria Saaler haben die letzten Jahrzehnte mehr oder minder tapfer überstanden: Da war der Künstler, der sich in einem himmelblauen Sarg durchs Dorf tragen ließ und sich im Sarg betrank und die herbeieilenden, von ihm abhängigen Bauern segnete und ihnen ihre Sünden vergab. Da gab es den dichtenden Sohn des italienischen Tischlermeisters. Der Künstler hörte den Jungdichter beim Vorlesen von Gedichten im "Cafe am Platzl" zu. Er forderte ihn auf in sein großes Haus auf dem Dorfhügel zu kommen. Oben gab es Imbiß und Tee und berühmte Menschen.
1980, als die Erinnerung an den jungen Turrini in Maria Saal schon leicht verblasste, erschien eine Gedichtesammlung, auf die ich später noch zu sprechen komme.
Das Dorf hatte es nie leicht mit seinen Komponisten, Theaterautoren, Kritikern, Romanschriftstellern, sensiblen Dichtern und sensiblen Historikern. Dass auch die angehenden, hoffnungsvollen Freaks und Künstler im Dorf litten und am Dorf zu leiden hatten, kam so manchem gstandenen Maria Saaler damals nicht in den Sinn.
Die Tonhof Kinder und das Ehepaar Lampersberg
Auf der östlichen Kuppe des Maria Saaler Berges steht der Tonhof. Die Geschichte des Tonhofes ist eng verknüpft mit dem legendären Künstler-Ehepaar Maja und Gerhard Lampersberg, die das Gebäude 1954 zur Hochzeit erhalten hatten. Maja Lampersberg geb. Weis-Ostborn, aus einer altösterreichischen Aristokratenfamilie stammend, war sicher nach Alma Mahler-Werfel und Bertha Zuckerkandl eine der letzten großen alten Damen der österreichischen Kulturgeschichte, die in ihren Salons Künstlern und Kunstinteressierten ein Forum für gemeinsame Gespräche boten. In Wien lernte das Paar den jungen Thomas Bernhard kennen und lud ihn nach Maria Saal ein. Der Tonhof wird zwischen 1957 und 1959 Bernhards Zuflucht und Heimat. Namhafte Künstler wie Gerhard Ruhm und Christine Lavant waren Gäste der Familie Lampersberg. Spätere Besucher waren H. C. Artmann, Wolfgang Bauer, Peter Turrini, Josef Winkler, Peter Handke oder Gert Jonke. Die großzügige Mäzenin Maja Lampersberg ermöglichte durch ihre Gastfreundschaft den "Tonhof-Kindern" zu schreiben, zu komponieren und zu malen: "Das Haus war immer offen...". “Getreue, wunderbare Freunde” sind die Lampersbergs für Christine Lavant, “gewaltige Herausreißer” aus ihrem “Elendsgeflecht”.
Natürlich hatte der eine oder andere Nachwuchskünstler auch Kontakt mit der mehr oder minder verschreckten Bevölkerung und den damals zahlreichen Wirtshäusern im Dorf, was oft zu skurillen Szenen im Ort führte.
Ein paar Schritte zurück
Peter Turrini verließ in den Sechziger Jahren das Dorf. Seine frühen Stücke wie "Rozznjagd" (1971) und "Sauschlachten"(1972) sorgten für Aufsehen im Dorf.
Nach seiner ersten Uraufführung schrieb eine Zeitung "Dieser Kärntner Orang-Utan soll in die Wälder zurückgehen aus denen er ausgebrochen ist." Turrini wird schlagartig bekannt, weil dieser einaktige Wutausbruch von zwei jungen Außenseitern handelt, die sich ihres bisherigen Lebens entledigen wollen, um der Wahrheit auf die Spur zu kommen. Dieses Motiv hat Turrini seither immer wieder verwendet. Auch, wenn er hier vor allem seine eigene Wut verarbeitet hat, so traf er dennoch den Nerv einer ganzen Generation.
Ein weiterer Schock für die Gemeinde war dann 1980 der Gedichteband "Ein paar Schritte zurück" in dem der Sohn des italienischen Maria Saaler-Tischlermeisters die Tragödien seiner Kindheit und verpatzten Jugend in seinem Heimatdorf beschreibt. Der Gedichteband erregte einiges Aufsehen, nicht nur in Österreich, sondern weit darüber hinaus: Ein Skandal im alten Maria Saal. "Das wichtiges ist, sagte meine Mutter, dass man vor den anderen gut dasteht", schrieb der Dichter im Lyrikband. Die Maria Saaler Kommunalpolitiker konnten sich zwei Jahrzehnte später nicht dazu durchringen, Peter Turrini die Ehrenbürgerschaft zu verleihen. Eine späte Rache?
Schlangenkind
Als Maria Saal sich mit dem mittlerweile in ganz Europa bekannten Peter Turrini einigermaßen arrangiert hatte und es bereits sehr still um das Ehepaar Lampersberg und den Thonhof geworden war, brach ein neuer, wilder Schriftsteller in Maria Saal ein: Er hieß Truschner. "Truschner wer?" tönte es in Maria Saal. Der Enkel vom alten Kogler war er! Aufgewachsen ist der 1967 geborene Peter bei seinen Großeltern. Später holt ihn die in der Stadt Salzburg lebende Mutter zu sich.
2001 schreckt die schon von zahlreichen Künstlern vortraumatisierte Marktgemeinde aus ihrem Schlaf auf: Wieder arbeitet sich einer an Maria Saal ab. Das Buch wird landauf landab abgefeiert: "In seinem beeindruckenden Debütroman erzählt Peter Truschner auf schonungslose und bildkräftige Weise vom Heranwachsen in der Hölle der Provinz." "Hölle der Provinz?" Die Maria Saaler gingen kollektiv in Deckung. Sie hatten schon Übung darin.
"Schlangenkind", heißt der Roman von Peter Truschner und der mittlerweile in Berlin lebende "Maria Saaler" bekommt dafür den Preis des Bundeskanzleramtes für literarische Debüts.
2007 wird sein zweiter Roman für den Deutschen Buchpreis nominiert und auch Peter Turrini meldete sich zu Wort: "Ein Teil des Romans Schlangenkind spielt in dem Dorf, in dem ich aufgewachsen bin. Das hat beim Lesen zu meiner Neugier beigetragen; aber es war vor allem die Art und Weise, wie Peter Truschner erzählt, die mich gefangengenommen hat. Da ist einer, der dem Realismus seine unverwechselbare Poesie hinzufügt. Am Ende sah ich mein Dorf, einzelne Menschen aus diesem Dorf, mit seinem poetischen Blick."
Also eine poetische Hölle oder eine Art aufkommende Altersmilde beim ehemals wilden Rebellen Turrini? In den vergangenen Jahren wurde es ein wenig ruhiger um Maria Saal. Ist das die Ruhe vor dem nächsten Sturm?
Auszeichnung im Heimatdorf
In der Datenbank des Music Information Center Austria steht beim Eintrag von Gerhard Lampersberg unter "Auszeichnungen": 1999 fand seine Ernennung zum Ehrenbürger der Gemeinde Maria Saal im Gemeinderat ebenso wie die Ehrenbürgerschaft Peter Turrinis keine Mehrheit.
Vielleicht ist dies das größte Kompliment, das man den beiden Künstlern im Dorf machen konnte.
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