Interview
Christian Abenthung: Das Leiden der Ortschefs – mit Umfrage

Sind Bürgermeister "die Deppen der Nation"? Bgm. Christian Abenthung spricht darüber! | Foto: Die Fotografen
  • Sind Bürgermeister "die Deppen der Nation"? Bgm. Christian Abenthung spricht darüber!
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Einige Bemerkungen von Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl zum Thema "Höhere Entlohnung für Ortschefs" in einem Bericht der Tiroler Tageszeitung sorgen für Aufregung.

(mh). Einige Bemerkungen von Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl zum Thema "Höhere Entlohnung für Ortschefs" in einem Bericht der Tiroler Tageszeitung sorgen für Aufregung.
Alle Probleme, mit denen BürgermeisterInnen zu kämpfen haben, fasst Riedl so zusammen: "Eigentlich müsste jeder Minister und jeder Abgeordnete Bürgermeister gewesen sein, damit er weiß, wie es vor der Haustür zugeht!"

Viel Arbeit – wenig Kohle

Christian Abenthung ist Bürgermeister in Axams und verantwortet ein 12-Millionen-Euro-Budget im 50-MitarbeiterInnen-Gemeindebetrieb. Weitere Funktionen: Planungsverbandsobmann (unbezahlt, 6 Gemeinden), Obmann des Altersheimverbandes (unbezahlt, 3,5 Mio. Budget, 80 MitarbeiterInnen). Handels- und gewerberechtlicher Geschäftsführer des Freizeitzentrums (unbezahlt, dafür mit persönlicher gesellschaftsrechtlicher Haftung mit Privatvermögen, 1 Mio. Budget, 10 MitarbeiterInnen). Obmann des Abwasserverbandes (unbezahlt, 2,5 Mio. Budget, 1,5 Mitarbeiter). Obmann des Standesamtverbandes (unbezahlt, 1 Mitarbeiter). Obmann des Schulverbandes (unbezahlt). Wir baten zum Interview.

Bezirksblatt: Herr Bürgermeister, sind die Ortschefs die Deppen der Nation (Anmerk.: Headline des Leitartikels in der TT)?
Abenthung: Mit dieser Einstufung allein könnte man leben. Die zunehmende Belastung aufgrund der rechtlichen Situation in vielen Bereichen wird aber tatsächlich immer ärger. Die Gefahr, falsche Entscheidungen zu treffen, steht jeden Tag im Raum. Insbesondere bei Bauangelegenheiten ist man laufend mit Androhungen des Amtsmissbrauchs konfrontiert. Da stehen dann nicht nur strafrechtliche Verfolgungen im Raum, sondern auch die Haftung mit dem Privatvermögen!

Bezirksblatt: Die Bürgermeisterentlohnung wird diesen Argumenten häufig entgegengehalten. Handelt es sich um Jammern auf hohem finanziellem Niveau?
Abenthung: Wer Bürgermeister des Geldes wegen sein will, ist sowieso falsch am Platz. Das muss klar gesagt werden.

Bezirksblatt: Können Sie konkrete Zahlen nennen?
Abenthung: Natürlich. Aufgrund meines Zivilberufes werden die Einkommen zusammengerechnet und es kommt dann im Folgejahr zu Steuernachzahlungen. Ich habe mir konkret von meinem Steuerberater im Jahr 2017 berechnen lassen, was ich denn genau als Bürgermeister netto verdiene. Das Ergebnis: Ich bin als Bürgermeister bei weitem nicht der bestbezahlte Mitarbeiter der Gemeinde. Bei mir waren es genau 1.896,90 Euro netto monatlich. Davon abzuziehen waren die von mir persönlich geleisteten Spenden für Vereine etc. in Höhe von 3.918,95 im Jahr 2016. Da bleiben also ca. ca. 1.600 Euro netto. Ich verrechne ansonsten keine Spesen, weder für die dienstlich gefahrenen Kilometer, noch für sonst etwas. Aufgrund meiner Aufgaben, meiner Verantwortung und des Zeitaufwandes eine wohl vertretbare Entschädigung, die sich meines Erachtens nach keinesfalls auf hohem Niveau bewegt. Noch dazu habe ich wegen der Arbeitszeitverkürzung in meinem Zivilberuf Abstriche in Kauf genommen.

Bezirksblatt: Haben Sie den Eindruck, dass die Bevölkerung gerne einen ehrenamtlichen Bürgermeister sehen würde?
Abenthung: Viele BürgermeisterInnen – und da zähle ich selbst dazu – müssen Zivilberuf und Bürgermeisteramt unter einen Hut bringen. Ein Verzicht auf das Bürgermeistergehalt ist gesetzlich nicht möglich – und ich glaube auch nicht, dass die Bevölkerung so etwas wirklich will.
Bezirksblatt: Die Gehaltszahlen liegen am Tisch – wie schaut es mit der Zeitabrechung aus? Wie viele Stunden arbeitet ein Axamer Bürgermeister?
Abenthung: Ich wende für das Bürgermeisteramt und meinen Zivilberuf im Durchschnitt 70 bis 80 Wochenstunden auf. Die GemeindebürgerInnen können sich darauf verlassen, dass ich zu 100 % für sie und die Gemeinde da bin und mich voll einsetze. Dies führt zu einer hohen Belastung, die manchmal auch zu viel wird. Ich habe mich aber freiwillig zur Kandidatur entschlossen. Daher ist kein Bedauern angebracht.

Bezirksblatt: Wird es künftig einen Bürgermeister-Nachwuchsmangel geben?
Abenthung: Das wollen wir doch nicht hoffen – es gibt schließlich auch viele schöne Erlebnisse. Managementfähigkeiten werden mehr denn je gefragt sein. Ich möchte dazu aber Präsident Riedl zitieren: "Wenn in einem Teich ein Hecht ist, der einen Schwimmer in den Zeh beißt, wird der Bürgermeister bestraft." Diesen Fall hat es gegeben – und die Strafe lag bei 14.000 Euro. Ein deutliches Beispiel, dass sich einiges ändern muss. Darauf hoffe ich ebenso wie viele meiner AmtskollegInnen!

Eine Aussendung des Landes Tirol bzw. die Entlohnungstabellen der Bürgermeister finden Sie HIER

Weitere Berichte: www.meinbezirk.at/westliches-mittelgebirge

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