Seefeld-Premiere "Ein wilder Sommer"
Auf der Suche nach Perspektiven

Regisseurin und Drehbuchautorin Anita Lackenberger war zu wenig nett, zu wenig blond - und führte schlussendlich zum Erfolg!
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  • hochgeladen von Julia Scheiring

Die Tiroler Regisseurin Anita Lackenberger holt mit "Ein wilder Sommer" die 80er ins Jetzt und ist so nahe an der Realität, dass sie davon oft eingeholt wird. Der Weg zum Film war nicht frei von Steinen.

TIROL/SEEFELD (jus). Es sind die 1980er in Österreich und das Hippie-Gefühl der 70er ist auch am Land angekommen. Die Geschlechterrollen wandeln sich, ein freies Lebensgefühl macht sich breit. Die Innsbrucker Studentin Anna soll ihrem Onkel Schorsch (Jürgen Tarrach) in seinem Restaurant in der Wachau helfen, denn ihre Vorgängerin Ilse (Gerti Drassl) ist abgehauen, ihr liegt das Arbeiten nicht so. Dort trifft sie auf  Kurt (Tim Bettermann) und der verliebt sich prompt in die Innsbrucker Studentin. Blöd nur, dass er eigentlich mit Elisabeth verlobt ist. 

Neuorientierung

Der Film "Ein Wilder Sommer" aus der Feder und unter der Regie von Anita Lackenberger läuft ab 5. April im Cinepoint Seefeld, wurde zum Teil auch in Tirol gedreht und klingt erstmal nach einer Romanze. In Wirklichkeit steht aber etwas anderes im Vordergrund. Die Fabrik im Ort des Geschehens, Schönbühel in der Wachau, wird nämlich geschlossen und das erschüttert die Bürger in ihrer scheinbar neu gewonnenen Freiheit. Sie müssen jetzt neue Perspektiven suchen und verheddern sich dabei in Mustern, Rollenbildern und verlorenen Existenzen.

Keine Autobiografie

Regisseurin Anita Lackenberger wohnt seit einigen Jahren in Tirol, wuchs aber in St. Pölten auf. Sie selbst hat einst ein paar Wochen in der Wachau bei ihrem Onkel verbracht, wehrt sich aber dagegen, den Film als Autobiografie zu betrachten. "Die Handlungen und die Personen sind rein fiktiv", betont sie, auch wenn sie ein bisschen etwas von sich selbst in Anna, der Hauptfigur, dargestellt von Dagmar Bernhard, erkennen kann. Und sie kennt das Lebensgefühl von damals. Die Dramatik - und dafür ist im Film gesorgt - hat sich dann aber so nicht abgespielt.

Fabrikarbeiterinnen ohne Perspektive

Doch die Fabrik gibt bzw. gab es wirklich, und ihre Absiedelung bewegt hat die Bewohner damals beschäftigt und beschäftigt die Regisseurin heute. Denn es war nicht nur ein Unternehmen, das da verschwand, es waren Arbeitsplätze und vor allem für die Fabrikarbeiterinnen eine Identität. "Für diese Frauen war das damals kein Hilfsarbeiterjob, sie haben sich gefühlt, wie mit einem richtigen Abschluss", erklärt Lackenberger. Und genau das wurde ihnen zum Verhängnis. Denn als die Fabrik schloss, hatten die Männer eine Ausbildung und damit eine Perspektive, die fehlte den Frauen.

Ein kurzer Traum von Freiheit

Diese Aussichtslosigkeit macht Lackenberger zum Thema. Sie lässt den allgemeinen Handlungsstrang hinter sich und stellt die Personen und ihre Geschichten in den Vordergrund. Und die sind so vielfältig wie tragisch. Ein Herr Pichler etwa, dem als ehemaliger Betriebsleiter mit der Schließung der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Oder Horst, der Karin (Annas beste Freundin, gespielt von Alexandra Kronberger) so gerne hätte, aber wenn dann bitteschön als Hausfrau und Mutter. Es gäbe noch so viele Charaktere zu beschreiben, aber eines ist ihnen allen gemein: die Hoffnung, den kurzen Traum von Freiheit vielleicht noch einen Sommer lang zu leben.

Von der Realität eingeholt

Auch wenn der Film in den 1980ern spielt (die Liebe zum Vergangenen lässt auf das Geschichtestudium der Regisseurin zurückführen), ist in einer Zeit der Digitalisierung, der Produktion in Billiglohnländern und der Großkonzerne aktueller denn je. "Damals wurde zwar nicht China diskutiert, damals diskutierte man Portugal und Spanien. Im Endeffekt läuft es aber auf das Gleiche hinaus", sagt Lackenberger. Sie schöpft aus den Erzählungen der Menschen und verarbeitet sie in Geschichten.
Dabei wird sie "oft von der Realität eingeholt", wie sie sagt.

Zu wenig nett, zu wenig blond

Nach "Vals" ist dies der zweite Spielfilm von Anita Lackenberger. Auf dem Weg dorthin wurden ihr nicht selten Steine auf denselben gelegt. Denn als Frau war es nicht einfach im Fernsehfilm-Business in Österreich Fuß zu fassen. Doch Lackenberger kämpfte sich durch und war unbequem, das brachte ihr nicht nur Freunde: "Ich war zu wenig nett und zu wenig blond." Von Rückschlägen unbeeindruckt arbeitet sie nun bereits an einem dritten Spielfilm. Auch der spielt wieder in der Vergangenheit, in den 1970ern nämlich. "Mich interessiert immer: Wie viel wirkt von der Geschichte nach?", meint die Regisseurin und Drehbuchautorin mit dem Faible für Historisches abschließend.

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