Porträt: Edwina Hillinger
„In der nächsten Sekunde kann alles aus sein“

Edwina Hillinger (geb. Weber) hat ihrem Gehirntumor den Kampf angesagt und lässt ihn gedanklich wie Seifenblasen zerspringen. | Foto: Christina Gärtner
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  • Edwina Hillinger (geb. Weber) hat ihrem Gehirntumor den Kampf angesagt und lässt ihn gedanklich wie Seifenblasen zerspringen.
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Im Jänner 2020 wurde bei der 40-jährigen Zweifachmutter ein bösartiger, inoperabler Tumor des Kleinhirns diagnostiziert. Nachdem der Tumor im Juli fast weg war zeigte sich im Oktober, dass er gestreut und Metastasen gebildet hat. Die Ärzte rieten ihr: „Regle deine Sachen, da kann man nichts mehr machen.“ Doch Edwina Hillinger kämpft und will die Hochzeiten ihrer beiden Söhne mitfeiern. Und sie hat eine wichtige Botschaft.

WELS. Geboren am 11. April 1980 in Wels wuchs Edwina in Krenglbach auf. Nach der Volksschule Krenglbach, der Hauptschule Buchkirchen und der Polytechnischen Schule in Grieskirchen startete sie eine Lehre als Schilderhersteller (heute: Beschriftungsdesign und Werbetechnik) bei Teibrich in Wels. Da Sohn Lukas während der Lehrzeit auf die Welt kam büffelte die junge Mutter in der Karenzzeit für ihre Lehrabschlussprüfung. 1999 wechselte sie zu Weingartner und lernte am neuen Arbeitsplatz langjährige Freunde und spätere Arbeitgeber kennen. „Manfred Hager machte sich mit Patrick Angerer 2007 selbständig. Ich bin ihnen 2008 zu ‚The Signers‘ gefolgt und mit mir ehemalige Kollegen wie Anita Böhm und mein bester Freund Patrick Kratochwill“, glänzen die Augen, wenn sie begeistert von ihrer Arbeit und dem Teamgeist spricht. „Ich bin immer gerne in die Arbeit gegangen und war nie krank. Außer zu Weihnachten, und das dafür pünktlich jedes Jahr.“

„Familie ist alles“

2011 lernte Edwina Weber ihren Marco kennen, den sie am 30. Mai 2015 heiratet. Für ihren Sohn Lukas war klar, dass er mit der Hochzeit ebenfalls ein „Hillinger“ werden möchte und trägt seither den gemeinsamen Familiennamen. Am 22. Juni 2017 kam der jüngste Sohn Simon zur Welt. Rückwirkend weiß man, dass es bereits damals zu ersten Anzeichen der Krankheit kam. „Vor allem wenn ich Alkohol getrunken habe kämpfte ich in der Nacht mit starken Krämpfen, Übelkeit und Erbrechen. Aber auch ohne kam es immer wieder zu ‚Anfällen‘. Im Dezember 2018 war es so schlimm, dass mich der Notarzt ins Krankenhaus brachte. Nachdem die verabreichten Medikamente gewirkt haben wurde ich wieder entlassen“, blickt Edwina Hillinger zurück. Über die Frage, ob eine Magnetresonanztomographie (MRT) oder eine Computertomografie (CT) in dieser Nacht den Tumor früher Zutage gefördert und eine Heilung begünstigt hätte, möchte sie nicht nachdenken. Es sollte noch ein Jahr vergehen, ehe sie erneut ins Krankenhaus kam. „Meine Wortfindungsstörungen wurden 2019 immer schlimmer. Meine Familie hat es bemerkt und mich gedrängt, mich untersuchen zu lassen. Mir war zu diesem Zeitpunkt klar, dass ich etwas im Kopf haben muss.“ Nach einem Krampfanfall wurde Edwina am 17. Jänner 2020 ins Klinikum Wels eingeliefert. Ein Sprachtest und ein daraufhin angeordnetes CT brachte die Gewissheit. Im Kleinhirn drückte ein 3 x 2 Zentimeter großer Tumor auf das Sprachzentrum. Zur weiteren Behandlung wurde Hillinger ins KUK nach Linz überwiesen, wo am 31. Jänner, nach einer überstandenen Influenza, die Therapie begann.

„Mit Willenskraft lässt sich viel bewirken“

Eigentlich tritt ein Medulloblastom hauptsächlich im Kleinkindes- und Kindesalter auf und ist in dieser Altersgruppe der häufigste bösartige Hirntumor. Im Erwachsenenalter liegt der Anteil bei nur einem Prozent aller Hirntumore, weshalb nicht viel über erfolgreiche Behandlungen bekannt ist. „Bei mir wurde eine Biopsie gemacht. Der Tumor konnte allerdings nicht komplett entfernt werden, da die Gefahr zu groß war, dass ich vielleicht weder sprechen noch etwas verstehen kann. Auf die Operation folgten Bestrahlungen und eine Chemotherapie.“ Im Juli war der Tumor fast vollständig verschwunden. Beim Kontrolltermin im Oktober folgte die große Ernüchterung: Der Tumor hatte gestreut „wie ein Schneegestöber“ und fünf Metastasen im Kopf gebildet. „Es ist, wie es ist. Ich bin froh, dass es nicht eines meiner Kinder, sondern mich erwischt hat,“ hadert Hillinger nicht mit ihrem Schicksal. Sie fragt auch nicht nach dem „Warum ich?“, sondern konzentriert sich auf die Zukunft. Eine Zukunft, für die es keinerlei Prognosen gibt, wie lange sie dauern wird. „Als die Metastasen entdeckt wurden haben mir die Ärzte gesagt, dass nichts mehr zu machen sei. Sie haben mir geraten, meine Sachen schnell zu regeln. Doch ich habe nicht vor, in nächster Zeit zu sterben.“

„Geht nicht gibt es nicht“

Begleitend zur Chemotherapie in Tablettenform hat sich Edwina Hillinger dazu entschlossen, alles zu unternehmen, um den Tumor zu besiegen. Von der Bioresonanz-Therapie über Pendeln und Bachblüten bis hin zur Methadon-Therapie lässt sie nichts unversucht. Dass sie jetzt wieder reden und schreiben kann gibt ihr Hoffnung. „Wenn ich wieder einmal nicht schlafen kann lasse ich in Gedanken meinen Tumor platzen wie eine Seifenblase. Das ist etwas Schönes und lässt mich ohne MR denken, dass es besser wird. Und mit Willenskraft lässt sich viel bewirken.“ Vor allem die Begleitung durch einen Horner Oberarzt weckt ihren Lebensmut und Kampfgeist. „Seine Devise lautet: ‚Gibt’s nicht, gibt’s nicht!‘. Für ihn stimmt es nicht, dass es keine Therapie mehr geben würde. Es macht mir Mut, dass er einen Patienten behandelt, dem ebenfalls nur mehr wenige Monate prognostiziert wurden und der heute, sechs Jahre später, wieder Tennis spielt.“

„Niemals im Streit auseinandergehen“

Etwas, das Edwina Hillinger erst durch ihre Krankheit gelernt hat, möchte sie mit allen teilen. In der Hoffnung, dass sie gesunde Menschen dazu bewegen kann, es besser zu machen, bevor das Schicksal dazu führt, etwas ewig zu bereuen. „Man muss sich viel mehr bewusst sein, dass das Leben in der nächsten Sekunde vorbei sein kann. Deshalb sollte man sich gut überlegen, ob man im Streit auseinandergeht. Man sollte jeden Tag darüber nachdenken, wie man sich voneinander verabschiedet. Es könnten die letzten Worte sein, die man miteinander spricht. Und oft weiß man nicht einmal mehr, warum man eigentlich streitet oder aufeinander böse ist.“ Früher sprach sie selbst oft nach einem Streit zwei Wochen nichts mit dem Partner und bezeichnet sich selbst als „schwer versöhnlich“. Das Schicksal hat ihre Denkweise verändert. „Natürlich streite ich auch noch mit meinem Mann oder den Kindern. Aber ich mache es nicht mehr wie früher, dass ich sie mit Schweigen strafe und auf eine Entschuldigung warte. Ich würde mich nie wieder im Streit schlafen legen. Zumindest ein ‚Gute Nacht‘ oder ‚Auch wenn wir streiten habe ich dich lieb‘ kann man sagen. Vielleicht liest das jemand und nimmt es zum Anlass, sich zu ändern. Und behält mich in Erinnerung.“

„Ich will noch nicht gehen“

Bei jedem, egal ob Familie, Freunden, Bekannten oder Kollegen, hat Edwina auf die eine oder andere Art einen bleibenden Abdruck hinterlassen. Sie ist sehr dankbar für ihre Freunde, die zur Familie wurden und möchte für jeden eine Erinnerung schaffen. Damit etwas von ihr bleibt, wenn sie irgendwann einmal gehen muss. Ihre Familie macht ihre Liebe durch ein gemeinsames Tattoo über den Tod hinaus sichtbar. Auch Freunde zeigen mit diesem Körperschmuck, wie viel sie ihnen bedeutet. Die Bedeutung des "vegvísir-Symbols" bedeutet laut Huld Manuskript: „Wenn jenes Symbol geführt wird, soll der Träger weder bei Sturm noch Wind verloren gehen, selbst wenn der vor ihm liegende Weg unbekannt ist“. Über ihr bisheriges Leben sagt Edwina Hillinger selbst: „Ich habe viel erlebt und bereue nichts. Es sind so viele Menschen da, die nachschauen kommen, mich unterstützen und mir helfen. Besonders mein Mann ist meine große Stütze. Ich habe Angst vor dem Tod, aber es ist ein Trost zu wissen, dass man den Menschen etwas bedeutet hat. Man muss zufrieden sein mit dem, was man hat und nehmen wie es ist, was man nicht ändern kann. Aber ich möchte nicht gehen und noch bei der Hochzeit meiner beiden Kinder dabei sein.“

Wie es ihr die Ärzte geraten haben, hat sie bis zum Jahresende alle Dinge geregelt, den Port für die Chemotherapie entfernen lassen und mit Hilfe von Freunden und Familie Projekte und Ideen verwirklicht, die ihr wichtig waren. Edwina Hillinger hakt 2020 ab und startet 2021 mit dem Gedanken: „Das Leben ist schön – und mit Freunden und Familie wie meiner will ich nicht sterben.“

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