Interview: EIn Mobbingopfer bricht sein Schweigen

Nach den aktuellen Meldungen über das menschenverachtende Miteinander im Internet, besser bekannt als Cybermobbing, möchte ich Ihnen dieses Mal einen Menschen vorstellen, der bereits Jahrzehnte vor der technischen Welt mit Handy und Computer mit verbalen Übergriffen Anderer zu kämpfen hatte. ``Mobbing`` ist nicht nur ein Thema von ``heute``, wie dieser Fall beweist. Stefan L. ist 38 und lebt in Villach.

Stefan, kannst du dich erinnern, wann haben diese Übergriffe begonnen?
"Ja, ich war 12 Jahre alt und kann mich noch an den Tag erinnern. Es war zwar schon vorher so, dass ich mich immer auf dünnem Eis bewegte, was die Sympathien der anderen zu mir anging, aber an diesem Tag merkte, ich das es anders war. Man ignorierte mich und grinste hinter meinem Rücken. Es war zwar unangenehm, doch hoffte ich, dass es wieder vorbeigehen würde! Doch es wurde von Tag zu Tag schlimmer, und die Spirale des Spottes und der Verachtung immer grösser. Je mehr diese Verachtung mir entgegen gebracht wurde, desto weniger wurde mein Selbstwertgefühl und ich schaffte es nicht mehr, mich zu wehren! "

Waren Die Täter in deinem Alter?
"Ja, sie gingen mit mir in eine Klasse. Dann haben auch die
Parallelklasse mitgezogen, zumindest die guten Freunde der Mobber."

Wie haben die anderen Mitschüler darauf reagiert?
"Nur Wenige hielten sich zurück oder reagierten zu meinem Gunsten.
Es war dann aber so, dass mich schon die kleinsten Bemerkungen von Schülern verletzten konnten, obwohl sie es vielleicht nicht mal so meinten! Aber wie gesagt, ich hatte kein Selbstwertgefühl mehr."

Wie kann man sich diese Übergriffe vorstellen?
"In der Pause beispielsweise stand ich meistens alleine rum, oder ging mich sogar aufs Klo verstecken. Manchmal folgten sie mir und begannen zu erzählen, das ich am Klo onaniert hätte. Auch konnte ich vom Gang aus in der Pause beobachten, wie meine Schulsachen zerstört wurden.
Als ich dann mein Zeug wieder in Ordnung brachte, meinte eine Kollegin zu einer Anderen: Recht so!
Oder, im Werksunterricht, da bildeten die Schüler einen Kreis, wenn einer ein Werkstück zu zeigen hatte, ich durfte hinten anstehen, man nahm mich nicht dazu.
Sie bewarfen mich in der Klasse von den hinteren Tischen mit irgendwelchem Zeugs. Im Sportunterricht wurde ich immer als letztes gewählt, nein ich wurde nicht gewählt, mich bekam die “bedauernswerte” Gruppe, weil ich übrig blieb. Manchmal kam einer, legte dann Arm um mich und stellte mir blöde Fragen, tat so , als ob er es gut meinte und verarschte mich. Lachte zurück zu den anderen, während er auf mich einredete."

Hast du körperliche Gewalt auch erfahren?
"Nein, aber das seelische war so verletzend, das auch meine
schulischen Leistungen immer mehr nachliessen und ich krank wurde. ich wurde ein Asthmatiker, von meinem ständigen damaligen Bauchweh und Übelkeit gar nicht erst zu reden!"

Kannst du dir vorstellen, dass du diesen Menschen ungewollt Nahrung für ihr Tun gegeben hast?
"Meine Familie war eher ärmlich, oder sagen wir, sie entsprach nicht den damaligen Standart und meine Eltern waren beide dem Alkohol zugeneigt. Ich war ein kleiner, blasser und schmächtiger Junge und mit meinen 12 Jahren noch relativ kindlich und verspielt. Im Gegensatz zu mir machten die coolen Jungs in meinem Alter schon die ersten Erfahrungen mit Mädels oder gingen ihren gemeinsamen Aktivitäten, wie Fussball nach oder so."

Wie hast du zum Zeitpunkt der Übergriffe reagiert bzw. reagieren können?
"Überhaupt nicht! Waren am Anfang noch klägliche Versuche der Wehr vorhanden, verlöschten auch diese mit der Zeit."

Hattest Du Jemandem, mit dem du über diese Dinge reden konntest, den Eltern zum Beispiel?
"Ich schämte mich auch auf so furchtbare Weise, weil mir das passierte, dass ich mit keiner Menschenseele darüber sprach. Und wenn ich mich zu Hause ins Bett heulte, fragten meine Eltern nie nach dem Warum, nur einmal fiel diese Bemerkung: du hast keine Freunde in der Schule.
Aber auch die Lehrer ignorierten es, obwohl sie es mitbekamen. Aber warum sollten sie sich auch
mit den Nöten eines 12/13 Jährigen auseinandersetzen, wo doch ein Teil der Kinder von ihren
Lehrerkollegen waren."

Glaubst du, das das Mobing nach so einem langen Zeitraum Folgen nach sich zieht?
"Mittlerweile sind es gut 25 Jahre her, und ich denke, dass ich das heute überwunden habe. Vielleicht sind auch noch ein paar Sachen hängengeblieben, was meine Art betrifft, aber es kamen in den Jahren danach wieder so viele positive und guten Dinge auf mich zu, das ich es in den ersten zehn Jahren auch erfolgreich verdrängt habe. "

Meinst du hatten diese Übergriffe Folgen, was deine persönliche Entwicklung betrifft?
"In den ersten Jahren nach der Schule- ja! Wann immer jemand mir gegenüber übermächtig erschien, konnte ich mich nicht mehr wehren und wurde wieder stumm. Ganz besonders merkte ich das dann in der Lehrzeit und in der Berufschule kiptte das ganze fast wieder ins Mobbing. Aber da hatte ich glück und es kam nicht zur sPirale der Verachtung. Und ich wurde melancholisch, und teilweise sehr sensibel. Erst als junger Erwachsener traf ich auf Menschen, die zu Freunden wurde, die mich nahmen wie ich damals war du die mich mochten. Erst da konnte ich mich richtig öffnen, und merkte, dass das Leben auch schön sein kann. Aber erzählt habe ich nie jemanden was vom Mobbing damals, ich war ja froh, dass es nach der vierten Klasse vorbei war! Ich kann mich noch an den Tag erinnern, als ich mich in den Zug setzte und nach Hause fuhr. Das war der wohl beste Tag damals in meiner Kindheit. Weil es vorbei war!
Jetzt, Jahre nach dieser Erfahrung, wie geht’s du heute damit um?
Heute kann ich drüber reden, sonst hätte ich dieses Interview nie gegeben. Heute , nach dieser langen Zeit, berührt es mich auch nicht mehr. Natürlich erwischte ich mich auch bei dem Gedanken, was hätte ich besser machen können, aber das lag ja nicht in meiner Hand. Ich glaube auch nicht, das mir das wehren damals geholfen hätte, ich war ja erst zwölf. Ich denke mir, mich trifft keine Schuld, wenn die wen trifft, dann die Erwachsenen und Lehrer, die weggeschaut haben und den zwölfjährigen mit seiner Überforderung alleine gelassen haben!"

Wenn du jetzt und heute auf einen der Mobbing Täter treffen würdest, was würdest du ihm sagen?
"Wenn ich heute wen von den treffen sollte, käme von mir nur Ignoranz. Ich würde keinem von denen nur die geringste Beachtung schenken. Dafür haben sie mir zu viel Kindheit gestohlen!
Die bekannt geworden cybermobbingfälle, siehst du parallelen?
Mobbing bleibt Mobbing, egal ob es in der Klasse heimlich passiert oder durch das Internet
Wäre mir das damals so öffentlich passiert, hätte ich die Blamage wohl nicht überlebt. Aber-
den Computer kann ich ausschalten, da kann ich aussteigen, das konnte ich aus meiner damaligen
Klasse nicht!"

Was würdest du einem Mobbingopfer, der in derselben Situation wie du damals warst, raten?
"Einen Rat geben ist schwer, weil du ja erst mal die Spirale der Verachtung durchtrennen musst. Ein Gemobbter kann sich auch nicht selber helfen. Ich würde ihm von meiner Geschichte erzählen. Mobbing kann auch für Außenstehende manchmal nicht richtig erkennbar sein, deshalb würde ich dem Gemobbten zu raten: reden! Wenn die Scham überwunden ist, kann man sich Hilfe holen, und das ist dann sicher möglich!"

Hast du eine Botschaft an Menschen, die Mobbing betreiben?
" Stehlt den Anderen nicht die Kindheit mit eurem Mobbing und vergesst auch nicht, alles kommt irgendwann irgendwie im Leben zurück, auch euch Mobbern! Und wenn ihr irgendwann erwachsen und reif genug seid, wird euch euer schlechtes Gewissen genauso wenig loslassen, wie meine Erkenntnis, dass ich nie eine glückliche Kindheit gehabt habe!"

Stefan, ich danke Dir für das offene Gespräch!

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