Superman im Vogelkäfig - Helden des Ausbruchs
Die Welt ist trotzdem schön
Der 1956 geborene Schweizer Sänger und Komponist hatte nie geplant, eine Weltreise zu machen. Und erst recht nicht, danach über (Gott und) die Welt ein Buch zu schreiben oder gar der Erde und deren Benutzern Bewertungen zu geben wie auf TripAdvisor. "Schauen wir einmal, wo außerhalb Europas wir bleiben wollen", sagten sich Vonwiller und die Grafikdesignerin Ligia Fonseca bloß, nachdem sie ihre Wohnung komplett aufgegeben hatten und mit nur zwei acht Kilogramm schweren Rucksäcken loszogen. Vielleicht passt ja Brasilien, wo Fonseca 1978 geboren wurde, vielleicht aber auch etwas Anderes. Jeder Ort schien für sie als neuer Wohnsitz grundsätzlich denkbar. - jeder außer Vonwillers "Lieblingskontinent" Afrika, der trotz sechsmaliger Überquerung des Äquators im Rahmen dieser Reise nicht besucht wurde: "Der geht nicht so auf die Schnelle", sagt er über das Stückerl Welt zwischen Tanger und Kapstadt.
Irgendetwas Heimeliges sollte sich aber finden lassen unter Zielen wie der iranischen Hauptstadt Teheran, Ulan-Ude in Sibirien oder der Salomonen-Insel Malaita, möchte man meinen. War aber nicht so. Also suchten die beiden immer weiter, mit Bussen, Zügen, Fähren, per Autostopp und zu Fuß - nur das Fliegen ließen sie aus, bis auf kurzfristig notwendig gewordene Ausnahmen wie die Strecke zwischen Timor-Leste und Australien. Die wurde von der einzigen verbliebenen Reederei für den Personenverkehr auf einmal nicht mehr angeboten. "Es war aber auch eine bewusste Entscheidung, so wenig wie möglich zu fliegen", sagt Fonseca. "Mit dem Flugzeug bist du irgendwann einfach da, mit jedem anderen Verkehrsmittel kommst du an", ergänzt Vonwiller.
Elektronischen Tand wie Laptops oder Tablet-Computer betrachteten beide als unnötigen Ballast beim "Eh-nur-schauen-wo-man-bald-leben-wird-auf-der-Welt" und packten nichts dergleichen in ihre Rucksäcke. Vonwiller schrieb ein bisserl was in Schulheften auf, tippte hie und da ein paar Worte in ein Uralt-Klapperhandy mit ausziehbarer Tastatur, vor allem aber schickte er regelmäßig aus Internetcafés Nachrichten an Freunde und Verwandte. Diese E-Mails, nie mit dem Betreff "Buchprojekt" abgeschickt, sollten schließlich die Basis von Superman im Vogelkäfig werden.
"Die Griechen sind faul, sehr faul, sensationell faul - wie die Schweizer. Der Traumberuf eines Schweizers ist: Schäfer ohne Schafe", schreibt er. Doch die explizite Kennzeichnung der politischen Unkorrektheit ist nicht mehr als die Fleißaufgabe des studierten Politikwissenschafters Vonwiller. Nie spielt er mit Klischees, ohne ebenso bissige Worte über den größten Klischeeträger zu verlieren: Der Westler in seiner Erscheinungsform als Tourist kommt am allerwenigsten ungeschoren davon - wie ein Schweizer Schaf eben.
Und der Vortragstitel? Die unterwegs abgelichtete Superman-Figur in einem Vogelkäfig symbolisierte für die beiden am besten, was Reisen heute ist: allen theoretischen Möglichkeiten zum Trotz ein Gefängnis, aus dem man real ausbrechen muss, um ein Held zu sein.
Mit amüsanten Geschichten und eindrücklichen Fotos berichten Adrian Vonwiler und Ligia Fonseca von einer Weltreise durch drei Meere, vier Kontinente und 44 Länder. In 403 Tagen auf der Nordhalbkugel und 422 Tagen auf der Südhalbkugel überqueren Ligia Fonseca und Adrian Vonwiller sechsmal den Äquator. Die ursprüngliche Idee, möglichst wenig zu fliegen, führt sie mit Zug, Bus, Autostopp und Schiff durch ganz Asien bis in die Südsee und dann von Kalifornien bis nach Brasilien. Der Text entstand aus Hunderten von E-mails an Freunde, geschrieben auf altersschwachen Computern in Internetcafés in irgendwelchen Dschungelkäffern. 256 kbit/s bei 38°C und 100% Luftfeuchtigkeit, in dauernder Angst vor dem Stromausfall oder den Malariamücken. Die Fotos sind eine Auswahl von 16’000 Aufnahmen, geschossen mit ein und derselben Sony-Pocketkamera, die gestohlen und von den Dieben zurück gekauft, die ganze Reise überlebte. – „Wie ist denn nun diese Welt so?“ – Sie nervt! – und ist trotzdem schön!
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