"Österreich kann in der EU ein Brückenbauer sein"

Die Kuchler Vizebürgermeisterin und EU-Gemeinderätin Carmen Kiefer sieht die Europäische Union als historisches Friedensprojekt. | Foto: Gemeinde Kuchl
  • Die Kuchler Vizebürgermeisterin und EU-Gemeinderätin Carmen Kiefer sieht die Europäische Union als historisches Friedensprojekt.
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Bezirksblätter:Was macht eine EU-Gemeinderätin?
Carmen Kiefer: Die Europäische Union ist das längstwährende und größte Erfolgsprojekt für Frieden, Menschenrechte, Freiheit, Wohlstand und Sicherheit in der Geschichte Europas. In den vergangenen Jahren haben jedoch mehrere Krisen und Herausforderungen das Vertrauen der Menschen erschüttert. Um dieses Vertrauen zu stärken sind wir gefordert, Europa dort zu vermitteln, wo es eigentlich seinen Ursprung hat – in der Gemeinde. Einerseits sollen europäische Themen mehr in den Gemeinden diskutiert und verstanden werden, andererseits aber auch die Anliegen der Gemeinden in Europa Gehör und Verständnis finden. Informationen über Gemdeindezeitungen und bei Diskussionsveranstaltungen sind die Möglichkeiten, die man als Europagemeinderätin hat und man kann auch auf das Experten-Netzwerk in Österreich zurückgreifen.

Warum ist Ihnen dieses Amt wichtig?

Kiefer: Es ist nicht das Amt, das wichtig ist, sondern was damit vermittelt werden soll. Österreich, seine Länder Regionen und Gemeinde profitieren auch als Nettozahler in jeder Hinsicht von der Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Leider gibt es derzeit Tendenzen diese Errungenschaften wieder in Frage zu stellen. Grenzen, die wir längst überwunden haben, sollen wieder aufgebaut werden, das ist der falsche Weg. Es gilt, den Menschen wieder bewusst zu machen, was die Europäische Union, die natürlich auch Reformbedarf hat, letztendlich für uns bringt. Niemand nimmt uns unsere Identität - als Kuchler, Tennengauer, Salzburger und Österreicher sind wir auch Europäer!

Sie sind auch Vertreterin des Österreichischen Gemeindebundes im Ausschuss der Regionen (AdR) und im Rat der Gemeinden und Regionen Europas. Wie sehen Ihre Möglichkeiten aus, die Themen, die auf Gemeindeebene wichtig sind, auf EU-Ebene zu platzieren?

Kiefer: Genau so wichtig wie die Stellungnahmen sind die persönlichen Kontakte, die man auf europäischer Ebene erhält und pflegt und der Austausch von Best Practice Modellen.
Es ist auch für die Arbeit in der Gemeinde oft wichtig einmal über den Tellerrand zu schauen und von anderen erfolgreichen Modellen zu lernen. Das natürliche und kulturelle Erbe in unseren Gemeinden macht nicht nur Österreich, sondern ganz Europa einzigartig. Der Ausschuss der Regionen setzt auch innerhalb der Europäischen Institutionen wichtige Initiativen, um den Bürgern dieses Erbe näher zu bringen.
In Europa gibt es knapp 100.000 Gemeinden, in vielen Ländern sind diese für die Erbringung der grundlegenden Dienstleistungen verantwortlich. Der Ausschuss der Regionen (AdR) ist dafür verantwortlich, den europäischen Gesetzgeber darüber zu informieren, mit welchen Herausforderungen es die lokale und regionale Ebene bei der Umsetzung von EU-Recht aufnehmen muss und den Gesetzgebungsprozess so zu beeinflussen, dass diese Umsetzung auch in der kleinsten Gemeinde noch bewältigt werden kann. Nur so ist die für uns so wichtige lokale Selbstverwaltung zu schützen.

Der Österreichische Gemeindebund vertritt die Interessen von 2.089 österreichischen Gemeinden und stellt so, zusammen mit dem Österreichischen Städtebund, eine schlagkräftige Interessenvertretung aller 2098 österreichischen Kommunen sicher. Da EU-Recht auch auf lokaler Ebene umzusetzen ist, bringt sich der Österreichische Gemeindebund überdies aktiv in die Arbeiten des Europäischen Dachverbandes „Rat der Gemeinden und Regionen Europas RGRE/CEMR“ und des Ausschusses der Regionen (AdR) ein und macht von seinem Stellungnahmerecht in Angelegenheiten der Europäischen Union gegenüber der österreichischen Bundesregierung Gebrauch. Ich bin eine von drei Vertreterinnen des Gemeindebundes in diesen Institutionen.

Sie waren gerade in Straßburg? Um welche Fragestellungen ging es bei Ihrem Besuch?

Kiefer: Auch im Kongress der Gemeinden und Regionen im Europarat setzen sich die nominierten Mandatare für die in der Europäischen Charta der lokalen Selbstverwaltung verankerten Prinzipien ein: Die Wahrung der kommunalen Selbstverwaltung ist nicht nur auf nationaler Ebene ein großes Anliegen.
2017 feierte der Gemeindebund sein 70-jähriges Bestehen. In dieser Zeit wurde viel erreicht, darunter die Einführung des Konsultationsmechanismus zur Sicherung der finanziellen Grundlagen der Gemeinden. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass die in der Europäischen Charta der lokalen Selbstverwaltung des Europarates festgeschriebenen Rechte kein Selbstläufer sind und es auch in Zukunft starker Partner bedarf, um die Bedeutung der kommunalen Selbstverwaltung auf nationaler und europäischer Ebene weiterhin ausreichend zu kommunizieren. Der Kongress wird 2019 wieder eine Monitoring-Mission nach Österreich unternehmen und die Situation der kommunalen Selbstverwaltung überprüfen.


Welche Chancen oder Probleme sehen Sie für Österreich, das am 1. Juli für ein halbes Jahr den EU-Ratsvorsitz übernimmt?

Kiefer: Österreichs Chance liegt sicher darin, aus dem Blickwinkel eines kleinen, aber sehr erfolgreichen Mitgliedsstaates, der sowohl auf Länder als auch Gemendeeben seine Stärken hat, etwas voran zubringen. Ich sehe Österreich als „Brückenbauer“ – Österreich kann sich im Rahmen der Präsidentschaft als „neutraler Makler“ und „Brückenbauer“ innerhalb der EU einsetzen. Spannungen innerhalb der EU sollen verhindert werden.
Österreich setzt auf ein Europa, das schützt. Dafür ist es notwendig, in einigen Bereichen auf eine tiefere Zusammenarbeit zu setzen, sich im Kleineren aber zurückzunehmen. Die Ratspräsidentschaft kann jedenfalls dazu nützen, die Sichtbarkeit Österreichs in Europa und der Welt zu erhöhen. Derzeit ist alles auf die Flüchtlingskrise konzentriert, aber noch so viele andere Themen sind von Bedeutung. Neben dem Brexit wird vor allem der mehrjährige Finanzrahmen des EU-Budgets nach 2020 eine große Herausforderung sein.

Wie sind Sie in diese Aufgabenstellung eingebunden?

Kiefer: Derzeit werden EU-weite Bürgerkonsultationen abgehalten. In einem offenen Dialog werden die Bürger nach ihrer Meinung, ihren Sorgen, ihren Wünschen und Vorstellungen gefragt. Ziel der Bürgerkonsultationen ist, eine möglichst große Anzahl von BürgerInnen in die aktuelle Debatte über die Zukunft Europas zu involvieren. Als Europagemeinderätin ist es mir wichtig darüber zu informieren und ins Gespräch zu treten: Wie soll die EU künftig aussehen? Worum soll sich die EU künftig kümmern – und welche Themen sollen besser auf nationaler Ebene geregelt werden? Was läuft derzeit weniger gut – und wie kann es besser gemacht werden? Wie stellen sich die BürgerInnen ihr Europa der Zukunft vor?
BürgerInnen sind eingeladen, bei Bürgerdialogen und ähnlichen Veranstaltungen zur Zukunft Europas teilzunehmen und mitzudiskutieren. Darüber hinaus wurde in Österreich ein nationaler Fragebogen entwickelt, der online allen Interessierten zur Verfügung steht. https://www.bundeskanzleramt.gv.at/fragebogen. Seit Juni 2018 können BürgerInnen auf Facebook, Twitter und Instagram den Hashtag #ServusEuropa benutzen, um auch online mitzudiskutieren.

Als Europa-GemeinderätInnen werde ich mich aktiv an diesem Prozess beteiligen. Die Ergebnisse der Bürgerkonsultationen werden in Österreich von der Bundesregierung gesammelt und ausgewertet. Am Ende des Konsultationsprozesses im Herbst werden von allen Mitgliedstaaten nationale Berichte mit den Ergebnissen ihrer jeweiligen Bürgerkonsultationen erstellt. Der Zeitplan sieht Debatten im Herbst 2018 vor sowie eine Präsentation der Zusammenfassung der Ergebnisse beim Europäischen Rat im Dezember 2018. Diese Informationen sollen – beginnend ab Dezember 2018 – in die Debatten der Staats- und Regierungschefs einfließen und sie dabei unterstützen, die prioritären Handlungsfelder für die nächsten fünf bis zehn Jahre zu identifizieren.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft Europas?

Kiefer: Vor allem ein Zusammenwachsen in den wichtigen Fragen und echte Solidarität zwischen den Nationalstaaten. Ich wünsche mir, dass die Solidarität bei der gerechten Lastenteilung durch regelmäßige Konsultationen und Dialoge erreicht wird. Und ich wünsche mir eine Erhöhung der Bürgerinformation und Teilnahme an der Entscheidungsfindung durch Elemente der direkten Demokratie, insbesondere durch verstärkten Einsatz neuer Informationstechnologien.

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