Abriss in der Karolinengasse: Gasthaus Sperl muss Wohnhaus weichen
Das Biedermeierhaus in der Karolinengasse, wo bis vergangene Woche noch das Gasthaus Sperl betrieben wurde, wird abgerissen. Auch im 3. Bezirk soll ein Gründerzeithaus in der Radetzkystraße dem Erdboden gleich gemacht werden. All das soll vor dem 1. Juli geschehen – bevor eine neue Baunovelle in Kraft tritt.
WIEDEN/LANDSTRASSE. Und dann ging alles ganz schnell. Bauarbeiter am Dach, massenhaft Lieferwägen vor der Tür. Vor einer Woche verkündete Wirt Karl Sperl die Schließung seines Traditionsbetriebs, kurz darauf wurde bereits ausgeräumt. Damit hatten die wenigsten gerechnet. "Ein Wahnsinn, dass dieses schöne Biedermeierhaus abgerissen wird, in diesem wunderbaren Durchgang von der Elisabeth-Kirche zum Belvedere", so Anrainerin Susanne Patloch entsetzt. "Ein Trauerspiel." Die Anrainer sammeln sich an der Kreuzung Mommsengasse/Karolinengasse und erzählen Geschichten vom "alten Sperlwirtshaus". "Ich war gerne dort essen, es war auch gut besucht", so Patloch.
Unverständnis bei Anrainern
Bezirksvorsteher-Stellvertreterin Barbara Neuroth (Grüne) hält vor Ort die Stellung. Den ganzen Tag über sind die Grünen vor dem Biedermeierhaus - sie informieren und beobachten. "Ich würde mich freuen, wenn wir den Abriss aufhalten könnten", so Neuroth. Ihre Chancen stehen jedoch sichtlich schlecht. Im Rekordtempo geht es voran, die Dachziegel sind bereits weg, die Großküche ausgeräumt. Im Inneren wird zügig gewerkt. "Wir haben schon die Baupolizei verständigt, weil komplett ungesichert gearbeitet wird", sagt Neuroth. "Eine Gefahr für vorbeilaufende Kinder."
Barbara Neuroth von den Wiedener Grünen hält vor dem "Sperl" die Stellung.
Für Sicherheit ist mittlerweile gesorgt, ein Abbruch der Arbeiten jedoch bei Weitem nicht in Sicht. Trotz politischer Bemühungen und Kritik der Anrainer. "Ich verstehe den Wirt ja, dass es mit den Auflagen heutzutage schwierig ist", so Anrainerin Patloch. "Aber wieso gibt er den Betrieb dann nicht weiter?" Sie spricht das Statement von Wirt und ehemaligen Inhaber Karl Sperl an, der sich bei der Schließung auf zu komplexe Auflagen der Behörden und das immer schwieriger werdende Metier beruft. Er entschied sich für den Verkauf. An wen ist unklar, die Gerüchteküche brodelt. "Er will es nicht sagen", erklärt Neuroth. "Es ging alles sehr schnell und das Angebot hat wohl gepasst." Sperl selbst sagt nichts zu dem Thema. Er freut sich jetzt auf die Zeit mit seiner Familie.
Neue Baunovelle ab 1. Juli 2018
Mit 1. Juli tritt eine neue Baunovelle in Kraft. Diese schützt vor 1945 erbaute Häuser besonders, für einen Abriss ist eine spezielle Genehmigung erforderlich. Deshalb soll der Abriss in der Karolinengasse möglichst rasch vonstatten zu gehen, um dem noch zu entkommen. Die Baubehörde wurde laut Bezirksvertretung vergangenen Freitag von ihm informiert. Geplant ist nun ein fünfstöckiges Wohnhaus.
Abrisspläne in der Radetzkystraße
Kein Wirtshaus, aber ähnliche Situation: Im Bezirk Landstraße in der Radetzkystraße 24 und 26 steht ein Gründerzeithaus. Der derzeitige Eigentümer hatte angekündigt, es abreißen zu lassen, um dann einen Neubau errichten zu können. Dies soll aus den gleichen Gründen ebenfalls vor dem 1. Juli passieren. Mängel gab es ebenso wie in der Karolinengasse keine, das Haus wurde 2015 erst saniert.
Skurril: Laut Bezirksvorsteher-Stellvertreter Rudolf Zabrana brachten die Eigentümer eine Abbruchanzeige ein, obwohl noch aufrechte Mietverträge existierten. Es werden nun Sicherungsarbeiten am Eckturm durchgeführt und die MA 37 ist täglich auf der Baustelle. "Solange das Haus bewohnt ist, kann auch aus zivilrechtlichen Gründen kein Abbruch vorgenommen werden. Teilabbrüche im Haus wurden bereits vorgenommen", erklärt Ulrike Pilgram, Klubobfrau der Grünen Landstraße.
Auf die Frage nach der rechtlichen Situation erklärt Bezirks-Vize Zabrana den Bezirk als machtlos: "Die Überarbeitung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes des Weißgerberviertels mit einer Neufestsetzung der Schutzzonen hat entgegen dem einstimmig angenommenen Antrag des Bezirks, das Haus Radetzkystrße 24 -26 nicht umfasst. Unsere politischen Mittel sind daher erschöpft."
Mauersegler in Gefahr
Doch nicht nur das Zerstören von historischen Gebäuden ist vielen ein Dorn im Auge. Die Grünen fürchten ebenso um die Brutplätze der gefährdeten Mauersegler. "Mauersegler zählen zu schützenswerten Stadtvögeln und während der Brutzeit darf an der Fassade eines Hauses nichts vorgenommen werden. Bewohner haben jedoch beobachtet, wie am Samstag von Arbeiten an den Nestern manipuliert wurde", so Pilgram.
Bis zum 1. Juli ist noch Zeit für die Abrisse, danach tritt die neue Baunovelle in Kraft. die bz hält Sie auf dem Laufenden!
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