Kommentar
Die Summe der Einzelteile

Christian Marold
RZ-Chefredakteur | Foto: RZ

Immer höher, immer weiter und vor allem immer schneller. Das ist mittlerweile das Credo im Wintersport. Und darin steckt auch das – von vielen übersehene - magische Wort: SPORT. Ja, auch der jahreszeitlich bedingte Freizeitsport Nummer Eins im Ländle ist ein Sport. Aber ich möchte die Freizeitaktivitäten in den Bergen nicht nur auf das Skifahren reduzieren. Derzeit tummeln sich neben „Skihasen“ auch noch unzählige Skitourengeher und Rodelfanatiker auf den eh schon recht kleinen Flächen in den Bergen. Der Schnee ist zwar kurz vor den Semesterferien gekommen, aber von den Rekordhöhen von bis zu dreieinhalb Metern aus der vergangenen Saison können wir nur träumen. Auch das Beschneien der Pisten hält sich in Grenzen, denn die Temperaturen waren, und sind in dieser Saison im Schnitt viel zu warm. Das bedeutet, auch wenn die Pisten derzeit gut präpariert sind, ist bei einer Massenabfertigung, wie wir sie am vergangenen Wochenende in den meisten Skigebieten erleben durften, irgendwann mal Schluss. Ab Mittag sind die Pisten nur noch eine Anhäufung von geschobenem Schnee, die Qualität ist dahin: aus Hartschnee wird Nassschnee.

Zugegeben, auch ich bin ein leidenschaftlicher Skifahrer und was gibt es Schöneres als kurz vor oder mit dem Sonnenaufgang die noch fast leeren Pisten zu erobern. Auffallend ist immer wieder, wie opferbereit und teilweise auch unkontrolliert die meisten gleich ihre ersten Wedeleinheiten den Hang hinunter suchen. Opferbereit darum, weil im Grunde die wenigsten auch nur daran denken sogenannte Trocken- oder Aufwärmübungen vor dem eigentlich Pistenvergnügen zu machen. Denn wir sprechen immer noch von Sport. Bei den Tourengehern verhält es sich ähnlich nur umgekehrt. Hier werden vom Start an alle Körperteile auf sanfte Art auf Betriebstemperatur gebracht. Die Bewegungen sind im Vergleich zum herkömmlichen Skisport gemächlich und für den gesamten Körper recht sanft. Am Ziel der Tour angekommen hat der Körper und auch der Geist viel geleistet. Sprich, beide sind müde. Und meist beginnt gerade jetzt die Überschätzung des eigenen Könnens. Denn die Abfahrt im nicht gesicherten Tiefschneegelände bedeutet noch einmal alles für Körper und Geist.

Die Fraktion Freizeitrodler hat ihre eigenen Gesetze. Sie verzichtet teilweise auf jegliche sportliche Zusatzausrüstung. Schlechtes Schuhwerk, schlechte Winterbekleidung und auch bezüglich Rückenprotektoren oder gar Helmen ist das Verständnis der Rodelfraktion noch in der Steinzeit.

Einzelteile nur, aber gerade die Summe der Einzelteile ist es, die vermehrt zu Unfällen führt. Allein vergangenen Sonntag gab es - nur im Ländle - über 20 Hubschraubereinsätze. Dazu kamen nicht gezählte Rettungs- und Krankentransporte. Am Ende eines Wintersporttages kostet das nicht nur die Gesundheit, sondern auch richtig viel Geld.

Das Prinzip von „Immer höher, immer weiter und immer schneller“ sollte also noch um den Faktor der fehlenden Selbsteinschätzung erweitert werden. Die Materialien im Wintersport werden immer besser und verleiten auch dazu eben immer schneller zu werden. Die Skiliftbetreiber möchten immer mehr anbieten sowohl auf der Piste als auch abseits. Und bei Abseits meine ich eher die Stunden in den Bars, an den Schirmen und Skihütten. Es ist mittlerweile kein Kavaliersdelikt mehr sternhagelvoll oder eben auch nur leicht angetrunken die Pisten runterzufahren. Das ist schlicht fahrlässig, für sich selbst und die anderen.

Am Ende eines schönen Wintertages sollte es doch für alle ein erlebnisreicher sportlicher Ausflug gewesen sein. Da kann jeder gerne auf einen Hubschrauberflug über das Ländle verzichten. Liegend und voller Schmerzen sieht man eh nichts.

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