Was die Schweiz macht, ist nicht nachvollziehbar
LH Wallner zur aktuellen Lage

Landeshauptmann Markus Wallner zur aktuellen Lage und den Massentestungen. | Foto: VLK/A. Serra
  • Landeshauptmann Markus Wallner zur aktuellen Lage und den Massentestungen.
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Landeshauptmann Markus Wallner hofft auf eine gute Teilnahme an den Massentests und er lässt sich impfen

Herr Landeshauptmann – bevor wir in die Tiefe gehen grundsätzlich die Frage an Sie: Wie geht es Ihnen und Ihrer Familie? Wie groß ist die Belastung derzeit durch die angespannte Situation?

Wie Sie sich vorstellen können, war ich persönlich in den letzten Wochen und Monaten fast rund um die Uhr im Einsatz, auch am Wochenende. Da ist natürlich leider auch weniger Zeit für meine Familie geblieben. In freien Stunden gelingt es mir in der Natur wieder aber gut, den Kopf wieder frei zu bekommen.

Bleiben wir beim Thema Familie: Werden wir im größeren Kreis Weihnachten feiern können?

Auch wenn sich die Infektionslage in Vorarlberg derzeit Gott sei Dank bessert, dürfen wir aber nicht vergessen, dass wir von einer sehr, sehr hohen Inzidenz kommen und unsere Spitäler noch immer an der Belastungsgrenze sind. Bevor Risikogruppen im Land nicht geimpft sind – und das wird vermutlich noch ein wenig dauern – dürfen wir uns nicht in einer falschen Sicherheit wiegen. Denn die kalte Jahreszeit bietet optimale Verhältnisse für das Virus und die 2. Welle hat uns weit härter getroffen. Dennoch: Im engsten Familienkreis sind Weihnachtsfeiern aber selbstverständlich möglich.

Was erhofft sich das Land von der bevorstehenden Massentestung?

An erster Stelle möchte ich betonen, dass diese selbstverständlich freiwillig bleiben und es sind keine Konsequenzen geplant, wenn man nicht daran teilnimmt. Es ist eine Chance, gemeinsam gegen Corona vorzugehen. Jede und jeder Einzelne kann einen Beitrag leisten. Wenn alle mitmachen, könnte man mit einer Aktion soviele Infizierte finden, wie wir derzeit aktive positive Fälle in Vorarlberg haben. Dadurch werden die Infektionsketten schneller durchbrochen, wodurch wir früher aus dem Lockdown kommen könnten. An dieser Stelle deshalb noch einmal an Appell: Bitte gehen Sie hin und lassen Sie sich testen!

Könnten durch erhöhte Infektionszahlen bei manchen systemrelevanten Berufen (Lehrer und Polizei) der reibungslose Ablauf nicht gefährdet sein oder blickt man da auf die Erfahrungen und Ergebnisse von Südtirol und der Slowakei mit einer Neuinfektionsrate zwischen 0,6 und 0,9 %?

Natürlich könnte es grundsätzlich sein, dass durch die Testungen gewisse Cluster aufgedeckt werden. Im Sinne der Brechung von Infektionsketten wäre dies aber positiv. Nachdem Personen in systemrelevanten Berufen derzeit bereits in regelmäßigen Abständen getestet werden, gehen wir nicht davon aus, dass es in diesen Bereichen zu Einschränkungen kommen wird.

Ähnlich wie im Frühling fragen sich viele, warum die europäischen Länder inkl. der Schweiz und Liechtenstein so unterschiedliche Strategien aufweisen. Von Lockdown light bis zum harten Lockdown finden wir völlig unterschiedliche Herangehensweisen. In der Schweiz sitzen alle gemütlich in den Cafés und Restaurants und ein paar Kilometer weiter ist alles komplett zu. Das ist für viele nur sehr schwer zu begreifen. Warum gibt es keinen einheitlichen Fahrplan?

Wieso in der Schweiz Restaurants und Bars noch immer offen haben, verstehe ich ehrlich gesagt auch nicht. Denn die Spitäler sind voll und auch der medizinische Rat empfiehlt der Regierung dringend, weitere Maßnahmen zu treffen. In ganz Europa sehen wir derzeit aber überwiegend ähnliche Strategien und Maßnahmen, die auf Empfehlung von Medizinern von den Regierungen getroffen werden. Zudem glaube ich, dass es grundsätzlich regionale Spielräume geben sollte. Nur weil es im Burgenland oder in Berlin hohe Fallzahlen gibt, heißt das noch nicht, dass ganz Österreich oder ganz Europa deswegen in den Lockdown muss.

Apropos einheitlicher Fahrplan: Wie sehen sie die europaweite Diskussion zu der bevorstehenden Skisaison?

Unser Ziel muss es sein, die Infektionszahlen nachhaltig unter eine Inzidenz von 50 zu drücken. Ansonsten werden auch keine deutschen Gäste zu uns kommen können, ohne dass sie in Quarantäne bei der Rückreise nach Deutschland müssen. Vor diesem Hintergrund ist die Diskussion derzeit für mich noch zu früh, denn wir haben immer noch eine Inzidenz die weit über diesem Wert liegt. Was für mich jedoch klar ist: Ich spreche mich gegen eine europaweite Schließung der Skigebiete aus. Es wird mit großer Wahrscheinlichkeit eine Wintersaison geben, wenn auch eine andere als üblich.

Kurzer Blick auf die Wirtschaft: In manchen Sparten spürt man wenig bis gar nichts von der Krise. Im Handel, Gastronomie und Tourismus hingegen sind viele am absoluten Limit bzw. haben durch die zweite Welle und die Folgen ihre Existenz verloren. Was sagen Sie diesen Menschen im Land?

Ich verstehe, dass die Corona-Pandemie viele Menschen vor große Existenzängste stellt. Deshalb gibt es eine Reihe von finanziellen Hilfeleistungen für die betroffenen Branchen. Die Gastronomie bekommt zum Beispiel 80% des Umsatzes aus dem Vorjahr als Entschädigung. Auch die Kurzarbeit wurde ein weiteres Mal verlängert. Ich verstehe aber, dass Menschen Sorgen haben. Trotz der großen Einnahmeausfälle für das Land möchte ich der Bevölkerung im Land deshalb versichern, dass wir keine Sozialleistungen kürzen werden und alles dafür tun, damit wir im Jahr 2021 wieder möglichst schnell zu alter Stärke finden können.

Thema Bildung und Ausbildung: Viele Jugendlichen befürchten, dass sie ausbildungstechnisch auf der Strecke bleiben. Sowohl einen Lehrberuf finden zu können oder sich mit dem Zeugnis im Februar auf weitergehende Schulen zu qualifizieren. Der erneute Lockdown trifft also vor allem unsere zukünftigen Generationen hart. Wie sollen wir diese Generation sicher auffangen. Geht das überhaupt?

Auch diese Sorgen verstehe ich und deswegen haben wir die Mittel im Budget für die Jugendbeschäftigung im Jahr 2021 um über 3 Millionen Euro aufgestockt. Ziel ist es ganz klar, dass wir keinen Jugendlichen zurücklassen. Wir sehen in den Zahlen des AMS derzeit zudem sehr gut, dass viele Lehrstellen noch frei sind und sich Jugendliche auf einige wenige Bereiche bei ihren Bewerbungen konzentrieren. Hier müssen wir weitere Informationskampagnen starten. Am Beispiel meines Sohnes sehe ich, dass da E-Learning in den Schulen gut funktioniert. Aber auch in diesem Bereich müssen wir alles dafür tun, dass schwächere Kinder in dieser Zeit eine besondere Unterstützung bekommen.

Wie sieht der ungefähre Fahrplan, ohne sich jetzt dogmatisch festzulegen, für die nächste Zeit aus? Sehen Sie eine große Bereitschaft für die freiwilligen Corona-Impfungen? Werden Sie sich impfen lassen?

Am kommenden Wochenende finden die freiwilligen Corona-Tests der Bevölkerung statt. Ich wende mich deshalb noch einmal ganz direkt an die Bevölkerung, die Chance zu ergreifen, ein Zeichen des Zusammenhalts und der Solidarität zu setzen und freiwillig an den Tests teilzunehmen. Es ist eine Gelegenheit, gemeinsam gegen Corona vorzugehen. Jede und jeder Einzelne kann einen Beitrag leisten, Infektionen zu finden, Infektionsketten zu brechen und die Pandemie zurückzudrängen! Ein zuverlässiger Impfstoff scheint bald verfügbar zu sein, deshalb blicke ich positiv in die Zukunft und ich werde mich persönlich impfen lassen, sobald dies möglich ist. Mir ist es an dieser Stelle wichtig zu betonen, dass die Corona-Impfung für die breite Bevölkerung freiwillig bleiben wird.

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