Der Alpin-Skitourismus bringt KEINEN Wohlstand nach Tirol

In letzter Zeit häufen sich (wieder einmal) die Berichte über den geplanten Zusammenschluss Schlick-Lizum und andere wintertouristische Großprojekte in Tirol.

Die Wortmeldungen der BetreiberInnen bzw. UnterstützerInnen dieser Projekte vermitteln den Eindruck, dass der Wohlstand in Tirol ohne diese Mega-Projekte gefährdet wäre. Im Brief von Frau Zsifkovits, der großformatig im heutigen Bezirksblatt für das westliche Mittelgebirge erschienen ist, ist in diesem Zusammenhang sogar von der „einzigen und letzten Chance“ die Rede.

Derartige Endzeit-Szenarien halte ich für reine Propaganda. Denn in Wahrheit bringt der Tourismus gar keinen Wohlstand nach Tirol, ganz im Gegenteil: Kürzlich wurde berichtet, dass Tirol bei den Einkommen österreichweit weiterhin das Schlusslicht bildet. Nicht einmal die Beschäftigten in der Tourismus-Branche profitieren vom ausufernden Wintertourismus, denn: „Die mittleren Gehälter in der Gastronomie sind in Tirol im Branchenvergleich am niedrigsten“ (tt.com, 26.12.2010). Wo ist also der Wohlstand, den der Tourismus uns TirolerInnen angeblich bringen soll???

Erschwerend kommt dazu, dass der Tourismus die Preise für Wohnen und alltäglichen Bedarf gerade in Tirol in astronomische Höhen treibt. Jede Tirolerin und jeder Tiroler spürt täglich am eigenen Leib, dass die Kaufkraft in Tirol – nicht zuletzt durch den zunehmenden Wintertourismus – die schlechteste in ganz Österreich ist.

Darüber hinaus fällt bei den Wortmeldungen der Seilbahnbefürworter auf, dass krampfhaft versucht wird, mögliche Umweltschäden zu bagatellisieren. Frau Zsifkovits schreibt, dass es für den Zusammenschluss von Schlick und Lizum im Ruhegebiet Kalkkögel „lediglich eine Seilbahnstütze“ benötigt. Sie widerlegt ihre eigene Argumentation immerhin gleich selbst, wenn sie vom „Dreck, der nach jeder Wintersaison verräumt werden muss“ schreibt, und wenn sie blauäugig fragt: „Wie entsteht mehr Schaden in der Natur? Durch ein neues Liftprojekt (...) oder all die Autos, die tagtäglich zu den Skigebieten fahren?“

Ja, Frau Zsifkovits, genau darum geht es: Bei einer kritischen Betrachtung aller Aspekte – von den Folgeschäden durch die Ausrüstungsindustrie über die Verkehrsproblematik bis hin zu den Beschneiungssystemen – zählt der Alpin-Skitourismus sicher zu den Freizeitsportarten mit den weitreichendsten Umweltfolgen. Zudem zieht er Leute aus aller Herren Länder an, die oft nur wenig Sensibilität für die Verletzlichkeit der alpinen Landschaft an den Tag legen.

Das Beispiel Lizum-Schlick zeigt (wieder einmal) vor allem eines auf: Tirol ist nach wie vor das Zentrum eines einfallslosen Wintertourismus, der nicht imstande ist, etwas anderes als Skipisten hervorzubringen. Was ist mit den anderen Wintersportarten? Die brauchen nämlich allesamt keine Seilbahnen und Lifte! Warum werden noch immer nicht im großen Stil Leute angelockt, die sich für Langlaufen, Rodeln, Winterwanderungen, Tourengehen etc. begeistern? Wo sind die Vordenker in den Tourismusverbänden, die Alternativen zum „Skizirkus“ entwickeln? Gelingt dem Ehemann von Frau Zsifkovits in seiner Funktion als TVB-Obmann ein Blick über den Tellerrand seiner eigenen Interessen (in der Lizum) hinaus?

Ich bin der Meinung, dass es in Tirol wirklich mehr als genug bestens erschlossene Skiregionen gibt, und dass ein weiterer Ausbau den TirolerInnen nicht mehr Wohlstand bringen wird – außer ein paar Seilbahnmagnaten vielleicht...! Was der ungebremste Alpin-Skitourismus aber unweigerlich bringt, ist die zunehmende Zerstörung der einzigartigen Tiroler Bergwelt.

Abschließend ein paar Bemerkungen zur inakzeptablen Untergriffigkeit von Frau Zsifkovits in Richtung AkademikerInnen:

Ich selbst lebe zwar nicht in Axams, bin aber auch einer jener AkademikerInnen, die sich in einem Mittelgebirgsdorf niedergelassen haben, jener Menschen also, die von Frau Zsifkovits offensichtlich gar nicht geliebt werden. Ich hoffe aber, dass ihre Meinung nicht allgemein in Axams vorherrscht. Denn BewohnerInnen von Axams, die nicht im Tourismus arbeiten, als „kostenlose Nutznießer einer wunderschönen Landschaft“ zu bezeichnen, ist nicht nur eine unqualifizierte Entgleisung, sondern eine höchst bedenkliche Ausgrenzung einer Bevölkerungsgruppe innerhalb der eigenen Gemeinde.

Was verstehen Sie, Frau Zsifkovits, eigentlich unter einem „kostenlosen Nutznießer“? Immerhin müssen auch AkademikerInnen ihre Steuern zahlen, die über den Finanzausgleich pro Einwohner wieder nach Axams zurückfließen, und damit auch in die Lizum. Darüber hinaus müssen auch AkademikerInnen Lebensmittel im Ort einkaufen und – wenn sie in der Lizum Skifahren wollen – die Kosten für das Ticket bezahlen. Was heißt also hier „kostenlos“? Und was heißt „Nutznießer einer wunderschönen Landschaft“? Wenn es diesen Begriff überhaupt gibt, dann trifft er wohl viel eher auf Sie als Hotelbetreiberin mitten in der Lizum zu, oder?

Dr. Peter Berger
Mutters

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